FUNDRAISING-PRAXIS

Geschichten über das Wesentliche

Jahresberichte

„Ein erfolgreiches Jahr liegt hinter uns.“ So beginnen in Deutschland viele Jahresberichte. Doch wollen Spender, Multiplikatoren und andere Interessenten so etwas lesen? Ein Blick in die Geschäftsberichte von Unternehmen macht deutlich. Hier geht noch mehr.

Drei Themen werden von Unternehmen momentan sehr stark beim Thema Geschäftsbericht diskutiert. Die Rückbesinnung auf das Wesentliche, der Nutzwert von Online-Jahresberichten und das Thema Storytelling. Ja, auch gute Geschichten gehören heute zu einem Unternehmen dazu und sollen Investoren oder Anteilseigner von der richtigen Anlage ihres Geldes überzeugen. Alle diese Punkte sind auch auf Not-For-Profit-Organisationen anwendbar. Doch der Reihe nach.

Weniger ist mehr

Das Prinzip „Reduce to the max“ sollte eigentlich für jeden PR-Verantwortlichen ein Muß sein. Wir haben einfach zu wenig Zeit, um uns in das Denken eines Vorstandsvorsitzenden hineinzuversetzen. Wir wollen ihn gleich verstehen. Dazu braucht es keine Schachtelsätze, es heißt, schnell auf den Punkt zu kommen. Einfache, kurze und präzise Sätze helfen. Nebensätze, Abkürzungen oder „Fachchinesisch“ sind dringend zu vermeiden. Auch das sehr beliebte „Behördendeutsch“ ist keine Hilfe. Auch Fördermittelgeber und Bundesministerien lesen lieber einen anregenden als wissenschaftlichen Jahresbericht. Deshalb sind Wörter mit Endungen auf –ung, -heit, -keit oder –mus besser umzuformulieren. Verwenden Sie nie ein Substantiv, wenn ein Verb möglich ist. Das fördert auch eine aktive Sprache, die viel besser in den Jahresbericht passt. Damit einher geht, Personen handeln zu lassen und sie zum Beispiel durch Zitate zu Wort kommen zu lassen. Das macht den Text lebendig und lockert ihn auf. Außerdem kann der Leser so persönlich angesprochen werden. Um das umzusetzen, ist es wichtig, sich ein klares Konzept von seinem Jahresbericht zu machen. Welche Zielgruppe bekommt ihn, was soll der Gruppe mitgeteilt werden und was sind die besten Geschichten aus der Organisation, um die Leistungsfähigkeit nachzuweisen und die Themen der Organisation berührend und ehrlich zu transportieren.

Geschichten erzählen

Geschichten sind magisch. Sie bleiben im Kopf, sie sind persönlich und sprechen im Gegensatz zu rein faktenbasierten Darstellungen nicht nur den Kopf sondern auch die Gefühlsebene an. „Geschichten stiften Sinn: Sie erzählen von Werten und setzen Sachverhalte in einen Kontext und sie wirken verbindend. Der Leser erfährt unmittelbar von Geschehnissen bzw. Sachverhalten. Geschichten erzählen nicht über etwas, sondern von etwas. Dadurch kann man sich hiermit besser verbinden als mit Abstrakta, die oftmals sogar bewusst verschleiern bzw. unpräzise bleiben“, erläutert Katrin Frische, die Organisationen zu dem Thema berät. Richtig intensiv wird dies beim biografischen Storytelling umgesetzt, das den Menschen ins Zentrum der Geschichte stellt. „Es geht darum, dem Einzelnen Raum zu geben, seine Botschaft zu äußern. In unserer funktionalen und pragmatischen Gesellschaft besteht die Tendenz, die Persönlichkeiten und das, was diese ausmacht, zu verstecken: hinter Produkten, Dienstleistungen und Unternehmensphilosophien. Was aber wirklich bewegt und inspiriert, ist eine menschliche Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen“, ist Frische überzeugt. Das passt natürlich auch gut zum „People give to People“ der Fundraiser. Doch wo sind solche Geschichten zu finden? Eigentlich nicht so schwierig. Besonders Projektleiter, aber auch Fundraiser, Vorstände und Geschäftsführer erleben im ganzen Jahr Berührendes, Dramatisches und auch Komisches. Alles Dinge, die schnell wieder in Vergessenheit geraten. Deshalb einfach mal ein Verzeichnis im Rechner, eine Mappe oder einen internen Blog für solche Erinnerungen bereitstellen, damit gute Geschichten nicht verloren gehen, sondern für den Jahresbericht, den nächsten Spendenbrief oder auch das nächste Spendergespräch zur Verfügung stehen.

Online heißt nicht mehr Text

Viele Organisationen sehen im Online-Jahresbericht das Heil. Auch bei Unternehmen war das jahrelang zu beobachten. Was nicht in die Print-Ausgabe passt, ging auf jeden Fall in den Online-Bericht rein. Doch mittlerweile findet auch hier ein Umdenken statt. Es lohnt sich einfach nicht, Zeit und Arbeit in Berichte zu stecken, die keiner ließt, weder online noch Print. Ein schönes Beispiel ist der Jahresbericht der AGE - Austin Groups for the Elderly. Sie schaffte es mit einem Jahresbericht als Postkarte fünfmal so viele Menschen zu denselben Kosten des Jahresberichtes des Vorjahres zu erreichen. Die Postkarte war personalisiert und verwies auf einen Online-Bericht im Netz.

Jahresberichte gehören genauso zur Öffentlichkeitsarbeit wie Pressemeldungen und Newsletter. Es lohnt sich, auch hier etwas länger über Sinn und Unsinn eines solchen Berichts nachzudenken und sich nicht nur von äußeren Vorgaben wie Rechenschaftslegung oder Transparenzpflicht leiten zu lassen.


(Foto: alphaspirit - Fotolia.com)

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