INTERVIEW

„Gespräche mit Menschen sind mein täglich Brot.“

Sven Schumacher
Sven Schumacher

Mittlerweile gibt es ja einige Deutsche, die in den USA auch im Fundraising tätig sind. Richtig lange im Geschäft ist Sven Schumacher, der schon seit über 20 Jahren dort lebt und arbeitet. Ursprünglich Sozialarbeiter, kam er durch ein Austauschprogramm nach Amerika und blieb. Heute ist er der Chief Executive Officer der Lutheran Child & Family Services & The Foundation For Lutheran Child and Family Services, Indiana, Inc. Wir sprachen mit ihm über religiöses und regionales Fundraising, Sozialarbeit und die Angst vor Großspendern.

NGO-Dialog: Herr Schumacher, Sie kamen durch ein Austauschprogramm für Sozialarbeiter in die USA, wie kamen Sie zum Fundraising?

Sven Schumacher: Nun zuerst studierte ich dort Ehe- und Familientherapie. Das Thema Fundraising ist hier ja aber in der DNA jeder Non-Profit-Organisation vorhanden, weil wir große Teile unserer Finanzierung über Spenden stemmen müssen. In dem Zusammenhang stieß ich auf die Indiana University und den Studiengang Non-Profit-Management und Fundraising und hängte gleich noch ein Studium an. Das Studium dort ist ja immer sehr praktisch und das hat mir gut gefallen.


NGO-Dialog: Welchen Eindruck hatten Sie von der Ausbildung und haben Sie immer noch Kontakt dorthin?

Sven Schumacher: Oh ja, der Kontakt zur Indiana Fundraising School ist nie abgerissen, denn das was dort gelehrt wird, ist immer noch ein sehr guter Standard. Wenn ich zurückdenke, war ich damals schon überrascht, wie gut Fundraising in Amerika organisiert ist. Das hinterließ Eindruck. Mein besonderes Glück war, dass ich mit Professoren wie Tim Sailer, heute Director of The Fund Raising School at the Indiana University Lilly Family School of Philanthropy oder Eugene Temple, dem Präsidenten der School of Philantrophy auch gute Lehrer hatte. Die Klassen waren sehr klein und die Professoren kümmerten sich sehr intensiv um einen.


NGO-Dialog: Sie arbeiten heute als CEO einer christlichen Organisation. Wie wichtig ist das Fundraising für die Finanzierung Ihrer Anliegen und was müssen Sie dafür tun?

Sven Schumacher: Seit 20 Jahren arbeite ich jetzt bei Lutheran Child & Family Services und unserer Stiftung. Diese Einrichtung wurde 1883 von deutschen Einwanderern gegründet und hatte bis 1919 auch den deutschen Namen „Evangelisch lutherische Waisenhausgesellschaft Indianapolis“. Da hab ich natürlich ganz gut reingepasst. Bei unserem Budget von 9,5 Millionen Euro müssen wir jährlich 1,5 Millionen Dollar über Spenden aufbringen. Das ist durchaus den Einrichtungen der Jugendhilfe in Deutschland ähnlich, weil auch hier der Staat für die Jugendlichen auf Vertragsbasis aufkommt, aber die Mittel werden immer geringer. Anders als in Deutschland müssen wir bei Investitionen in Gebäude aber alles selbst finanzieren. So zum Beispiel vor sechs Jahren, als wir eine vierjährige Kampagne starteten, um ein neues Kinderheim für elf Millionen Dollar zu errichten.


NGO-Dialog: Und wie ist es, nach einer erfolgreichen Kampagne dann wieder ins Tagesgeschäft zu müssen?

Sven Schumacher: Ja, das ist nicht so einfach. Viele größere Spender, die uns gerade großzügig unterstützt hatten, fragten natürlich, was wir denn schon wieder von ihnen wollen. Da konnte auch die religiöse Bindung nicht viel helfen.


NGO-Dialog: Spenden religiöse Spender in den USA also nicht mehr als andere?

Sven Schumacher: Doch das spielt eine Rolle, aber Spenden für religiöse Organisationen haben in den letzten Jahren teilweise erheblich abgenommen. Zwei Trends kennzeichnen das. Erstens, dass immer mehr Amerikaner zu Freikirchen überlaufen und die Lutheraner oder Evangelische Kirche verlassen und zweitens, dass diese Spender ja einen Großteil ihrer Gaben sowieso für die Kirche aufbringen, denn eine Kirchensteuer wie in Deutschland gibt es nicht. Die sind 100 Prozent spendenfinanziert.


NGO-Dialog: Wie steuern Sie da dagegen?

Sven Schumacher: Als Einrichtung der Jugendhilfe sind wir zwar religiös geprägt, müssen aber auch mit anderen Menschen ins Gespräch kommen, die sich für Jugendarbeit in der Gemeinde interessieren. Sonst würde das über die Jahre schwierig. Das ist auch eine strategische Entscheidung, aber man muss es seinen Spendern und neuen Spendern erklären. Denn für viele sind wir natürlich eine kirchliche Einrichtung.


NGO-Dialog: Sie machen also in erster Linie regionales Fundraising?

Sven Schumacher: Ja das ist richtig und da gibt es in den letzten Jahren in den USA den zunehmenden Trend, dass die Menschen lieber in ihrer Region, sozusagen vor der Haustür spenden. Amerikaner haben ja eigentlich eine lange Tradition überall in der Welt zu helfen, aber zunehmend eben auch in der Nachbarschaft. Besonders bei Organisationen, die einen guten Ruf haben und gut mit dem Geld haushalten können. Das ist ja das Thema Stewardship, wo wir als eine Organistion, die mit Jugendlichen arbeitet, nicht unbedingt die besten Karten haben.


NGO-Dialog: Inwiefern?

Sven Schumacher: Nun, unser Klientel ist sehr schwierig. Risikofamilien, wo ein stabiles Umfeld für eine gute Entwicklung nicht immer gegeben ist und sehr viel Herausforderungen bestehen. Es ist schwierig, da den geforderten Outcome immer erfolgreich zu gestalten. Da hilft eine kurzfristige Betrachtung wenig, um schon Erfolge bei den Jugendlichen zu sehen.


NGO-Dialog: Themenwechsel: Sie sind außerdem Honorarkonsul. Ein schillernder Titel oder mehr?

Sven Schumacher: (Lacht) Na, das ist in Deutschland wohl eher ein Titel als in den USA. Aber 30 Prozent der Bevölkerung in Indiana haben deutsche Wurzeln und somit ist Deutschland ein großes Thema. Aber auch das Deutschlandbild hat sich in den letzten Jahren unwahrscheinlich positiv gewandelt. Ein hohes Interesse ist da und damit ein Auftrag für public diplomacy, dem ich im Sinne der Bundesrepublik sehr gern nachkomme. Deutschland ist ja auch ein wichtiger Wirtschaftspartner in Indiana mit deutschen Unternehmen und Mitarbeitern, die ich auch konsularisch vor Ort betreue.
Für mich als Fundraiser ist das sehr spannend, denn ich lerne viele Menschen in ganz anderen Zusammenhängen kennen, was auch gut für meine Einrichtung ist.


NGO-Dialog: Am 12. März sind Sie wieder einmal in Deutschland und treten beim Fundraisingtag München auf. Welches Thema werden Sie vorstellen?

Sven Schumacher: Ja, ich spreche über den furchtlosen Großspenden-Fundraiser. In Amerika hat man ja eher weniger Berührungsängste vor großen Tieren. Das macht es sicher einfacher. Aber man muss sich auch hier gut vorbereiten und die Sache auch glaubwürdig vertreten. Dann ist der Faktor Angst schon kleiner. Eigentlich sind wir alle auf Augenhöhe, denn auch Großspender interessieren sich für unsere Themen. Aber man muss versuchen, partnerschaftlich ins Gespräch zu kommen und gute Beziehungen zu nutzen. Auch Achtsamkeit ist ein Thema, denn es geht auch darum, was Spender wollen und was sie sich vorstellen könnten. Das ist mein täglich Brot. Gespräche mit Menschen verschiedenster Herkunft und finanzieller Möglichkeiten. Ich freu mich schon sehr auf München und den Austausch mit den deutschen Kollegen.

(Bild: privat)

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