INTERVIEW

„Crowdfunding ist ein guter Lehrmeister“

Stephan Popp
Stephan Popp

Die Crowdfunding-Plattform VisionBakery aus Leipzig feiert gerade ihren achten Geburtstag. Wir nutzten die Gelegenheit und sprachen mit einem der Gründer, Stephan Popp, über Crowdfunding und dessen Entwicklung in Deutschland.


NGO-Dialog: Wie sind Sie 2009 auf die Idee für eine Crowdfundingplattform gekommen?

Stephan Popp: Wir hatten das typische Problem vieler Startups: Für ein Software-Projekt bekamen wir nicht die benötigte Finanzierung zusammen. Wir hatten alles probiert: Wir waren bei der Bank, bei einem Risikokapitalgeber, beantragten Fördergelder – aber nichts funktionierte. Das war der Punkt, wo wir dachten, es kann doch nicht sein, dass gute Ideen, die gebraucht werden, an fehlendem Geld scheitern. Nach Gesprächen mit Freunden stellten wir fest, dass es vielen anderen auch so geht. So entstand die Idee zu VisionBakery.


NGO-Dialog:
Welchen Erfolg hatten Sie erwartet?

Stephan Popp: Ganz ehrlich? Gar keinen. Wir wollten einfach dieses Problem lösen. Acht Jahre am Markt zu bestehen, hätten wir uns nicht vorstellen können. Aber jetzt im Rückblick haben wir natürlich Erfolg und einige Kampagnen erfolgreich betreut und sind zufrieden damit.


NGO-Dialog:
Jetzt sind Sie aber bescheiden. Es sind doch schon so viele Projekte auf Ihrer Seite gewesen ...

Stephan Popp: Richtig, 1.107 Projekte waren es, und wenn ich es auf unsere Plattform beziehe, lief das Jahr 2018 mit einer Erfolgsquote von 64,5 Prozent sehr gut. Diese Quote steigt von Jahr zu Jahr, was sicher auch an unserer Beratung für die Projekte liegt.


NGO-Dialog:
Wie sehen Sie die Entwicklung im Crowdfunding seitdem?

Stephan Popp: Ich finde ich es sehr schade, dass viele Menschen Crowdfunding noch immer nicht kennen. Nach acht Jahren ist die Bekanntheit zu gering, und es ist ein täglicher Kampf das Thema im Mainstream bekannt zu machen. Bedingt durch die bestehenden und zu begrüßenden Fördermöglichkeiten und damit Alternativen zu Crowdfunding in Deutschland, fällt das Wachstum geringer aus als in anderen Ländern, die nicht so ausgeprägte Fördermöglichkeiten anbieten. Ich sehe Crowdfunding seit jeher als eine ergänzende Finanzierungsform und nicht als ersetzende und hoffe, dass sich zukünftig mehr Kombinationsmöglichkeiten von Crowdfunding mit Fördermitteln ergeben.


NGO-Dialog:
Gerade haben Sie auf Ihrer Plattform wieder ein mit über 300 Prozent überzeichnetes Projekt – eine DVD über den Harz. Was macht denn solch ein Projekt so erfolgreich?

Stephan Popp: Ganz klar die Community. Der Projektinitiator Enno Seifried führt schon seit sieben Jahren regelmäßig Crowdfunding-Kampagnen auf visionbakery.com durch. Seine Kampagnen gehen online und sind in kürzester Zeit, sogar manchmal innerhalb weniger Stunden erfolgreich. Das Ganze funktioniert, da er von Beginn an eine Community aufgebaut, eingebunden und gepflegt hat. Daran sieht man auch, was ein nachhaltiger Ansatz im Crowdfunding bringen kann. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist Ennos Glaubwürdigkeit innerhalb seiner Community. Er steht zu seinem Wort und liefert seine Gegenleistungen aus, löst Probleme und beantwortet Fragen.


NGO-Dialog:
Sind die Projekt-Einsteller generell professioneller geworden?

Stephan Popp: Ich finde, es gibt mittlerweile eine gute Mischung zwischen Einsteigern und Profis. Einsteiger merken schnell, dass Crowdfunding eine Herausforderung ist und auch einen Qualitätsanspruch hat. Die Community will ja auch das Gefühl haben, dass hier ein Mensch dahinter steht, der das umsetzen kann und möchte. Von daher professionalisieren sich viele schon während der Kampagne. Crowdfunding ist da ein guter Lehrmeister ein „proof of person“. Viele finden innerhalb eines Crowdfundings schnell heraus, was sie selber leisten können.


NGO-Dialog:
Eine GFK-Studie hat 2017 festgestellt, dass Crowdfunder eigentlich keine Spender sind. Erschließen Sie hier also eine neue Zielgruppe?

Stephan Popp: Ja, das beobachten wir schon länger. Viele Gemeinnützige sagen uns, dass die Zielgruppe viel jünger ist. Das sind Menschen die sich nicht über eine Spendenbescheinigung freuen, sondern eher über eine schöne Postkarte. Man hat da auch mehr Möglichkeiten der Kontaktpflege. Die Postkarte als Gegenleistung ist nach der Kampagne auch ein schöner Reminder, und ich kann auf mein Projekt nochmal aufmerksam machen. Die jungen Leute wissen es einfach zu schätzen, Gegenleistungen für ihr Engagement zu erhalten.


NGO-Dialog:
Crowdfunding hat sich auch verändert. Zum Beispiel durch Fundingschwellen, die das Risiko zu scheitern minimieren sollen. Auf Ihrer Seite gibt es das nicht. Warum?

Stephan Popp: Es gibt dazu zwei Ansätze. Der erste ist, dass man das graphisch darstellt. Das heißt, der Balken der Zielerreichung läuft nach Erreichen der Summe einfach weiter. Unser Ansatz ist, dass man Fundingschwellen kommunikativ einbauen kann. Es ist aus unserer Sicht auch besser, nach Erreichen einer selbst gesetzten Zielmarke auch nochmal zu verkünden, was mit mehr Geld nun noch möglich wird. Bei deutlich überfinanzierten Kampagnen sieht man, dass das gut funktioniert. Bei der graphischen Lösung ist uns negativ aufgefallen, dass man als Nutzer den Eindruck haben könnte, das zwar 100 Prozent erreicht sind, der Balken aber immer noch nur bei 50 Prozent steht. Das ist sehr verwirrend, weil der Balken natürlich für die Geber ein wichtiger Anhaltspunkt ist. Deshalb werden wir das auch nicht ändern.


NGO-Dialog:
Die Zahl der Plattformen hat rasant zugenommen. Wann kommt das Plattformsterben?

Stephan Popp: Genau genommen hat es das schon gegeben. Von den ersten fünf Plattformen gibt es noch zwei. Ich denke, viele Plattformen haben ihre Daseinsberechtigung, weil sie beispielsweise einen regionalen Ansatz verfolgen. Vom deutschlandweiten Umsatz her macht das aber wenig aus. VisionBakery ist die zweitgrößte reward-based Plattform in Deutschland und das schon mit einem deutlichen Abstand zum Marktführer. Aber unser Anspruch ist auch ein anderer. Wir wollen gut beraten und so die Projekte so erfolgreich wie möglich machen. Wir haben uns schon die Frage gestellt: Können wir noch mehr? Aber mit unserem Betreuungsansatz und Qualitätsanspruch ist das nur bedingt möglich. Wir möchten, dass jede Kampagne bei uns einen persönlichen Ansprechpartner hat und individuell betreut werden kann.


NGO-Dialog:
Und zum Schluss die Frage, die alle Projekteinsteller interessiert: Kann man als Betreiber der zweitgrößten Crowdfunding-Plattform Deutschlands davon leben?

Stephan Popp: Von VisionBakery leben Menschen. Das ist möglich. Die monatlichen Grundkosten für die Plattform sind nicht so hoch, und wir achten darauf sparsam zu arbeiten. In unseren Augen ist unsere Plattform ein Social Business. Wir möchten Menschen helfen, und der Umsatz steht an zweiten Stelle.


NGO-Dialog:
Die Konkurrenz wird aber nicht kleiner. Es sind in den letzten Jahren ja auch große Plattformen, wie Kickstarter nach Deutschland gekommen. Wie sehen Sie die Zukunft des reward-based Crowdfunding?

Stephan Popp: Wachstum und steigende Bekanntheit kann nur erreicht werden, wenn sich mehr lokale Strukturen bilden, die das Thema Crowdfunding in der jeweiligen Region bespielen. Wir bieten seit Beginn persönliche Beratungen in unserem Büro an. Dieses Angebot wird gerne angenommen, und wir erreichen damit eine andere Zielgruppe als über Onlinekommunikation. Um Crowdfunding in der Breite bekannt und nutzbar zu machen, ist genau das notwendig. Da sich immer mehr lokale Ansprechpartner bilden, sehe ich eine positive Entwicklung in diesem Bereich auf uns zukommen. Ich hoffe nur, dass die positive Entwicklung etwas schneller geht und nicht nochmal acht Jahre braucht.

(Bild: privat)

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