FUNDRAISING-PRAXIS

Spendenbrief – Totgesagte leben länger

Eberhard Renn
Eberhard Renn

Wer bereits in den Abgesang über „Spenden-Mailings“ per Post eingestimmt hat, wird eines Besseren belehrt. Aktuelle Zahlen belegen: Bei etwa 20 Prozent der Spenden in Deutschland ist der personalisierte Spendenbrief der Stein des Anstoßes. Trotz der zunehmenden Digitalisierung in all unseren Lebensbereichen garantiert die Fundraising-Post damit den direkten Draht zum Spender immer noch ein gutes Spendenaufkommen. Wir sprachen mit Eberhard Renn, Geschäftsführer von direct.punkt, Gesellschaft für Dialogmarketing, und Träger des Fundraising-Preises 2013. Mit seiner über 20-jährigen Praxis im Bereich Spenden-Mailings gibt er Tipps für einen guten Spendenbrief.

NGO-Dialog: Herr Renn, warum ziehen viele Spender den Brief auf dem Postweg immer noch der Online-Ansprache vor?

Eberhard Renn: Ein personalisierter Brief ist etwas Höherwertiges. Er vermittelt dem Adressaten Wertschätzung und geht nicht in der modernen Flut der E-Mails unter. Ein echter Brief, den man anfassen kann, ist etwas Gelerntes, Vertrautes – gerade für ältere Menschen, die im besten Spendenalter sind. Zudem erleichtert der beiliegende Überweisungsschein das Spenden erheblich und ist außerdem ein nicht zu übersehender Hinweis auf Reaktion, die wir vom Empfänger erhoffen.


NGO-Dialog: Was muss idealtypisch bei einem Spendenmailing für eine gemeinnützige Organisation beachtet werden?

Eberhard Renn: Jede Organisation ist einzigartig, und diese Einzigartigkeit muss sich im Spendenmailing widerspiegeln. Wichtig ist, die eigene Zielgruppe und deren Bedürfnisse und Sprache zu kennen und möglichst nur ein Thema im Mailing-Paket zu fokussieren. Aus meiner jahrzehntelangen Praxis weiß ich, dass ein Mailing umso erfolgreicher ist, wenn es einen konkreten Spendenanlass bietet und die Konzeption bei allen Mailing-Bestandteilen durchgehalten wird. Dabei sollten Bild und Text eine Einheit bilden. Die Versandhülle fungiert als Teaser, der Brief ist der Schlüssel in der Kommunikation mit dem Spender.


NGO-Dialog: Was daran öffnet denn den Weg zum Spenderherz?

Eberhard Renn: Eine Nielsen-Umfrage aus dem Jahr 2012 hat ergeben, dass bei 84,5 Prozent der Befragten eine bedruckte, aufmerksamkeitsstarke Versandhülle ein gutes Entree bietet. Dann folgt der Brief, er spielt die Hauptrolle. Das Anschreiben sollte emotional berühren, betroffen machen, Mitgefühl erzeugen, ohne kitschig zu sein, und natürlich eine Spende auslösen. Zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken löst psychologisch beim Spender einen Gegeneffekt aus. Das erfordert ein feines Gespür vom Texter – was darf ich noch sagen, was ist schon zu viel – das sind einfach Erfahrungswerte. Spenderbefragungen ergeben immer wieder, dass Briefe mit persönlicher Ansprache gelesen werden.


NGO-Dialog: Heißt das im Umkehrschluss, dass der Rest des Packages wie beispielsweise Folder und Incentives, unnötig sind?

Eberhard Renn: Nein, natürlich nicht! Aber sie dienen als informativer Verstärker. Sie nehmen den roten Faden des Briefes auf und untermauern ihn. Beim Folder zählen gute Bilder, klare Informationen und natürlich die richtigen Argumente.


NGO-Dialog: Wie beraten Sie die Kunden Ihrer Agentur?

Eberhard Renn: Zunächst holen wir uns in einem ausführlichen Gespräch ein Briefing vom Kunden und lassen uns dazu auch alle vorliegenden Materialen geben, die wir genau sichten. Manchmal raten wir Kunden auch von einem Mailing beziehungsweise Thema ab oder schlagen selbst eines vor. Nach meinem Verständnis bringt es nichts, sich Dinge schönzureden; der Kunde hat ein Recht auf eine ehrliche und kritische Beratung und die bekommt er bei uns. Aus dem Briefing ergeben sich meist jede Menge Fragen, die wir mit dem Kunden gemeinsam klären.


NGO-Dialog: Der Servicegedanke heißt ja „one face to the customer“. Wie handhaben Sie das bei Spendenmailings?

Eberhard Renn: Natürlich gilt auch bei direct.punkt dieser Grundsatz. In der Regel arbeiten wir mit einem festen Ansprechpartner, der den Kunden vertrauensvoll betreut und der in die Themen der Organisation eingearbeitet ist. Kunde und Kontakter kennen sich persönlich. Im Hintergrund spielt aber ein ganzes Team zusammen. Da gibt es den Konzeptioner, der oft auch Texter sein kann und die Grafik. Eine externe Psychologin, Danielle Böhle von GOLDWIND, die das Mailing auf eine „gelungene emotionale Ansprache“ prüft – ein für mich zentraler Baustein auf dem Weg zu einem erfolgreichen Mailing. Und zum guten Schluss die Lektorin, die dem Ganzen noch den letzten Schliff verpasst.


NGO-Dialog: Bekanntlich steckt der Teufel ja im Detail. Nach der kreativen Idee folgen technische Prozesse und die Logistik hinter einem Mailing. Wie läuft das bei Ihnen ab?

Eberhard Renn: Ja, ein Mailing ist keine einfache Sache. Nach der Druckfreigabe wird unsere Produktionsabteilung aktiv. Die Druckdaten werden nochmals auf technische Richtigkeit überprüft und an Druckereien und Kuvertlieferanten weitergeleitet. Unser Rechenzentrum übernimmt und kontrolliert die vom Kunden oder Listbroker angelieferten Adressdaten. Dublettenabgleich, Portooptimierung et cetera folgen. Einige Tage später kommen die Drucksachen zur Verarbeitung zu direct.punkt in Hamburg beziehungsweise werden im Digitaldruck direkt bei uns produziert. Die Rollen mit den Endlosformularen werden eingerichtet, die Laserandrucke mit den inzwischen aufbereiteten und codierten Adressen werden gemacht. Der Kunde erhält die Andrucke zur Überprüfung und Freigabe. Sind diese freigegeben, folgen Laserpersonalisierung, Schneiden und Falzen der Endlosformulare, Kuvertieren und Postaufliefern. Es braucht also ein reibungsloses Ineinandergreifen aller Rädchen – speziell bei Großauflagen – und eine gut durchdachte Logistik, damit das Spendenmailing termingerecht im Briefkasten des Spenders landet.


NGO-Dialog: Was macht Ihrer Ansicht nach ein Spenden-Mailing erfolgreich?

Eberhard Renn: Eine gute Geschichte! Menschen lieben Geschichten, das hat mit unserer kulturgeschichtlichen Entwicklung zu tun, sie regen unser Gehirn an. Das war schon in den Tagen so, als wir alle noch ums Lagerfeuer saßen, und daran hat sich nicht viel geändert. Je mehr wir gute Geschichten in Spenden-Mailings erzählen, mit denen sich der Spender identifizieren kann, desto mehr springt unser limbisches System an. Um es mit den Worten von Prof. Craig Wortmann zu sagen, der auf vielen internationalen Fundraisingkongressen zum Thema „Storytelling“ spricht, besteht eine gute Geschichte aus vier Elementen: C – Charakter für Hauptdarsteller, A – Action für Dramaturgie, S – für Struktur und E – für Emotion. Wenn das Mailing nach der sogenannten CASE-Methode strukturiert und alle vier Elemente gut verbunden sind, dann berührt es.
Das Wichtigste bleibt jedoch immer die Nähe zum Spender. Spenden ist ein emotionaler Akt. Wenn das Herz des Spenders berührt wird, dann geht der Mensch in Aktion und Response beziehungsweise der Spendeneingang sind so, wie wir uns das alle immer wünschen. Und da der Akt des Spendens auch noch Glückshormone freisetzt, sind am Ende alle glücklich.

(Bild: direct. Gesellschaft für Direktmarketing mbH)

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