FUNDRAISING-PRAXIS

Fundraising als postalischer Spaziergang

Wer kennt das nicht. Die Weihnachtsspendenaktion steht vor der Planung und die Kosten scheinen wieder in den Himmel zu reichen. Da ist guter Rat teuer, oder doch nicht?

Gerade erst wird bekannt, dass die Deutsche Post 2015 ihr Porto erneut um 2 Cent anheben wird. Auch die bei Non-Profit Organisationen intensiv genutzte Infopost machte 2014 einen satten Preissprung von 12 Prozent. Kein Wunder, dass viele Spendenorganisationen ihren Briefversand zu Weihnachten reduzieren oder gezwungenermaßen höhere Kosten einplanen. Einen anderen Weg ging die Bürgerstiftung Jena. Sie entschied sich, ganz ohne Versand auszukommen und trotzdem 60.000 Briefe im Stadtgebiet von Jena zu verteilen.

Austragen statt versenden

Schon lange überlegte die Stiftung, wie sie zu einem festen Spenderstamm kommen könnte. Das Angebot der Drosos-Stiftung, mit einem Matching-Fund zu jedem gespendeten Euro noch 50 Cent aufzuschlagen, gab das Signal, nun die Jenaer Bürgerinnen und Bürger direkt anzusprechen. Die Aktion sollte einen klassischen Spendenbrief mit Öffentlichkeitsarbeit koppeln und so noch mehr Aufmerksamkeit erzeugen. Doch allein die Kuvertier-, Druck- und Gestaltungskosten lagen bei 6.730 Euro. Dank Sponsoren konnte das um 1.400 Euro reduziert werden. Doch eine Auflage von 60.000 Briefen bedeutete weitere Kosten von fast 12.500 Euro. Da die Stiftung eine Ehrenamtsagentur betreibt, entstand folgende Idee: Wenn 120 Ehrenamtliche je 500 Briefe im Stadtgebiet Jenas verteilen, könnte das ohne Kosten gelingen und die Suche nach Helfern wäre gleichzeitig eine gelungene Aktion für die lokalen Medien. Gesagt, getan. Über einen Presseaufruf, den jährlichen Spendenlauf, direkte Kontakte, Social Media und persönliche Ansprache wurden ehrenamtliche Zusteller gesucht. Allein der Spendenlauf im August brachte schon ein Viertel der nötigen Personen zusammen.

Termin und Thema entscheidend

Organisatorisch problematisch aber erfolgsversprechend für das Spendenergebnis war es, die Aktion zwischen den Jahren, also in der spendenträchtigsten Zeit vom 27. Dezember bis 30. Dezember 2013 laufen zu lassen. Schnell wurde klar, dass eine Briefverteilung in der Größenordnung in der kurzen Zeit nicht organisierbar war, weswegen die Aktion bis zum 10. Januar 2014 verlängert wurde. Auch das Büro musste in der Urlaubszeit durchgehend mit zwei Mitarbeitern besetzt werden. Um das Thema gut zu transportieren, warb die Stiftung ehrenamtliche Briefverteiler mit dem Slogan „Ein Spaziergang zwischen den Jahren“. Wichtig war auch das gewählte Spendenprojekt. Schon seit langem versucht die Stiftung, mit dem Projekt „Schatzheber“ Stärken von Kindern zu fördern. Über die Bürgerstiftung werden Freiwillige in Jenaer Kindertagesstätten und sonstige Einrichtungen der Jugendhilfe vermittelt. Dort werden Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren in ihren individuellen Kompetenzen und Talenten gefördert.

Das Thema und die Suche nach Briefverteilern verstärkten die öffentliche und mediale Wahrnehmung. Am Ende kamen genügend Ehrenamtliche zusammen, die 50.000 Briefe austrugen. Ergebnis waren 320 Spender, darunter 200 Neuspender, die insgesamt 10.640 Euro spendeten. Mit dem Geld der Drosos-Stiftung und nach Abzug der Kosten blieb ein Reinerlös von 10.990 Euro. „Das war deutlich über unseren Erwartungen“, sagte Ralf-Uwe Beck, der die Stiftung bei dem Projekt beriet, beim Mitteldeutschen Fundraisingtag in Jena. „Wichtig bei so einem Projekt ist es, Mut zu haben und den eigenen Stärken zu vertrauen“, erläuterte er und meinte damit die Erfahrungen mit Ehrenamtlichen und die Kontakte zur regionalen Presse. Auch die positiven Nebeneffekte verstärkten das positive Ergebnis: Über 70 Ehrenamtliche kamen neu hinzu und in ganz Jena war die Bürgerstiftung auf einen Schlag bekannt geworden. Das „Spaziergänger-Projekt“ soll deshalb auch wiederholt werden. Diesmal eventuell auch mit einem Medienpartner und Plakatwerbung.

(Bilder: Bürgerstiftung Jena)