FUNDRAISING-PRAXIS

Pay what you want

Öffnet schon mal ohne Eintritt: Freilichtmuseum am Kiekeberg.
Öffnet schon mal ohne Eintritt: Freilichtmuseum am Kiekeberg.

Geiz ist geil – wer kennt diesen Satz nicht. Umso verwunderlicher sind Meldungen, wenn Zoos, Veranstaltungen oder Museen ihre Türen nach dem Motto „Zahl, was es Dir wert ist“ öffnen. Doch dahinter steckt ein gut durchdachter Plan.

von Matthias Daberstiel

Als der Allwetterzoo Münster im Dezember 2012 und der folgenden ersten Januarwoche seine Türen öffnete, wollten 56.000 Besucher dabei sein. Besucherrekord! Grund war keine neue Attraktion, sondern ein neues Prinzip: Pay what you want. Da wurden frostige Finger gern in Kauf genommen, denn normalerweise ist der Zoo in jenen Monaten am schlechtesten besucht. Mit dem neuen Preismodell hatte der Zoo aber enormen Erfolg. Zwar zahlten die Besucher statt der normalen 14 Euro nur knapp fünf Euro pro Person, aber der Zoo verzeichnete auch zweieinhalbmal so viele Besucher, was den Verlust relativierte. Außerdem stiegen auch die Einnahmen in den Restaurants des Zoos, und die Kosten für Heizung und Verpflegung der Tiere laufen ja auch in dieser Zeit weiter. Einnahmen waren also höchst willkommen. Auch in diesem Jahr wird das übrigens wieder so sein. Doch warum zahlten die Besucher überhaupt etwas? Sie hätten ja auch einfach kommen und ohne Eintritt wieder gehen können.


Wie Du mir so ich Dir

Ideengeber für dieses Projekt war damals Markus Kunther von der RWTH Aachen, der das wissenschaftlich untersucht hatte. Er stellte fest, dass die Menschen fast nie gar nichts geben. „Viele wollen zwar ein Schnäppchen machen, aber auch einen fairen Preis zahlen“, so Kunter gegenüber der ZEIT. „Dieser Gerechtigkeitsgedanke ist stark verwurzelt.“ Der Grund ist die Reziprozität oder das „Wie du mir so ich dir“-Prinzip. Menschen reagieren also auf die Handlung eines anderen zu ihren Gunsten mit einer ebensolchen Handlung. Wir Menschen sind nämlich nicht nur rein ökonomisch in unseren Entscheidungen und maximieren bei jeder Handlung unseren Nutzen, sondern haben auch das Wohl des Anderen im Blick. Bekannt ist das auch aus kleinen Geschenken in Spendenbriefen, die eine Spende deutlich stärker nach sich ziehen als ohne Geschenk. Es funktioniert aber eben auch beim kostenfreien Eintritt.

Jüngstes Beispiel ist die Aktion der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg in der Nähe von Hamburg. Bei der großen Veranstaltung „Spielzeit“ im Juli 2019 zahlten erwachsene Besucher keinen Eintritt. Für Kinder ist der Museumsbesuch grundsätzlich kostenfrei. Statt Eintritt bat die Stiftung um freiwillige Beiträge nach dem Motto „Zahl, was es Dir wert ist“. 1.800 Besucher mit und ohne Kinder nutzten den Sonntag als Ausflugstag, spendeten und informierten sich über die Arbeit der Stiftung. Im Laufe des Tages kamen 3.628,50 Euro an Spenden in den Vermögensstock der Stiftung zusammen. Nüchtern betrachtet nicht so viel, aber die Masse an Besuchern, welche die Stiftung und das Museum so kennenlernen, macht das attraktiv. Die Stiftung experimentiert schon länger mit kostenlosen Angeboten. So ist eine kostenfreie Mitgliedschaft im Förderverein für ein Jahr und kostenfreiem Eintritt für das Museum ganz normal. Aktuell steuert der Verein auf 15.000 Mitglieder zu, die ab dem zweiten Jahr einen ganz normalen Beitrag bezahlen.


Begeisterte Besucher

„Unsere Aktion war in vielerlei Hinsicht erfolgreich“, sagt Carina Meyer, Kaufmännische Geschäftsführerin. „Viele Menschen kamen erstmals zu uns und sind nun Fans, sie verließen das Museum begeistert. Mit den Besuchern haben wir über unsere Stiftungsarbeit und deren langfristige Strategie gesprochen. Wir merken sehr, dass den Menschen die Kultur und die Geschichte am Herzen liegen.“

Die Stiftung verfügte Ende 2018 über 2,5 Millionen Euro Stiftungskapital. Vieles davon ist in historischen Gebäuden und Grundstücken gebunden, ein Teil ist am Finanzmarkt angelegt. „Die Erträge aus diesem Barvermögen sind zurzeit aufgrund der Niedrigzinsphase sehr gering“, sagt die Kaufmännische Geschäftsführerin. „Aber wir denken langfristig: Wir wollen das Museum für die kommenden Generationen gut aufstellen. „Jeder Cent, der jetzt ins Stiftungskapital fließt, bleibt dort und wirft Geld für kommende Generationen ab. Es gibt uns finanzielle Sicherheit für neue innovative Ausstellungsprojekte und Bildungsarbeit“, beschreibt Carina Meyer die großen Vorteile.


Gemeinnützige haben Vorteile

Rein psychologisch haben gemeinnützige Organisationen bei solchen „Pay-what-you-want“-Modellen einen klaren Vorteil, denn die Schnäppchen-Jagd ist durch den gemeinnützigen Zweck deutlich schwächer. Beim Kauf eines Ferraris mit diesem Modell müsste das Autohaus dagegen mit schweren Verlusten und weniger Fairness rechnen. Da sind die ökonomischen Vorteile zu überzeugend.

Aber das Prinzip kann auch noch gestärkt werden, zum Beispiel dadurch, dass die freiwilligen Eintrittsgelder bei Personen abgegeben werden müssen. Das kennen viele Kirchen von Ihren Kollekten. Noch vorteilhafter ist es, wenn die Personen den Abend mitgestaltet haben. So konnte ein ehrenamtlich organisierter Kinderzirkus durch die Sammlung seiner Spende durch die Kinder selbst seine Einnahmen um 50 Prozent steigern. Der Gedanke der Fairness des Publikums gegenüber den jungen Akteuren und die damit einhergehende Spendenbereitschaft wurde so enorm gestärkt. Auch Spendenbeispiele helfen, den richtigen Preis besser einzuschätzen. Insgesamt führt das Prinzip also zu mehr Interesse und höheren Besucherzahlen bei einem etwas reduzierteren Spendenumfang pro Person.

(Bild: Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg)

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