FUNDRAISING-PRAXIS

Emotionen sind stärker als tausend Argumente

Forschungsobjekt Spenderhirn

Im Auftrag der Werbe- und Verkaufspsychologie untersuchen Neurowissenschaftler die Wahrnehmung und Wirkung von Werbung auf den Kunden. Kameras folgen der Blickrichtung des Lesers beim Studium von Werbeprospekten, bildgebende Verfahren analysieren die Gehirnaktivität, Elektroden messen die Geschwindigkeit der Informationsübertragung von den Sinnesorganen zum Gehirn. Dabei hat die neurowissenschaftliche Forschung Erstaunliches zutage gebracht: Unser Gehirn verarbeitet sekündlich eine unvorstellbare Flut optischer, akustischer oder taktiler Reize, die meisten davon unbewusst. Mit unglaublichen 10.000.000 Bits pro Sekunde werden Informationen allein von den Augen zum Gehirn übertragen. Und das unter Ausschluss unseres Bewusstseins. Wen wundert es da, dass 95% unserer Entscheidungen unbewusst getroffen werden?

Wie erreicht man den Spender wirklich?

Längst haben zahlreiche praktische Tipps Einzug ins Fundraising gefunden. Ohne ein gezielt auf die Bedürfnisse und Interessen des Spenders zugeschnittenes Beziehungsmarketing, ein maßgeschneidertes Dialogmarketing findet heute kein Fundraising mehr statt. Doch wie erreicht man den Spender wirklich? Was beeinflusst seine Entscheidungsfindung?

Der Marketing-Experte und Coach für Unternehmensführung, Jürgen Wieser setzt auf „limbisches Marketing". Im Kernspintomografen untersuchte Wieser Werbespots für bekannte Marken und fand heraus, was den "Gehirnlangweiler" vom unterhaltsamen Werbespot unterscheidet. Sein Fazit: Wir müssen uns endgültig vom Bild der bewusst und rational handelnden Spender verabschieden. Emotionen sind der entscheidende Faktor im Fundraising. Insbesondere Gesichter aktivieren das Spenderhirn und sorgen für eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Nicht "Bilder", sondern "Gesichter" sagen mehr als tausend Worte, so müsste, seiner Meinung nach, die allgemeingültige Metapher umgeschrieben werden.

Was ist Limbisches Fundraising?

Moderne Erkenntnisse aus der Gehirnforschung untermauern die These, dass Entscheidungen dem bekannten Bauchgefühl untergeordnet sind. Kein vernünftiges Handeln ohne Beteiligung von Emotionen - so lautet die Devise. Das sogenannte „Limbische System“ im Gehirn verbindet Ereignisse, Erinnerungen und Eindrücke mit Emotionen und macht diese zum wichtigsten Kriterium für Entscheidungen. Auch wenn es sich - neurowissenschaftlich korrekt - um kein anatomisch oder funktional abgrenzbares System handelt, so gibt es Strukturen im menschlichen Gehirn, die für die Entstehung von Emotionen und die Entscheidungsfindung des Menschen eine große Rolle spielen.

Der Einsatz von Emotionen im Fundraising ist ein bekanntes und gewolltes Instrument, denn bei der Entscheidung zur Unterstützung einer Organisation hat das damit verbundene Gefühl immer das letzte Wort. Zu erkennen, welche Emotionen ausschlaggebend sind und diese gezielt einzusetzen, hat maßgeblich Auswirkungen auf die Ergebnisse von Fundraising-Aktivitäten.

Die emotionalen Treiber im Fundraising

Was sind die richtigen emotionalen "Treiber" der Spender und wie identifiziert man sie? Wie lassen sich diese nicht nur erfolgreich zur Spenderbindung nutzen, sondern auch, um effektiv Neuspender für die eigene Sache zu begeistern? So lauteten unsere Fragen an Herrn Wieser.

"Um diese Fragen zu beantworten, muss man unterscheiden, ob es sich um einen persönlichen Spenderkontakt handelt (Face to Face-Kommunikation) oder, ob die Spender-Zielgruppe z.B. mittels Mailing oder via Homepage erreicht werden soll. Im persönlichen Gespräch ist es besonders wichtig, die bedeutenden neuronalen Aspekte der Informationsverarbeitung zu kennen. Hierbei ist der Einsatz von Bildbotschaften, Metaphern und Geschichten zielführend. Anderseits gilt es, die Verhaltenspräferenz des Gesprächspartners zu berücksichtigen. Es macht einen großen Unterschied, ob es sich z.B. um einen Manager-Typen oder eher um einen sozial orientierten Unterstützer handelt. In diesem konkreten Fall weiß man aus der Gehirnforschung, dass einzelne Worte bei anderen Verhaltenspräferenzen auch unterschiedliche Aktivitäten auslösen, weil durch Worte assoziative Areale angeregt werden, die einen ständigen Abgleich mit der eigenen Erfahrungswelt durchführen."

Kein Mailing ohne "limbischen Check"

Stellen wir uns konkret eine Mailingaktion vor. Bevor dieses Mailing in den Druck geht, sollte man in jedem Fall einen „Limbischen Check“ durchführen. Das heißt, die Bild und Textbotschaften werden analysiert und ihr mögliches Aktivierungspotential überprüft. Fragen muss sich jeder Fundraiser, ob und in welcher Weise Menschen oder Tiere abgebildet werden sollen, wie die Textbotschaft „limbisch“ verpackt ist und ob die Texte eine heterogene Zielgruppe bewegen können.

Doch wie hilfreich ist es, negative Bilder und Botschaften zum Spendenaufruf einzusetzen? Mit dieser Frage wird Herr Wieser in seinen Seminaren oft konfrontiert. Seine Antwort: "Ja, aber...", denn sicherlich sind authentische Darstellungen und Erzählungen wichtig, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Aber ergänzend sollte immer eine Lösung des Problems präsentiert, und damit eine positive und optimistische Sicht auf die Dinge erzeugt werden.

Das sollten Sie bei Ihrem nächsten Mailing beachten

1. Zeigen Sie Gesichter: sie erzeugen Aufmerksamkeit beim Spender. Der richtige Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte, weil er Emotionen beim Spender weckt und damit unbewusste Entscheidungen beeinflusst.
2. Beschreiben Sie Situationen in Bildern: story telling lässt Bilder im Kopf des Spenders entstehen, die in Erinnerung bleiben. Das garantiert eine langfristige Beziehung zum Spender.
3. Wecken Sie positive Gefühle: authentische Bilder und Erzählungen erzeugen Aufmerksamkeit für Ihr Anliegen. Aber zeigen Sie niemals negative Bilder, ohne Lösungen zu präsentieren. Positive Gefühle sorgen für eine langfristige Spenderbindung.
4. Präsentieren Sie Lösungen: diese erzeugen positive Emotionen und eine optimistische Sicht auf Ihre Projekte. Mit dem Gefühl, wirklich etwas bewegen zu können, wächst die Spendenbereitschaft.

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