FUNDRAISING-PRAXIS

Anonym und doch vertraut

Beispiel für einen Dank für eine anonyme Spende
Beispiel für einen Dank für eine anonyme Spende

Der Traum einer jeden Spendenorganisation: Plötzlich liegt unverhofft Geld vor der Tür. Eine anonyme Spende, in nicht unbeträchtlicher Höhe. Toll! Doch dann fangen einige Probleme an. Zum Beispiel wie man dankt.

Reinhard Greulich, Fundraiser bei einer großen kirchlichen Stiftung wagte seinen Augen kaum zu trauen, als er vor kurzem einen Brief mit aufgeklebten Zeitungsbuchstaben öffnete. Nein, keine Lösegeldforderung, die der Fundraiser im Briefkasten vorfand, sondern eine anonyme Spende von über 10.000 Euro. In Deutschland nicht ungewöhnlich. Immer wieder machen anonyme Spender von sich reden. Etwa in Braunschweig vor drei Jahren, als ein Spender auf Artikel in der Tagespresse hin an die verschiedensten kulturellen und sozialen Einrichtungen Beträge bis zu 10.000 Euro anonym verteilte. 180.000 Euro waren es am Ende. Doch ist dieses Geld sauber gewesen? „Wir sehen keinen Ansatz für eine kriminelle Handlung, also haben wir keinen Grund zu ermitteln“, sagte der Braunschweiger Polizeisprecher Wolfgang Klages damals der WELT. Denn anonyme Spenden sind erlaubt. Nur politischen Parteien dürfen nach dem Parteiengesetz keine anonymen Spenden über 500 Euro annehmen.

Für Organisationen bedeuten diese Spenden trotzdem Stress. „Spenden in der Größenordnung kommen sonst gelegentlich ja auch an, nur eben dann in der Regel als Folge eines intensiven Kontaktes mit dem Fundraiser“, sagt Greulich. Dann ist auch die Person bekannt, der Spenderwille klar und die Organisation weiß, wofür das Geld einzusetzen ist und wem zu danken ist. Eine Entscheidung ohne Spenderwille ist dagegen schwierig. Theoretisch könnte das Geld auch die Fundraiser-Stelle finanzieren helfen. Doch ob das wirklich gewollt ist? Greulich akzeptiert aber die Spendenentscheidung: „Ich werde da gar nicht weiter nachforschen und die gewählte Anonymität respektieren.“ Den Dank an den anonymen Gönner geht er pragmatisch an. „Wir bedanken uns gerade öffentlich, ohne Nennung des Betrages, auf unserer Website und werden das auch noch in einer Publikation der Organisation tun.“ Andere Organisationen gehen sogar noch weiter und schalten in der Regionalpresse eine Dankes-Anzeige. Auch Martin Dodenhoeft vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge kann sich noch an eine anonyme 300.000 DM-Spende erinnern. „Als wir damals diese Spende bekamen, brachten wir einen Dank an den großzügigen Spender in unserer Mitgliederzeitschrift. Kurz darauf gingen weitere 30.000 Mark ein. Da konnten wir uns wenigstens zusammenreimen, dass es wohl ein Mitglied war. Manch einer möchte nicht bekannt und genannt, nicht ‚hofiert‘ und ‚überdankt‘ werden. Da müssen wir Fundraiser sehr sensibel sein.“

Eine echte Institution ist auch der anonyme Gönner, der jährlich zweckgebunden eine halbe Million Euro für die Görlitzer Altstadt spendet. Seit einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks im Jahr 1995 geht das so. Mit der ersten Million DM sanierte die ostsächsische Stadt ihren Brunnen auf dem Postplatz. Das Geld wird von der privaten Altstadtstiftung verwaltet. Ein Kuratorium entscheidet darüber, welche Bauten mit dem Geld saniert werden. Auch der Anwalt des Spenders ist dort Mitglied und bestimmt so über die Verwendung der Spende anonym mit. Mit der Zusicherung des Bürgermeisters, dass sein Name nicht bekannt wird, zahlt der Förderer jedes Jahr die „Altstadtmillion“. Zahlreiche Görlitzer Bürgerhäuser wurden seitdem wieder hergerichtet und trotz Bürgermeisterwechsel blieb der Name des Spenders ein Geheimnis. Dieser Wunsch nach Anonymität ist aus Sicht von Großspendern nichts ungewöhnliches. Häufigster Grund ist wohl, dass Spender gerade bei sehr hohen Summen danach mit sehr vielen Spendenwünschen konfrontiert werden. Die Anonymität bietet da einen Schutz. Apple Chef Tim Cook hat es jetzt anders gemacht. Nachdem er laut dem Wirtschaftsmagazin „Fortune“ jahrelang im Stillen spendete, geht er jetzt aufs Ganze und will ähnlich wie bei Giving Pledge sein gesamtes Vermögen von geschätzt 710 Millionen Euro spenden, um sein Geld systematischer und sinnstiftender zu verteilen.

Sollten also Vereine und Stiftungen das anonyme Spenden erleichtern? Das ist praktisch eigentlich unmöglich, denn auf allen Überweisungswegen außer bei der Barspende werden Daten des Absenders mitgeliefert und eine „Barspendeklappe“ würde wohl zu einem großen Hallo in der Presse und kriminellen Begehrlichkeiten führen, wie leider immer wieder an aufgebrochenen Kollekteboxen in Kirchen festzustellen ist. Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Fundraisern und den Spendern kann hier eher zum Erfolg führen, wenn die Anonymität von Seiten des Spenders gewünscht und gewahrt wird. So erhielt das Berner Kunstmuseum nachdem bekannt wurde, dass es das Gurlitt-Erbe antritt, eine anonyme Spende von mindestens einer Million Franken für eine eigene Forschungsstelle zur Aufarbeitung des Gurlitt-Erbes. Die Spenderin sei eine Freundin des Hauses, die das Museum schon bei anderen Gelegenheiten unterstützt habe, sagte Christoph Schäublin, Stiftungsratspräsident des Kunstmuseums Bern im Interview mit dem Schweizer Tages Anzeiger. Eindeutig eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung.

(Bild: Kita St. Michael)

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