FUNDRAISING-PRAXIS

Wie es gelingt, Freiwillige zu gewinnen, zu motivieren und zu binden

Was können deutsche Non-Profit-Organisationen in Bezug auf die Motivation, Mobilisierung und Einbindung von ehrenamtlichen Helfern von Freiwilligeninitiativen in den USA lernen? Dieser Frage geht die aktuelle Studie der Initiative ProDialog „Freiwilligenengagement in den USA – Best Practice für Deutschland“ nach.

„Um erfolgreicher zu werden, müssen die Organisationen zielgruppengerechte Kommunikationswege nutzen, ihre Programme variabler gestalten und den Wert des Engagements klarer herausstellen, so lautet nach Kerstin Plehwe, Vorsitzende der Initiative ProDialog, das Fazit der Studie*.

Freiwilliges Engagement ist ein gefragtes Gut

Sie geben Nachhilfestunden, organisieren Marathon-Läufe, helfen im Naturschutz oder betreuen Senioren im Altenheim – laut dem Freiwilligensurvey 2009 des BMFSFJ engagieren sich gegenwärtig rund 23 Millionen Bürger in Deutschland freiwillig in Vereinen, Verbänden, Initiativen und Stiftungen. So sind freiwillig engagierte Menschen inzwischen zu einer wichtigen und unentbehrlichen Stütze unserer Gesellschaft geworden. Seit Juli diesen Jahres soll der große Bedarf an freiwilligem Personal im sozialen Bereich u.a. durch den Bundesfreiwilligendienst gedeckt werden, denn mit dem Aussetzen der Wehrpflicht gilt es auch, den zivilen Dienst an der Gesellschaft neu zu organisieren. Non-Profit-Organisationen, deren Arbeit ohne das Engagement von Freiwilligen nicht möglich wäre, müssen sich damit einer noch größeren Konkurrenz um diejenigen Bürger stellen, die bereit sind, sich zum Wohle der Allgemeinheit einzubringen. Hier können deutsche Organisationen von Freiwilligeninitiativen in den USA lernen, ein Land, in dem freiwilliges Engagement traditionell tief in der Gesellschaft verwurzelt ist.

Abgeschaut: Freiwilligenmanagement im Big Apple

Vergleichende internationale Studien belegen, dass das Freiwilligenmanagement in den USA auf eine erfolgreiche Tradition zurückblicken kann. Zwischen September 2009 und September 2010 engagierten sich in mehr als einer Million US-amerikanischer Non-Profit- Organisationen rund 62,8 Millionen Menschen unentgeltlich, rund jeder fünfte Einwohner der USA.
Das ist einerseits in den ausgeprägten kulturhistorischen Eigenheiten der US-Bürger begründet, andererseits einer eher staatskritischen und individualistischen Einstellung geschuldet. Allerdings scheint das überdurchschnittliche gesellschaftliche Engagement in den USA vor allem im Umgang der NGOs mit ihren Freiwilligen gewachsen zu sein. Zu diesem Ergebnis kam die Initiative ProDialog, die vier New Yorker Freiwilligeninitiativen (New York City Service, Big Brothers and Big Sisters of New York City, New York Cares und Bellevue Hospital Center) unter die Lupe genommen hat. Mit dem Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen für NGOs in Deutschland zu erstellen, wurde drei grundsätzlichen Fragen nachgegangen:

1. Motivation: Warum engagieren sich Freiwillige?
2. Mobilisieren: Wie werden die freiwillig Engagierten angeworben?
3. Mitarbeiten: Wie werden die Freiwilligen an die Initiative gebunden?

Warum sich Freiwillige engagieren: vier Beispiele aus New York

Sich engagieren, um die Welt zu verbessern, ist das gemeinhin stärkste Motiv für Menschen, ihre Zeit zu spenden. Mit dem Slogan „EVERYBODY’S GOT SOMETHING TO OFFER“ tritt der New York City Service an, das Ehrenamt in New York City zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen.

Die Idee, dass Erfolg dazu verpflichtet, dem Gemeinwesen dankbar zu sein und etwas zurückzugeben, ist in den USA sehr ausgeprägt, was sich etwa in dem hohen sozialen Engagement erfolgreicher Unternehmer wie z.B. Bill Gates und in einer ausgeprägten Corporate Responsibility-Kultur zeigt. Die Jugend-Mentoring-Organisation Big Brothers and Big Sisters of New York setzt ganz klar auf den Gedanken „to give something back“.

Ein nicht unwesentliches Motiv für Menschen, sich freiwillig zu engagieren, ist die Möglichkeit, Erfahrungen und Qualifikationen zu sammeln. So bietet das Bellevue Hospital Center in New York City fachkundigen Menschen die Möglichkeit, theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen. Auch fachfremde Freiwillige finden im Volunteer Programm Möglichkeiten, sich zu engagieren.

1. Stärkstes Motiv, freiwilligen Engagements ist der Gemeinwesensbezug. Freiwillige engagieren sich, um die Gesellschaft zu verbessern.
2. Die Idee, etwas vom Erfolg an die Gesellschaft zurückzugeben, ist die große Herausforderung im deutschen Fundraising von morgen.
3. Freiwilligenengagement bietet die Möglichkeit, neue und interessante Kontakte zu knüpfen und von gemeinschaftlichen Erlebnissen und Erfolgen zu profitieren,
z.B. bei den New York Cares
4. Im Rahmen freiwilliger Tätigkeiten lassen sich Qualifikationen erwerben, die im Berufsleben von Vorteil sein können.

Und so mobilisieren Sie erfolgreich ihre freiwilligen Akteure:

Durch einschlägige Veranstaltungen das Interesse der lokalen Medien gewinnen (Agenda Setting): mit ihrem alljährlichen Spendenlauf schärft die BBBS NYC das mediale und öffentliche Bewusstsein für die schwierige Situation vieler Kinder und Jugendlicher in New York. Durch kontinuierliche Medienarbeit und öffentlichkeitswirksame Aktionen gelingt es Organisationen, sich als kompetenter Gesprächspartner in der Öffentlichkeit zu positionieren. Aufhänger kann auch ein in den Massenmedien bereits kommuniziertes Thema sein. Dieses sogenannte „Agenda Surfing“ praktizieren auch in Deutschland ansässige Organisationen mit Erfolg, wie z.B. das Deutsche Rote Kreuz oder Greenpeace im Zusammenhang mit dem Erdbeben in Haiti 2010 oder dem Atomunglück in Fukushima 2011.

Die Online-Plattform ist ein sehr wirksames Instrument, mit dem sich der Kontakt zwischen Interessenten und den Freiwilligeninitiativen herstellen lässt. Ein Beispiel ist die von Bürgermeister Michael Bloomberg initiierte Freiwilligenplattform „ NYC Service“, auf der Volontäre und NGOs sich suchen und finden können.

1. Mund-zu-Mund-Propaganda (Freiwillige gewinnen Freiwillige), Flyer und Argumentationshilfen wirken unterstützend
2. Agenda-Setting / Agenda-Surfing
3. Professionalisierung des Online-Angebots / Social Media Optimization, z.B. New York Cares
4. Freiwilligenplattformen / Freiwilligenagenturen

So sichern Sie eine langfristige Zusammenarbeit

Ziel der meisten Organisationen ist es, für ihre Arbeit langfristige und zuverlässige Unterstützer zu gewinnen. Dazu sollten sie ihre eigene Arbeit auch an den Bedürfnissen der Freiwilligen ausrichten. Auch die Anerkennung der freiwilligen Leistungen darf nicht zu kurz kommen. Zufriedene und motivierte Freiwillige bleiben der Organisation oder dem Verein langfristig verbunden und geben ihre Erfahrungen gern an Freunde und Bekannte weiter.

1. Professionalisieren Sie den Auswahlprozess, indem Sie folgende Fragen stellen: Welche Art von Qualifikation, welche Fähigkeiten sollen die Kandidaten mitbringen? Wie viel Zeit sollten sie in die freiwillige Arbeit investieren können?
2. Erfüllen Sie die Erwartungen der Freiwilligen. Eine regelmäßige Evaluation von Motivation und Zufriedenheit der freiwilligen Mitarbeiter sind wichtig. Bieten Sie genügend Möglichkeiten an, um Probleme frühzeitig besprechen und beheben zu können.
3. Sorgen Sie dafür, dass die Freiwilligen ihre Aufgaben kompetent bewältigen können. In der Regel sucht eine Organisation freiwillige Mitarbeiter, die bestimmte Qualifikationen und Fähigkeiten mitbringen. Es lohnt sich aber auch darüber nachzudenken, die Anforderungen an dem vorhandenen Pool freiwillig Engagierter auszurichten. Eine Neudefinition der anvisierten Ziele ist u. U. einfacher machbar, als eine große Anzahl neuer Helfer zu akquirieren.
4. Integration des Subsidaritätsprinzips: Eine dezentrale Struktur mit Mitspracherecht der einzelnen Abteilungen oder Arbeitsgruppen bei der Auswahl von Freiwilligen ist von Vorteil, denn dort sind Bedürfnisse und Abläufe am besten bekannt. So sind z. B. im Bellevue Hospital Center die Abteilungen selbst für die Auswahl ihrer Freiwilligen verantwortlich.
5. Besondere Wertschätzung der Freiwilligenarbeit

 

* „Freiwilligenengagement in den USA – Best Practice für Deutschland" ist ab sofort kostenlos unter http://www.prodialog.org/content/dialogwissen/studien erhältlich.

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