INTERVIEW

Markenführung bei NGOs: „Mehr als nur ein Logo“

Heinz-Hermann Herbers

Heinz-Hermann Herbers ist Geschäftsbereichsleiter Vertrieb Brief Öffentlicher Sektor bei der Deutschen Post AG und beschäftigt sich in dieser Funktion mit der Kommunikation von NGOs, Parteien, Stadtwerken und Kommunen. Nach seiner Erfahrung nimmt das Dialogmarketing im Öffentlichen Sektor kontinuierlich zu. In der Kommunikation von NGOs geht es allerdings meist nur um Spende, die Kraft der eigenen Marke wird selten erkannt.

NGO-Dialog: Herr Herbers, wo steht derzeit Ihrer Einschätzung nach das Dialogmarketing im Non-Profit-Bereich in Deutschland? Wie verhalten sich die Organisationen aus Ihrer Sicht? Wo liegt der wesentliche Unterschied im Vergleich zum kommerziellen Sektor?

Ich glaube, dass das Dialogmarketing derzeit immer noch erfolgreich ist in der persönlichen Ansprache der Spender per Brief, verbunden mit dem Ziel, Interessenten für Projekte zu gewinnen oder Spendengelder zu generieren. Wenn man das so betrachtet und mal von Katastrophen-Spenden absieht, stagniert das Einwerben von Spenden in den letzten Jahren. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Im Spendenmarkt entsteht immer mehr Verdrängungswettbewerb durch auf den Markt drängende professionelle Ableger erfolgreicher ausländischer Spendenorganisationen und durch das Entstehen von vielen regionalen Organisationen, die vor Ort um ihre regionalen Projekte werben. Diese Organisationen verstehen es, den Zeitgeist aufzunehmen – nämlich, dass sich Menschen um Projekte in ihrer Nähe kümmern. Diese Nähe zu Spendern, die sie erfolgreich machen, haben sie natürlich durch ihre Regionalität.

Gleichzeitig gibt es eine deutliche Entwicklung in Richtung online. Ich glaube aber, dass es sich in diesem Bereich überwiegend um Aktions-Spender handelt, die beim Emergency-Fundraising einmal spenden. Meine Wahrnehmung ist, dass der Markt zurzeit geprägt ist von Tests, um Offline- und Onlineaktivitäten aufeinander abzustimmen. Insbesondere beim Online-Fundraising zeigt sich, dass für die Organisation gespendet wird, die den höchsten Vertrauensvorschuss, die größte Wertschätzung bei den Spendern hat. Deswegen ist es gerade für große NGOs wichtig, durch konsequente Markenpolitik, die Identifikation der Spender mit der eigenen Organisation zu steigern. Denn die Marke macht die Organisation unverwechselbar, die Marke löst Emotionen aus und bietet dem Spender Sicherheit und Orientierung. Dies ist insbesondere im Online-Fundraising wichtig, denn die Spender haben in der Regel keine Möglichkeit zu überprüfen, ob das Hilfsprojekt, für das gespendet werden soll, tatsächlich existiert.

NGO-Dialog: Von Spendenbriefen zu Markenführung: Warum sollen ausgerechnet die gemeinnützigen Organisationen sich trauen, über den eigenen "Spendenbrief-Tellerrand" zu schauen? Welche Vorteile bringt dies für sie?

Ich glaube, – und das gilt genauso für Spendenorganisationen wie für Unternehmen – dass es sehr wichtig ist, die eigene Marke aufzubauen und durch einen durchgängigen, starken, unverwechselbaren Marktauftritt nachhaltig zu sichern. Viele deutsche Spendenorganisationen machen hier eine sehr hoch professionelle Arbeit. Die Marke spiegelt die Werte, die Haltungen, die persönlichen Präferenzen und die Lebensstile wieder.Sie erleichtert die Identifikation der Spender mit der Organisation und sorgt für eine klare Differenzierung im Spendenmarkt. Spender bleiben ihren Marken treu – solange das Markenversprechen eingelöst wird.

Wenn NGOs in der Spendenwerbung in den nächsten Jahren erfolgreich sein möchten, müssen sie sich sehr intensiv mit ihrem eigenen Markenkern auseinander setzen. Damit meine ich, mit ihrer eigenen Organisation auseinander setzen und den Bereich herausarbeiten, der sie als Spendenorganisation wirklich ausmacht und einzigartig macht. Fundraiser werden zukünftig ohne vorherige Definition und Gestaltung der Marke an Effektivität – vor allem online – verlieren.

NGO-Dialog: Ein Stück Selbstreflexion ...

Ja, sich wirklich um die Marke zu kümmern, nicht nur denken, ich muss mein Logo ändern. Ein Logo, das mehr als selbstähnlich verändert wird, beschädigt die Marke. Es geht darum, den Spendern die eigenen Stärken Tag für Tag erlebbar zu machen. Das eigene Markenverständnis gilt es den potentiellen Spendern, aber auch den eigenen Mitarbeitern zu vermitteln.

NGO-Dialog: Was können Sie einer NGO empfehlen, die ihre eigene Marke aufbauen will?

Ein ganz wichtiger Bereich für den Aufbau einer Marke ist die Tatsache, dass die Marke nicht nur nach außen wirkt, sondern auch nach innen. Die Mitarbeiter markenbewußt zu machen, ist die Aufgabe des "Internal Branding". Bei den Mitarbeitern muss ein Bewusstsein in Form von Zuneigung, Interesse und Begeisterung für die Marke der Organisation geschaffen werden, dass mindestens auf dem gleichen Niveau liegt, wie das der Spender. Gerade bei den Organisationen mit vielen Mitarbeitern, wie Dienstleistungsunternehmen oder Spendenorganisationen, wird dadurch sichergestellt, dass die Mitarbeiter nach außen auf gleicher Ebene kommunizieren wie die offizielle Marktkommunikation der Organisation, so dass Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt eine einwandfreie Verständigungsbasis haben. 

Das Ziel muss sein, bei allen Führungskräften und Mitarbeitern insgesamt ein Wissen über die Werte, die die eigene Spendenorganisation verkörpert und für die sie einsteht, zu schaffen und zu erweitern, um hierdurch Vertrauen in die Organisation, ihre Hilfsprojekte und Handlungen glaubhaft zu machen. Letztendlich müssen die Mitarbeiter zu Botschaftern für die Marke gemacht werden. Gerade bei Spendenorganisationen, die viele haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeiter haben, und im Fundraising-Bereich im direkten Dialog mit ihren Spendern stehen, ist dies ein wichtiger Erfolgsfaktor.

NGO-Dialog: Herr Herbers, herzlichen Dank für das Gespräch!

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