FUNDRAISING-PRAXIS

Digitalisierung – ohne uns!

Die Deutschen stehen der Digiatlisierung aufgeschlossen gegenüber sagt die aktuelle ipsos-Studie.
Die Deutschen stehen der Digiatlisierung aufgeschlossen gegenüber sagt die aktuelle ipsos-Studie.

Besonders jetzt im Wahlkampf ist Digitalisierung ein gern bemühtes Thema. Die Deutschen sehen das nach einer aktuellen Studie sehr positiv. Also alles startklar für Online-Fundraising? Wohl kaum.

von Kurt Manus


Für unsere Bundeskanzlerin war das Thema Digitalisierung bis vor Kurzem noch Neuland, was sie eher zu einer Skeptikerin macht. Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts ipsos gehört sie damit zu den neun Prozent der Deutschen, die sich als digitalen Anfänger betrachten. Frauen (12 %) bezeichnen sich übrigens signifikant häufiger als Männer (7 %) als solche. Insgesamt wird die Digitalisierung als etwas Positives gesehen. Mehr als jeder zweite Befragte (54 %) verbindet mit der Digitalisierung etwas Positives. Nur jeder Zehnte (11 %) sieht die zunehmende digitale Vernetzung aller Lebensbereiche negativ. Und ein knappes Drittel der Befragten (32 %) steht dem digitalen Wandel neutral gegenüber.

Junge weniger skeptisch

Die positive Einstellung zur Digitalisierung herrscht in allen Altersgruppen vor. Zwar stehen ältere Menschen zwischen 50 und 70 Jahren der Digitalisierung etwas skeptischer gegenüber als die junge Generation. Dennoch sieht auch in dieser Altersgruppe jeder Zweite die Entwicklung positiv, nur 16 Prozent negativ. Unter den 16- bis 29-Jährigen gibt es 57 Prozent positive Stimmungen, nur sieben Prozent sind der Digitalisierung gegenüber negativ eingestellt.

Diese Einschätzung korreliert mit dem Bildungsniveau, was unsere Bundeskanzlerin dann doch aus dem Rahmen fallen lässt. Denn je höher die Schulbildung, desto positiver zeigt sich die Einstellung zum Thema Digitalisierung. Während 40 Prozent derjenigen mit Hauptschul- oder ohne Abschluss gegenüber der Digitalisierung positiv eingestellt sind, trifft dies auf sechs von zehn Hochschulabsolventen zu.

 

Youtube und Facebook sind die beliebtesten sozialen Netzwerke der Deutschen.
Youtube und Facebook sind die beliebtesten sozialen Netzwerke der Deutschen.

Alles Online-Experten!

Fragt man die Deutschen nach ihrer Online-Kompetenz, gibt sich eine stattliche Mehrheit die höchsten Werte. 61 Prozent schätzen sich in ihrer Fähigkeit, sich in Internet zurechtzufinden, als Experten oder fast Experten ein.

Eine weitere Studie, der Social-Media-Atlas 2017 der Beratungsgesellschaft Faktenkontor und dem Marktforscher Toluna in Kooperation mit dem Institut für Management- und Wirtschaftsforschung, stellte gerade fest, dass die Social Media-Nutzung sich weiter verstärkt. Grund ist die immer stärkere mobile Nutzung des Internets. Auch schwören vor allem jüngere Nutzer auf das Web 2.0. Jedoch unter den „Silver Surfern“ über 60 Jahre sind auch schon über 50 Prozent im sozialen Netz unterwegs. Nur 24 Prozent sind Social-Media-Muffel und nicht vernetzt, die meisten davon in Schleswig-Holstein und Thüringen. Bayern und Saarländer teilen sich den Titel Social Media-Champion vor den anderen ostdeutschen Bundesländern.


Pro Digitaliserung? Wirklich?

Also alles bereit für die große Digitaloffensive im Fundraising? Schaut man in den Alltag der meisten Deutschen sieht das ganz anders aus. Die Obdachlosenzeitung wird genauso wie die Wurstsemmel für zwischendurch brav mit Bargeld statt mit dem Handy bezahlt. Asiaten und Nordeuropäer wundern sich dagegen, wieso sie nirgendwo mit NFC bezahlen können. Das heißt near frequency communication, und jedes moderne Smartphone ist mittlerweile damit ausgerüstet. Bei vielen ist es sogar standardmäßig auf „on“ gestellt. Die Esten lachen über unseren deutschen digitalen Ausweis. Sie selbst wählen schon seit 2007 ihr Parlament online oder mit SMS per ID-Card. 24,3 Prozent aller gültigen Stimmen wurden zuletzt 2011 über diesen Kanal abgegeben. Und die Südafrikaner wundern sich, wieso das Thema SMS-Spenden in Deutschland so schleppend läuft, während es bei ihnen boomt.

Für all diese Entwicklungen gibt es Gründe. Estland ist viel kleiner und im Altersschnitt jünger als Deutschland, die Asiaten viel technikaffiner, die Nordländer vertrauen ihrem Staat mehr, und viele Südafrikaner kämen aus Sicherheitsgründen nicht mal auf die Idee Bargeld einzustecken. Deutschland ist da etwas behäbiger. Entscheidungen im Bereich der Digitalisierung kosten viel Geld für Infrastruktur und politisches Gewicht für die Durchsetzung.

Wenn es um die Nutzung digitaler Angebote geht sind die Deutschen noch skeptisch, zeigt eine Umfrage zum digitalen Ticket der deutschen Bahn.
Wenn es um die Nutzung digitaler Angebote geht sind die Deutschen noch skeptisch, zeigt eine Umfrage zum digitalen Ticket der deutschen Bahn.

Deutsche fremdeln bei der Nutzung

Wie stark wir Deutschen aber mit der Digitalisierung fremdeln, zeigte ein aktueller Testballon der deutschen Bahn. Für alle, die es noch nicht wissen: Das Bahnticket kann mittlerweile selbst kurz vor Fahrtantritt noch per App gekauft und dann dem Schaffner als QR-Code vorgezeigt werden. Papier, Schalter, Hotline – Adé! Die Bahn testet nun gerade eine App, mit der ein Regionalzug nur noch betreten werden muss und über das W-LAN der Bahn die Fahrkarte im Handy erstellt und der Betrag abgebucht wird. Eine Umfrage von Statista und Yougov zeigte exemplarisch, wie digitalfreundlich die Deutschen wirklich sind.

Nur 36 Prozent der Bundesbürger könnten sich vorstellen, das digitale Ticketing zu nutzen. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der ab 18-Jährigen hatte kein Interesse daran. Uneinigkeit herrscht darüber, ob das Handy-Ticket Bahn fahren einfacher oder komplizierter machen würde. Das Problem der Deutschen ist dabei eindeutig der Datenschutz. Denn Digitalisierung bedeutet im Fall der App auch automatisch, der App das Handeln zu überlassen. Das ist bequem, braucht aber auch Vertrauen in die Prozesse. 71 Prozent der Deutschen, also fast drei Viertel befürchteten, dass durch die Nutzung ihre privaten Daten gefährdet wären. Und das bei einem immer noch staatlichen Unternehmen. Dieses Sicherheitsbedürfnis und der Datenschutz sollten deshalb ein zentrales Thema für alle Fragen rund um die Online-Kommunikation und gerade für das Online-Fundraising sein. Wer weiß, vielleicht ersetzt ja dann der NFC-Chip am Opferstock oder an der Spendendose bald doch das Bargeld? Sicherer vor Diebstahl und Einbruch wäre das Verfahren definitiv.

 

Jetzt noch anmelden zu den neuen Terminen für die Fortbildung „Referent/-in Online-Fundraising“.
04. – 06. September 2017 in Siegburg
13. – 15. November 2017 in Arnoldshain
17. – 19. Januar 2018 in Siegburg

(Bilder: Ipsos, YouGov statista, IMWF – Institut für Management- und Wirtschaftsforschung)

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