INTERVIEW

„Mich interessieren Menschen, die geben.“

Monika Willich
Monika Willich

Monika Willich gehört zu den erfahrensten Nachlass-Fundraiserinnen Deutschlands. Nach ihrer Zeit bei den Maltesern arbeitet Sie jetzt für die UNO-Flüchtlingshilfe und ist schon seit Jahren Referentin an der Fundraising Akademie. Wir sprachen mit ihr über Veränderungen, notwendige Kompetenzen und Erfolg im Erbschaftsmarketing.

NGO-Dialog: Wie kamen Sie eigentlich zum Thema Erbschaftsmarketing?

Monika Willich: Mir war eigentlich schon während meiner Ausbildung zum Fundraising-Manager an der Fundraising Akademie klar: Mich interessieren die Menschen, die geben und nicht ausschließlich die Gabe. Wenn ich die Menschen kennenlernen und mit ihnen im Kontakt sein möchte, dann ist das Großspenden und Erbschaftsmarketing der richtige Platz für mich. Deshalb habe ich gezielt nach einer solchen Stelle gesucht und noch innerhalb meiner Ausbildung gefunden.


NGO-Dialog: Das war 2005 bei den Maltesern. Hat sich denn seitdem im Bereich Erbschaftsfundraising etwas geändert?

Monika Willich: Ja, sehr stark! Ich beobachte, dass seit mehreren Jahren selbst kleine Organisationen in das Erbschafts-Fundraising starten. Das wundert mich auch nicht, denn es ist eines der wenigen Gebiete, das im Fundraising wächst. Aber obwohl der Wettbewerb in diesem Markt gestiegen ist, merke ich, dass noch sehr unterschiedlich an das Thema herangegangen wird.


NGO-Dialog: In Deutschland rollt die Erbschaftswelle, hört man. Ist dem wirklich so? Wissen die Leute eigentlich auch, dass sie gemeinnützig vererben können?

Monika Willich: Ja und nein. Als ich angefangen habe, gab es kaum Stimmen, die dieses Thema öffentlich gemacht haben. Mittlerweile gibt es da eine andere Dynamik, beispielsweise durch einige Initiativen und Zusammenschlüsse, aber auch durch die Presse. Beispielsweise hat die Stiftung Warentest in ihrem Special zum Thema Vererben ausdrücklich auf die Möglichkeit, gemeinnützigen Vereinen etwas zu vererben, hingewiesen. Es hat sich also etwas verändert, aber wir sind noch weit von unseren Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien entfernt.


NGO-Dialog: Die Erfahrung zeigt immer wieder, dass Organisationen von Erbschaften überrascht werden. Warum ist das so?

Monika Willich: Ich habe mich das auch gefragt und einige Kolleginnen und Kollegen befragt. Quer durch die Branche kommen rund 50 Prozent der Erbschaften von Personen, bei denen man nicht nachvollziehen kann, ob es schon einmal einen Kontakt gab. Das heißt aber nur, die Person ist nicht in der Spenderdatenbank. Viele Organisationen sind ja so organisiert, dass sie aufgrund ihrer Untergliederungen auch verschiedene Datenerfassungen haben. Ein Beispiel: Wer in einem Malteserkrankenhaus sehr gut behandelt und gepflegt wurde und deshalb später den Maltesern etwas testamentarisch zuwendet, wird natürlich nicht in der Spenderdatenbank sein, sondern in der Patientendatenbank. Anderer Rechtsträger, andere Datenbank.


NGO-Dialog: Wie relevant ist es, wie sich eine Organisation öffentlich darstellt?

Monika Willich: Absolut wichtig! Das zeigt ein Blick auf die wirklich sehr erfolgreichen Organisationen, wie die deutsche Krebshilfe, deren Einnahmen ein Fundraiser-Herz höher schlagen lassen. Je relevanter ihr Anliegen, je bekannter die Organisation mit ihrer Marke ist und je besser das Image, desto eher auch die Bereitschaft, die Organisation im Todesfall zu bedenken.


NGO-Dialog: Welche Instrumente haben sich aus Ihrer Sicht im Erbschaftsmarketing bewährt?

Monika Willich: Genau das ist die Frage, die mir häufig gestellt wird und auch Teil des Kurses an der Fundraising Akademie ist. Es ist aber die zweite Frage. Die erste Frage, die viel zu wenig gestellt wird, ist: Wie muss mein Konzept und wie meine Strategie aussehen, damit ich die Instrumente einsetzen kann, die für meine Organisation am besten greifen?

Viele Organisationen haben sich zum Beispiel nicht überlegt, ob sie um Vermächtnisse oder Testamente werben oder beides. Sind sie beispielsweise überhaupt in der Lage, im Falle eines Testaments eine Erbschaft abzuwickeln? Das ist im Fall eines Vermächtnisses ganz anders. Da übernimmt das der Erbe. Auch die Frage zweckgebundener oder zweckfreier Erbschaften sollte beachtet sein. Wenn da die Kommunikation unscharf ist, schafft das große Probleme und schmälert den Erfolg.


NGO-Dialog: Erfolg ist ein gutes Stichwort. Erbschaftsmarketing ist ja langfristig angelegt. Wie überzeugt
man den Vorstand, Geduld zu haben?

Monika Willich: Nun, das ist dann ja schon eine Frage der Institutional Readiness. Ein gutes Fundraising sollte ja so aufgebaut sein, das kurz-, mittel- und langfristige Strategien gut zusammenspielen. Habe ich Gründe, dass ich zeitnahe Erfolge brauche, beispielsweise bei einer Capital Campaign mit drei Jahren Laufzeit, dann sollte ich dafür nicht auf Erbschaften setzen. Wenn es aber um den langfristigen Bestand einer Organisation und deren Investitionen geht und die Organisation die nötige Struktur hat, dann können Nachlässe ein guter Weg sein. Vorausgesetzt, ich wende mich an die richtigen Zielgruppen, auch was deren Alter betrifft.


NGO-Dialog: Gibt es den Spendentyp für das gemeinnützige Vererben?

Monika Willich: Eine Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung aus dem Jahr 2013 hat bei Personen über 60 Jahren ergeben, dass diejenigen, die sich ein Testament zugunsten einer gemeinnützigen Organisation vorstellen können, überwiegend keine Kinder hatten. „Den“ Spendertyp gibt es nicht, aber gängige Motive zum gemeinnützigen Vererben. Die sind oft von persönlichen Lebenserfahrungen geprägt und auch von praktischen Erwägungen. Ein Trugschluss ist, es ginge ausschließlich darum, Gutes zu tun.

Leider haben wir in Deutschland anders als in Großbritannien keine Studien, die klären, wie viele und welche Menschen in den letzen Jahren Summen in welcher Höhe welchen Organisationen hinterlassen haben. Das würde ich mir sehr wünschen, aber das wird wohl noch ein wenig dauern.

Insgesamt geht es dort um sehr hohe Summen, wobei es bei den Briten auch kein Pflichtteilsrecht gibt. Ein Beispiel: In einem siebenmonatigen Zeitraum im Jahr 2018 hat die Alzheimer’s Research UK rund fünf Millionen Euro aus Nachlässen erhalten. Aber in Deutschland geht’s bergauf, wenn ich mir anschaue, was SOS Kinderdörfer, Krebsstiftung oder die Bodelschwingschen Anstalten Bethel an Erbschaften erhalten, bin ich begeistert. Nur: Es könnte noch mehr sein. Das braucht gemeinsame Anstrengungen.


NGO-Dialog: Was werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer denn von dem bereits angesprochen Kurs an der Fundraising Akademie mitnehmen können?

Monika Willich: Es geht darum, das Thema Erbschafts-Fundraising von der Pike auf zu lernen. Ich werde beispielsweise etwas über die Identifikation von potenziellen Erblassern in der eigenen Datenbank berichten. Wie erkennt man das Potenzial? Wen spricht man also überhaupt an? Wie spricht man die verschiedensten Zielgruppen an? Welchen Service bieten wir den Interessierten? Und: Was im Training on the Job auch zu wenig vorkommt, sind gute Rechtskenntnisse. Schließlich kann ich im Spendergespräch bei den einfachsten Fragen nicht dauernd antworten „Da müssen sie einen Fachjuristen fragen!“ Doch da hapert es in Deutschland noch in der Erbschafts-Fundraiser-Szene!


NGO-Dialog: Und zum Schluss: Würden Sie sich ein schöneres Wort für Ihre Tätigkeit wünschen als Erbschaftsmarketing?

Monika Willich: Ich spreche in der Regel von Nachlass-Fundraising. Andererseits ist mir das Wort relativ gleichgültig. Jeder von uns hat einen Geburtstag, den er gern feiert, aber jeder von uns wird diese Erde einmal verlassen. Das wissen wir alle. Meine Mutter sagte immer „Das letzte Hemd hat keine Taschen – mitnehmen kann keiner was!“. Also ist es doch klar, dass wir alle darüber nachdenken müssen, was bleibt. Deswegen brauche ich dafür kein schönes Wort, sondern nenne es einfach beim richtigen Namen – Nachlass.

(Bild: Privat)

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