FUNDRAISING-PRAXIS

Milliarden, Emotionen und falsches Marketing

Aufmerksames Interesse beim Fundraisingkongress
Aufmerksames Interesse beim Fundraisingkongress

Letzte Woche ging der 21. Deutsche Fundraisingkongress zu Ende. Wir werfen einen Blick auf einige Inhalte der Veranstaltung: Mobile-Fundraising, Institutional Readiness, Bilder im Fundraising und Klinikmarketing.

Durch die SEPA-Debatte hat der Deutsche Fundraisingverband auch Kontakte zu eBay und PayPal gewonnen. Beide Unternehmen waren als Sponsor vor Ort und boten auch ein Seminar an: Dana Arp von eBay und Angelina Rigby von PayPal berichteten über ihre Aktivitäten. So erbrachte die eBay-Versteigerung eines Solariums von Dieter Bohlen 17.000 Euro für den guten Zweck. Ein Haarteil von Kate Moss war einem Bieter immerhin stolze 800 Euro wert. PayPal setzt mit einem „blitzschnellen“ Tool für eine Sofort-Spende auf die sogenannten „Impulsivspender“. Weltweit wurden bereits 5 Milliarden Dollar über PayPal gespendet. Im mobilen Bereich wächst PayPal momentan um sage und schreibe 232 Prozent. Zweifelsohne ist mobiles Spenden ein Trend, der allerdings mit dem deutschen Sicherheitsbedürfnis in Einklang gebracht werden muss.

Julian Rossig, Bereichsleiter Kommunikation/Fundraising der Johanniter-Unfall-Hilfe Sachsen widmete seinen Workshop dem Thema: „Botschaften visualisieren, Emotionen wecken, Handlungen auslösen“. Die Tatsache, dass Bilder nicht nur Informationen transportieren, sondern auch Emotionen vermitteln und beim Betrachter wecken können, steht außer Frage. Das Problem ist: Was macht ein gutes Bild aus? Wie funktioniert ein Foto, das im Fundraising Erfolg haben soll? Hier gab Julian Rossig grundlegende Orientierungshilfen. Auffällig war, dass den Workshop vor allem Vertreter von Organisationen besuchten, die in erster Linie für bzw. mit Menschen zusammenarbeiten. Fotos von Menschen vermitteln wohl in den häufigsten Fällen irgendeine Form von Emotionen, nur sollte dieser Prozess eben gesteuert und somit erfolgreich erfolgen. Die Sache mit den großen Kulleraugen kleiner Kinder funktioniert immer, erscheint aber kaum einer Organisation mehr als zeitgemäß. Nicht wenige der Teilnehmer äußerten nicht zuletzt ethische Bedenken. Aber nicht jede Organisation kann auf Menschen als Emotionsträger zurückgreifen, wie beispielsweise Eva Masthoff, Leiterin Marketing der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, betonte: „Vereinfacht könnte ich formulieren: Bei uns geht es um einzigartige Baudenkmale, also letztendlich Steine. Und hierfür ist es natürlich ungleich schwerer, emotionale Bilder zu finden.“

Einer von vielen als Höhepunkt charakterisierter Input war das Seminar von Tony Myers Senior Fundraising Counsellor aus Calgary/Kanada „How to get leaders to follow“. Wenn ein Fundraiser von Übersee ein Seminar gibt, dauert es nicht lange, bis die Motivation im Raum fast greifbar scheint. Bei Myers riss bereits seine Begrüßung die Teilnehmer mit: „Ich LOVE Fundraising! I LOVE asking people for money! It’s a joyful work!”, gab er den Kurs vor. In seinem Seminar erzählte er von einer Organisation in Calgary, die plante, ein neues Gebäude zur Unterbringung von Eltern zu bauen, deren Kinder einen längerfristigen Krankenhausaufenthalt haben. Elternnähe wirkt heilsam und sollte so unterstützt werden. Das Problem waren weniger die benötigten 7 – 10 Millionen Dollar, sondern vielmehr die Art und Weise, in der die Organisation aufgestellt war. Da war einfach Sand im Getriebe. Tony Myers griff ein und führte die (Großspenden-)Kampagne zum Erfolg. Im Verlauf seiner Arbeit bemerkten seine Mitstreiter und er, dass es die „Chefetage“ war, die in gewisser Hinsicht kontinuierlich den Sand ins Getriebe streute. Das ging so nicht weiter, denn für Myers steht ein Credo fest: „Lead, follow, or get out of the way!“ Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Führungsspitze in jedem Falle führt, und das vielleicht sogar noch korrekt und erfolgreich: „It’s not enough to do things right. You’ve got to do the right things!“ Was also ist zu tun, wenn der Vorstand der Fundraising-Abteilung nicht in nötigem Maß den Rücken stärkt? Tony Myers weiß es: „Leaders will follow, when we lead them!“ Tun Sie Ihren Job! Mit Selbstbewusstsein! Und: Sollte es irgendetwas zu bedeuten haben, dass das Seminar gefühlt zu 95 Prozent von Frauen besucht wurde? Egal, die Chefs werden sich dort bald einem neuen Wind stellen müssen.

Wenn ein Referent meint, er hätte Angst, deplatziert zu sein, ist das entweder Fishing for Kompliments oder zeugt von gehörigem Respekt vor den Anwesenden. Dabei hat das Holger Steudemann, Lehrbeauftragter für Marketingkommunikation von Kliniken und Geschäftsführer der Agentur WOK GmbH, eigentlich nicht nötig. Sein Thema: Klinikmarketing. Sehr eindringlich führte er den Anwesenden vor, wie Klinikmarketing online heute aussieht: Bilder von Gebäuden, Gebäudeplänen, Räumen, kruden Abkürzungen, Zahlenkolonnen oder Menschen mit Mundschutz bedienen das Klischee von Krankenhäusern – Krankheit. Dabei ist das Produkt einer Klinik etwas ganz anderes: Gesundheit. Um das drastisch sichtbar zu machen, stellte er die Kommunikation der Automarke AUDI auf die momentanen Aussagen des Klinikmarketings vieler Krankenhäuser um. Danach verkauft Audi keine Autos oder hat Vorsprung durch Technik sondern ist besonders stolz auf seine kilometerlangen Fertigungsstraßen, seine A und B-Säulen und innovative Gelenkwellentechnik und natürlich alles unter dem Bild des tollen Werksgeländes. Auto? Keine Spur.

Am Beispiel des Klinikbetreibers Vivantis machte er deutlich, wie es aussehen kann. Nah am Leben der Patienten, die sich gerade beim schwierigen Thema Krankenhaus sehr intensiv vorab im Netz informieren. So hat er für Vivantis medizinische Themenwelten zum Beispiel für Geburt und Herzerkrankungen entwickelt, die neben Informationen zur Klinik ganz alltagstauglich Tipps geben und Hintergrundinformationen ohne Fachchinesisch darstellen. Da ist der Kunde im Mittelpunkt. Dieses Thema gab auch für andere Fundraising-Websites viele Anstöße.

 


(Foto: DFK_2014@cs-photodesign.com)

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