FUNDRAISING-PRAXIS

Keine Zuweisung ohne Werbung

Geldauflagenverteilung 2017 an gemeinnützige Organisationen in Baden-Württemberg
Geldauflagenverteilung 2017 an gemeinnützige Organisationen in Baden-Württemberg

Geldauflagen, landläufig als Bußgelder bezeichnet, sind für einige Organisationen eine wichtige Finanzierungsquelle. Doch lohnt sich der Aufwand und wie sind die Erfolgschancen? Immerhin geht es um bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr.

Das sogenannte Geldauflagenmarketing oder Bußgeldmarketing funktioniert nach einfachem Muster. Richter und Staatsanwälte können Geldbußen anordnen oder das Gerichtsverfahren gegen Geldbuße einstellen. Diese Buße kann der Staatskasse, aber auch gemeinnützigen Organisationen zufließen. Wie viel Geld genau in die Kassen von Vereinen fließt, kann man nicht sagen, denn große Bundesländer wie Bayern oder NRW geben keine Daten darüber heraus. Geldauflagenexperte Wolfgang Happes von der V&M Service GmbH aus Konstanz kann sich auch nur auf seine langjährige Erfahrung stützen. „Wir schätzen, dass in Bayern rund 18 Millionen Euro und in NRW rund 20 bis 25 Millionen Euro jedes Jahr an Vereine und Stiftungen zugewiesen werden. Bundesweit dürften es 100 bis 110 Millionen Euro sein.“


Richter entscheiden völlig frei

Wohin das Geld geht, entscheidet dabei fast immer der Richter oder Staatsanwalt individuell. Es gibt nur wenige Ausnahmen. In Hamburg oder bei der Staatsanwaltschaft Saarland beispielsweise fließt alles in einen Topf und wird von dort heraus demokratisch vergeben. In allen anderen Bundesländern entscheiden die Juristen selbst. Als Voraussetzung gilt die Aufnahme in die sogenannte Bußgeldliste, die bei den Oberlandesgerichten geführt wird. Doch auch da gibt es Ausnahmen. „Wir haben festgestellt, dass beispielsweise 417 der 1.129 Organisationen, die 2018 in Niedersachsen Geldauflagen erhielten, gar nicht auf dieser Liste stehen“, so Experte Happes. Im Verzeichnis in Niedersachsen waren 2018 1.917 Einrichtungen gelistet. Er empfiehlt trotzdem, sich dort zu registrieren. In Dresden beispielsweise wurden im letzten Jahr 440.378 Euro ausgeschüttet. 378 Vereine stehen auf der Liste, und 146 bekamen Zuweisungen, auch einige, die nicht auf der Liste standen. Bundesweit schätzt Happes ein, dass nur 20 Prozent der registrierten Organisationen Zuweisungen erhalten.


Ohne Werbung geht nichts

Doch wie erfahren die Richter und Staatsanwälte nun vom Verein und seinem Anliegen? „Ohne Werbung geht da nichts. Allein in Niedersachsen stehen 2.000 Organisationen auf der Bußgeldliste. Das scrollt kein Richter durch“, so Wolfgang Happes. Man muss also auf dem Tisch der Beamten landen. Eine Möglichkeit ist der direkte Brief. Dienstleister (siehe Kasten) bieten bis zu 10.000 Adressen an, die mit einem speziellen Bußgeldmailing angeschrieben werden können. „Der größte Fehler den Spendenorganisationen machen, ist, dass sie an die Beamten Briefe schicken, die wie Spendenbriefe aussehen. Geldauflagen sind aber keine Spenden, deshalb ist das kontraproduktiv“, erläutert er. Klassische Bußgeldmailings bestehen deshalb aus einem kurzen Anschreiben, Aufklebern mit dem Namen der Organisation, Adresse und dem Bußgeldkonto, Flyer und mehreren Überweisungsträger.

Eine weitere Idee ist Werbung in Broschüren, die an Staatsanwaltschaften gesendet werden, wie das Geldauflagen-Jahrbuch der GFS Fundraising Solutions GmbH.

Andere Organisationen haben das Thema mittlerweile auch in ihre Webseiten integriert, um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. So veröffentlicht beispielsweise die UNO-Flüchtlingshilfe sogar die bei den verschiedenen Oberlandesgerichten verwendeten Aktenzeichen ihrer Organisation, um es den Richtern einfacher zu machen. Eine gute Idee. Laut Happes tauchen nämlich bei den Zuweisungen die Aufkleber, welche die Verwaltungsmitarbeiter der Einfachheit halber auf die Zuweisungen aufbringen, immer weniger auf. Auch hier wird zunehmend digitalisiert und die Organisation über das Aktenzeichen identifizierbar.


Inkasso für das Gericht

Mit der Zuweisung einer Geldauflage muss der Verein das Inkasso für das Gericht übernehmen. Das heißt, er überwacht den Zahlungseingang des Bußgeldes und gibt dem Gericht schriftlich Bescheid, wenn das Geld eingegangen ist. Dann wird das Verfahren beendet. Wird nicht gezahlt, geht das Verfahren an das Gericht zurück, und das Geld fließt nicht. „Für kleinere Vereine mit wenigen Zuweisungen ist dieser Aufwand durchaus vertretbar“, meint Happes. Größere Vereine geben das auch in die Hände von Dienstleistern. „Es gibt durchaus Richter und Staatsanwälte, die verfügen, dass das Geld in Raten gezahlt wird, um die verurteilte Person an seine Tat zu erinnern. Jede Zahlung muss aber schriftlich per Brief gemeldet werden. Ein hoher Aufwand. Dafür ist das Geld aber nicht zweckgebunden und kann für alles im Verein eingesetzt werden.“ Seiner Erfahrung nach rufen Beamte auch schon mal an und erkundigen sich nach dem Geldeingang. Auch da muss man aussagefähig sein.

Empfehlenswert ist es, konsequent das Thema Bußgeld von den Spenden in der Verwaltung zu trennen. Datenbankanbieter verfügen dafür auch über eigene Verwaltungsmodule. Eine Übersicht dazu gibt es in der Sonderbeilage des Fundraiser-Magazins: „Software für Vereine, Verbände und Stiftungen“.

(Bild: V&M Service GmbH)

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