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Verwaltungskosten: Effektivität statt Minimierungsdruck

Die öffentliche Diskussion über die Werbe- und Verwaltungskosten von NGOs ist von Vorurteilen und Missverständnissen geprägt. Oft hört man den Vorwurf mangelnder Transparenz, ob in den Medien oder auf der Mitgliederversammlung. Da es im Dritten Sektor keine allgemeingültige Definition der Verwaltungskosten gibt, entscheidet jede Organisation eigenständig über die Zuordnung der einzelnen Ausgaben-Positionen. Dabei orientiert sie sich an den in der Satzung und von der Geschäftsführung festgelegten Vorgaben. Das macht den direkten Vergleich der Verwaltungskosten-Praxis zwischen den NGOs nahezu unmöglich. Daraus entsteht ein Klima der Unsicherheit unter den Spendern und die NGOs werden einem ständigen Minimierungs- und Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Früher oder später muss sich jede NGO mit dem Verwaltungskosten auseinanderzusetzen. Wir plädieren für einen sachorientierten Umgang.

Verwaltungskosten: Minimierungsdruck und DZI-Richtwerte

In der Öffentlichkeit werden immer wieder zu hohe Werbe- und Verwaltungskosten bei Spendenorganisationen angeprangert. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) vergibt sein begehrtes Spenden-Siegel nur an Organisationen, die höchstens einen – aus Sicht des DZI – gerade noch tolerierbaren Verwaltungskostenanteil von 35 Prozent aufweisen*. Je weiter eine NGO darunter liegt, umso besser – das ist die Botschaft, die bei den meisten Spendern ankommt. Der „Minimierungsdruck“ in der NGO-Arbeit ist problematisch, da er nicht mit den Grundsätzen von Effektivität kompatibel ist. So lautet ein Fazit der Maecenata-Studie „Die Verwaltungskosten von Nonprofit-Organisationen“. Da es bei NGOs keine „bottom line“ gibt, messe sich deren Erfolg an Kriterien, die sich einer betriebswirtschaftlichen Beurteilung entziehen, so die Autoren Rainer Sprengel, Rupert Graf Strachwitz und Susanne Rindt. Wie können NGOs ihre Effektivität messbar machen? Und wer entscheidet über die Zuordnung einzelner Positionen zu den Verwaltungskosten? Die Beantwortung dieser Fragen ist essentiell für die Glaubwürdigkeit von NGOs und darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Jede NGO muss sich mit diesen Fragen auseinandersetzen – wenn sie professionell arbeiten will.

Unvoreingenommen und sachorientiert mit dem Thema Verwaltungskosten umgehen

Die NGO-Landschaft ist geprägt von unterschiedlichen Themenschwerpunkten und sich daraus ergebenden weit auseinanderliegenden Aufgaben. Ob sich Organisationen nun als Dienstleister, Themenanwälte, oder Selbsthilfe- und Mittlerorganisationen verstehen: Sie sind zwar auf ganz unterschiedliche Weise aber alle dem gemeinen Wohl verpflichtet. Die daraus resultierenden Satzungszwecke sind nur begrenzt vergleichbar. Dazu kommen unterschiedliche Finanzierungsstrukturen, die von öffentlichen Zuschüssen bis zu freiwilligen Leistungen oder Erträgen aus privatem Vermögen reichen. Diese unterschiedlichen Finanzierungstrukturen und weit auseinanderliegenden Aufgaben der NGOs machen es unmöglich, eine „bottom line" zu definieren, aus der sich Kostenstrukturen ableiten ließen. So wird es praktiziert bei gewinnorientierten Unternehmen. Die große Herausforderung für eine Bemessung der Verwaltungskosten bei NGOs jedoch ist es, Kriterien zu finden, die mit dieser Vielfalt kompatibel sind. Dieser Aufgabe muss sich die NGO-Community in naher Zukunft verstärkt stellen. Wie die Studie der Maecenata-Stiftung zeigt, ist die Entwicklung von Kriterien für die Ermittlung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Kosten und Zweckerfüllung durchaus möglich. Das Resümee der Studie ließe sich in etwa so zusammenfassen: „Ein unvoreingenommener und sachorientierter Umgang mit dem Thema Verwaltungskosten in NGOs, Politik und Medien ist notwendig, um vom Grundsatz der Vermeidung von Verwaltungskosten hin zu einer Strategie der optimalen Nutzung von Ressourcen zu gelangen".

Das 100 Prozent-Versprechen von Charity:Water

Die britische Hilfsorganisation „Charity:Water" (c:w)  verspricht ihren Spendern, 100 Prozent der Spendengelder in Projekte zu stecken und Menschen Zugang zu sauberem und sicherem Trinkwasser zu verschaffen. Dazu hat Scott Harrison, Gründer von c:w eine pfiffige Strategie entwickelt, die Komplexität reduziert und Transparenz für Spendenfluss und Verwaltungskosten vermittelt.

Es gibt drei Möglichkeiten, die Projekte von c:w zu unterstützen. Neben der üblichen Geldspende, die direkt über die Website getätigt wird, kann Jeder bei mycharity:water eine eigene Spendenaktion einstellen. Es ist auch möglich bei WaterForward zehn US-Dollar dafür zu spenden, dass das Facebook- oder Twitter-Profil eines Freundes gelistet wird. Der kann sich dann revanchieren, indem er weitere zehn Dollar spendet, um wieder eigene Freunde auf der Plattform zu listen – eine Kettenbriefaktion für die gute Sache. 

Die Werbe- und Verwaltungskosten, wie etwa Gehälter für Mitarbeiter, Reisekosten, Videos und Website werden bei c:w durch private Sponsoren, Events & Kampagnen sowie Cause-Related-Marketing gedeckt. Die privaten Sponsoren, allesamt Mitglieder eines Clubs reicher Philantropen, der sich „The Well“ nennt, spenden beträchtliche Summen. Diese sind das Fundament der Einnahmen für das laufende Geschäft. Dazu kommen Unternehmens- und Stiftungsförderungen und Sachspenden, wie etwa Software und Büroeinrichtungen sowie eine jährliche Benefizgala, die im Jahr 2011 satte 2,2 Millionen US-Dollar einbrachte. Damit sind die Verwaltungskosten gedeckt.

* Das DZI hat zur Einschätzung der Verhältnismäßigkeit  die Werbe- und Verwaltungskosten von NGOs in vier Kategorien eingeteilt:

niedrig – unter 10 Prozent Werbe- und Verwaltungskosten
angemessen – 10 bis 20 Prozent
vertretbar – 20 bis 35 Prozent
unvertretbar hoch – 35 Prozent und mehr

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