FUNDRAISING-PRAXIS

WhatsApp - Online-Mobilisierung von morgen?

Mit einer Nachricht zur Demo
Mit einer Nachricht zur Demo

Die kommende Form der direkten Kommunikation sehen viele Experten in WhatsApp. Der Messenger schickt sich an, die SMS vergessen zu machen. Nikolai Miron vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) berichtet in einem Blog von ersten Ergebnissen beim Einsatz in einer Kampagne, die wir hier nachdrucken dürfen.

Von Nikolai Miron

Über 30 Millionen Nutzer hat der Instant Messenger WhatsApp inzwischen in Deutschland. Angesichts dieser Zahl ist klar, dass WhatsApp auch für NGO-Kampagnen ein spannender potenzieller Kommunikationskanal ist. Die E-Mail ist zwar nach wie vor das wichtigste Online-Kommunikationsmedium für NGO-Kampagnen - ihre Bedeutung allerdings schwindet: 36 Prozent der Menschen in Deutschland e-mailen im privaten Kontext nur noch einmal pro Woche. Die Kommunikation verlagert sich auf andere Kanäle wie den Facebook-Chat oder eben WhatsApp.

Fünf Gründe warum WhatsApp für NGO-Campaigning interessant ist

  1. Einfachheit: Alles, was man braucht, ist ein einfaches Smartphone und eine Sim-Karte.
  2. Unmittelbarkeit: Verschickte Nachrichten kommen nur Sekunden später beim Empfänger an.
  3. Sichtbarkeit: Nachrichten können auf dem Smartphone aufgrund der Push-Meldungen schwer übersehen werden und gehen deshalb nicht so leicht unter wie ein Newsletter im Posteingang oder ein Facebook-Post im Newsfeed.
  4. Geotagging: Die Möglichkeit mit dem Messenger einen Geo-Standort zu übermitteln, eignet sich für Aktionen auf der Straße, um Unterstützer vor Ort besser organisieren zu können.
  5. Handling: Über die „Broadcast“-Funktion lassen sich Nachrichten an bis zu 250 Kontakte gleichzeitig verschicken, ohne dass die Kontakte, die sich in diesem Broadcast befinden, sich gegenseitig sehen oder sich untereinander Nachrichten schicken können. Der „Broadcast“ funktioniert quasi wie die Bcc-Funktion der E-Mail.

Campaigning mit WhatsApp - Online-Mobilisierung von morgen?

Wie Online-Campaigning via WhatsApp funktionieren kann, habe ich mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zur „Wir haben es satt“-Demonstration im Januar 2015 in einem Pilottest ausprobiert. Es ist der meines Wissens erste Versuch im Nonprofit-Sektor im deutschsprachigen Raum und damit wirklich #Neuland, denn bisher gibt es allein kleinere kommerzielle Experimente.

Kommunikation über WhatsApp: Einladung zu „Wir haben es satt“-Demo und Aufruf gegen TTIP

Was ich herausfinden wollte

Akzeptanz: Wie wird WhatsApp als Kommunikationskanal angenommen?

Bis zur Demo haben einige hundert Unterstützerinnen und Unterstützer den Infodienst abonniert. Wir haben versucht, vor der Demo den Mehrwert dieses neuen Infokanals zu kommunizieren und das Angebot wurde neugierig-interessiert angenommen.
Nach einer Willkommens-Nachricht, mit der wir jeden neuen Kontakt begrüßten, verschickten wir zunächst wöchentlich eine Nachricht, kurz vor der Demo erhöhten wir auf einen dreitägigen Schickungstakt. Deutlich über 80 Prozent davon lasen die verschickten Nachrichten. Das Feedback war durchweg positiv und bestätigend. Negatives Feedback oder Spam-Vorwürfe gab es fast keine. Der WhatsApp-Messenger wird als neuer Infokanal angenommen.

Online-Mobilisierung: Eignet sich der Kanal zur Mobilisierung, z.B. für einen Call for Action zu einer Petition?

Am Tag nach der „Wir haben es satt“-Demo starteten wir eine thematisch passende Online-Petition als Follow-Up und bewarben diese auch über WhatsApp. Auf den Call to Action zu unserer Online-Petition nach dem Demo reagierten knapp 55 Prozent unserer WhatsApp-Kontakte - für mich ein überdurchschnittlich guter Wert. Bei anderen WhatsApp-Nachrichten, die einen weiterführenden Link auf unsere Webseite enthielten, erreichten wir eine ebenfalls durchschnittliche Klickrate von über 45 Prozent gemessen an der Gesamtzahl der Empfänger.

Offline-Mobilisierung: Ist es möglich, während einer Großdemo Menschen zu einer gemeinsamen Aktion zu animieren?

Vor der Demo haben wir uns als besondere Aktion für die Abonnenten des WhatsApp-Infodienstes eine Fotoaktion vor dem Bundeskanzleramt am Rande der Demo ausgedacht, mit der wir testen wollten ob sich die WhatsApp-Gruppe zu einer kurzfristigen Aktion während der Großdemo aktivieren lässt. Wir haben dafür bereits Tage vor der Demo eine „Überraschungsaktion“ angekündigt und die WhatsApper gebeten, auch während der Demo immer mal wieder aufs Handys zu schauen.

Für den WhatsApp-Pilottest ließ sich die Fotoaktion am Ende allerdings nicht auswerten, weil sehr viele Leute zufällig bei der Aktion dabei waren, und sich in dem chaotischen Getümmel nicht herausfinden ließ, wer wegen der WhatsApp-Nachricht gekommen war.


Fazit

Ist WhatsApp also das nächste große Ding für NGO-Campaigner? Der Pilottest zeigte sowohl das Potenzial als auch die Grenzen des Messengers für Online- und Offline-Kampagnen.

Potenzial:

  • WhatsApp wird als Informationskanal angenommen. Die Zahl der User des Infodienstes hat mich positiv überrascht, wenn man gleichzeitig bedenkt, dass diese spezielle Verwendung von WhatsApp noch unbekannt ist und deshalb von einer gewissen Zurückhaltung beim User ausgegangen werden kann.
  • Überdurchschnittlich hohe Lese- und Klickraten bei den verschickten Nachrichten.
  • WhatsApp ist ein direkterer und persönlicherer Kanal zu den Unterstützerinnen und Unterstützern und ermöglicht damit auch eine andere, direktere Ansprache.

Schwachstellen:

  • Schlechtes User-Management: Die App ist ausschließlich für Smartphones konzipiert, sodass auch das Management der Kontakte und das Campaigning nur über das Mobiltelefon funktionieren. Jeder neu gewonnene Telefon-Kontakt muss händisch angelegt und den entsprechenden „Broadcast“-Gruppen hinzugefügt werden. Auf die Verwaltung von tausenden oder gar zehntausenden Kontakten ist die App also nicht ausgelegt.
  • Datenschutz: Auch wenn der Messenger zwar in Sachen Datenverschlüsselung nachgebessert hat, ist der Datenschutz bei WhatsApp leider nach wie vor schlecht.

Ein standardmäßiger Einsatz für größere Aktionen oder Kampagnen ist daher zumindest im Moment unwahrscheinlich.


WhatsApp im Auge behalten

Die weitere Entwicklung der App sollte auf alle Fälle aufmerksam beobachtet werden. Denn mit den ungebremst wachsenden Nutzerzahlen des Messengers steigt gerade auch im kommerziellen Sektor das Interesse an Marketing-Möglichkeiten mit WhatsApp. In welche Richtung es gehen könnte, wird zum Beispiel ganz aktuell hier skizziert. Spannend wird auf jeden Fall, wie Facebook die App weiterentwickeln wird, zum Beisepiel ob die bisher getrennt nebeneinander existierenden Kanäle Facebook und WhatsApp zukünftig miteinander verknüpft werden. Ich vermute, dass sich hier in den nächsten Jahren einige weitreichende Neuerungen geben wird, die das NGO-Campaigning beeinflussen wird.

Nikolai Miron ist Online-Campaigner beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), mit über 500.000 Unterstützern und Mitgliedern einer der größten deutschen Umwelt-Verbände. Zuvor arbeitete er im Deutschen Bundestag und als PR-Berater für einen Think Tank.
Ein Interview mit ihm ist auch im aktuellen Fundraiser-Magazin 03-2015 zum Kommunikationsverhalten und der Mediennutzung von „Digital Natives“ nachzulesen.


(Bilder: BUND, )

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