FUNDRAISING-PRAXIS

Crowdfunding im Sozialen? Klingt zynisch!

Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Bühl-Achern e.V., Crowdfundingaktion
Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Bühl-Achern e.V., Crowdfundingaktion

Crowdfunding wird gern als Innovation gelobt. Bernd Kreh, Gastautor des ngo-dialogs und Fundraising-Manager bei der Diakonie Hessen, beschäftigt sich deshalb etwas intensiver mit dem Thema und hat beim praktischen Einsatz im sozialen Bereich einige Bedenken. Ein Meinungsbeitrag.

von Bernd Kreh

Das Einwerben von Mitteln zur Realisierung eines interessanten Projekts durch die Gewinnung einer großen Anzahl von Unterstützern ist ein alter Hut. Durch die Möglichkeiten des Internets, die Kopplung einer Projektrealisierung an eine „Wette“ und eine kreative Namensgebung konnte bei der Suche nach Förderern eine verstärkte Aufmerksamkeit für dieses neue Instrument erzeugt werden.

Sponsoring statt Spenden

Zunächst muss aber festgestellt werden, dass es sich beim sogenannten Crowdfunding keineswegs um die Gewinnung von Spenden, sondern um reines Sponsoring handelt. Denn wesentlich für dieses Instrument zur Einwerbung von Unterstützung ist eine Gegenleistung, die der Mittelempfänger zu erbringen hat. Entstanden ist das Crowdfunding im Kulturbereich, wo es darum geht, Mittel für die Realisierung eines Theater-, Film- oder Literaturprojekts aufzutreiben. Es ist verständlich, dass hierbei Gegenleistungen in Form von Premierebesuchen, Theater- bzw. Kinokarten, geselligen Veranstaltungen mit Schauspielern und Autoren, signierten Bücher, Plakaten und so weiter angeboten werden können. Die Gegengaben orientieren sich in ihrem (ideellen) Wert an der Höhe des zugesagten Betrags. Die Produktionen werden nur realisiert, wenn bis zu einem festgelegten Zeitpunkt der Mindestbetrag für die Realisierung des Projekts von Unterstützern verbindlich zugesagt ist. Geld fließt zunächst nicht. Erst wenn der festgesetzte Betrag erreicht ist, wird dies allen Unterstützern mitgeteilt und das Geld wird eingefordert. Im anderen Fall nicht. Nach der Realisierung des Projekts wird die Gegenleistung freigegeben.

Zu Kultur passt das besser

Die Übertragung der Crowdfunding-Idee auf den sozialen Bereich ist durchaus denkbar. Der Effekt, der im Kulturbereich eintritt, kann aber bei vielen sozialen Projekten nicht erzielt werden. Selten gelingt es, pfiffige Gegenleistungen zu kreieren, die auch neue Personen auf das Projekt aufmerksam machen. So bleibt es oft dabei, dass die Personen, die eine Einrichtung bisher schon unterstützt haben, neu „bespaßt“ werden (was durchaus sinnvoll sein kann). Die Hoffnung, neue Zielgruppen zu erschließen, erfüllt sich nur bedingt.

Steuerlich ist in jedem Fall zu beachten, dass es sich um einen (weiteren) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handelt. Sofern man vor allem ein finanzielles Ziel im Blick hat, muss der Steueranteil mit einkalkuliert werden.

Wetten auf ein soziales Projekt

Ein Einsatz von Crowdfunding im sozialen Bereich sollte sehr gut überlegt werden. Denn der Clou bei diesem Instrument liegt ja eben darin, dass ein Projekt nur dann realisiert wird, wenn sich genügend Personen finden, die sich mit ihren finanziellen Mitteln in einem festgelegten Zeitraum dafür einsetzen. Das mag im Kulturbereich ganz nett sein. Im sozialen Bereich sollte davon ausgegangen werden, dass ein Projekt direkt oder indirekt bedürftigen oder benachteiligten Menschen zugutekommt. Spätestens an dieser Stelle sollte also ethisch geklärt werden, ob ein Spiel mit dem Risiko angebracht ist. Denn schließlich bedeutet das, dass das Projekt nicht so wichtig sein kann, da man auch mit einem Scheitern der Finanzierung rechnen muss – und den Einfluss auf die Gewinnung von Unterstützern weitgehend aus der Hand gibt. Eine spätere Realisierung des Projekts auf einem anderen Weg würde gegen die Regeln des Crowdfunding verstoßen. Gescheitert ist hier gescheitert.

Bisher gehen wir im Fundraising in der Diakonie davon aus, dass wir sinnvolle und gute Projekte im sozialen Bereich, die bedürftigen Menschen zugutekommen, mit allen Kräften realisieren, weil sie notwendig sind. Wenn sie es nicht sind, sollten wir sie lassen. Aber die Realisierung eines sozialen Projekts einem Spiel auszusetzen, klingt eher zynisch.

 

Bernd Kreh ist Fundraising- und Stiftungsmanager, Abteilungsleiter Förderwesen, Fundraising und Stiftungen der Diakonie Hessen in Frankfurt am Main. Er freut sich auf eine angeregte Diskussion zum Thema.




(Bild: Screenshot)

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Kommentar von Henrik Wittenberg |

Selbstverständlich lassen sich auch »soziale Projekte« hervorragend mittels Crowdfunding finanzieren.

Wir als Kölner Initiative Grundeinkommen e. V. haben z.B. zwei Pilotprojekte in Namibia und Brasilien teilfinanziert:

https://www.betterplace.org/de/projects/4419-quatinga-velho-bedingungsloses-grundeinkommen-in-brasilien

http://www.alvarum.com/otjivero

Auch das (medial) erfolgreiche Projekt »Mein Grundeinkommen« wird fast ausschließlich per Crowdfunding getragen:
https://www.mein-grundeinkommen.de/support/crowdfund

Kommentar von Bernd Kreh |

Hallo Herr Wittenberg,
ich bezweifele doch nicht, dass Sie Spenden einsammeln können. Vielleicht machen Sie ja tatsächlich Crowdfunding. Schauen Sie sich mal das Bild auf zu meinem Text an. Das ist doch zynisch, wenn ich ein solches Projekt davon abhängig mache, ob ich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt genügende Spenden zusammen bekomme oder nicht. Und ein solches Projekt aus diesem Grund "sterben" zu lassen, geht doch gar nicht!!! Und bei 29 Personen kann man wirklich nicht von einer Crowd sprechen. Vielfach wird eine Spendenaktion einfach Crowdfunding genannt, weil es modern klingt. Mir geht es darum, dass man nur das Crowdfunding nennt, wo auch Crowdfunding drin ist. Ab welchen Zahlen reden Sie von einem "Schwarm"? 29 sind ein erweiterter Freundeskreis - mehr nicht. Bei einem Schwarm erwarte ich mal mindestens einige Hundert Leute. Bisher habe ich nur wenige Aktionen (im sozialen Bereich) gesehen, die den Namen Crowdfunding verdienen. Alles andere ist für mich Etikettenschwindel. Viel Erfolg bei Ihren Aktionen!
Grüße aus Hessen, Bernd Kreh