INTERVIEW

„Belächelt werden wir nicht mehr!“

Anna-Luise Sonnenberg

Anna-Luise Sonnenberg leitet seit Anfang des Jahres die Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising von arche noVa - Initiative für Menschen in Not e.V. Vorher war sie mehrere Jahre im Direktmarketing des Naturschutzbund Deutschland tätig. Matthias Daberstiel sprach mit ihr über die Arbeit in einer kleinen Organisation mit großen Aufgaben und die aktuelle Situation auf den Philippinen.

NGO-Dialog: arche noVa ist die einzige Nothilfeorganisation in den neuen Bundesländern. Wie kam es damals dazu?

Nun, arche noVa gibt es jetzt schon seit 1992. Entstanden ist sie aus einer Initiative von jungen Menschen, die damals einen Hilfsgütertransport für die Menschen im Irakischen Kurdistan starteten. Sie hatten sich ausrangierte NVA-Laster organisiert und sind damit losgefahren. Einer der nächsten Einsätze führte dann nach Jugoslawien, damals Kriegsgebiet, und dort stellten sie fest, dass es viele vergiftete Brunnen gab und Wasser eines der Hauptprobleme bei Hilfseinsätzen darstellt. Wasser als Lebensmittel, was vor Ort das Überleben sichert, wurde so das Hauptthema von arche noVa.

NGO-Dialog: An so einer Spezialisierung muss man auch fachlich arbeiten. Wie haben Sie das gemacht?

Als uns klar war, dass es besser ist, sich zu spezialisieren, haben einige Kollegen noch ein Studium der Wasserwirtschaft gemacht und diese Thematik vertieft. Mittlerweile haben wir natürlich auch schon sehr viel praktische Erfahrung gesammelt.

NGO-Dialog: Ist es schwer neben den Großen der Nothilfe-Szene zu bestehen?

Na, belächelt werden wir nicht mehr, weil wir mittlerweile aufgrund unserer Erfahrung schon als Wasserspezialisten gelten. Nur um das kurz zu sagen: Momentan haben wir neben der aktuellen Nothilfe auf den Philippinen ja auch längerfristige Projekte in Pakistan, Uganda, Burkina Faso, Äthiopien, Mali, Kenia, Syrien und Myanmar. Insgesamt waren wir schon in 37 Ländern aktiv.

NGO-Dialog: Sie sind seit einiger Zeit auch Mitglied im Netzwerk „Aktion Deutschland hilft“. Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit ein?

Wir sind Mitglied über den Paritätischen Gesamtverband und wir haben da sehr gute Erfahrungen gemacht. Es gibt sehr viele Synergien. Gerade wie dieses Jahr bei der Flut oder auch aktuell auf den Philippinen ist die gemeinsame Koordinierung wichtig, um Schnittstellen zu finden, wo es sinnvoll ist, zu kooperieren, weil sich die Hilfsangebote der Netzwerkmitglieder gut ergänzen. Und wir profitieren auch vom Know-How. Wir hatten zum Beispiel noch nie ein Projekt auf den Philippinen und so auch keine Partnerorganisation vor Ort, auf die wir zurückgreifen können. Wir kooperieren deshalb aktuell mit dem ASB und längerfristig mit Help Age, weil sich unsere Hilfsangebote ergänzen. Auch die Schlagkraft von „Aktion Deutschland hilft“ bei der Medienarbeit oder im Fundraising im Katastrophenfall könnten wir als kleine Organisation nie leisten. Das ist für uns eine schöne Sache.

NGO-Dialog: Hilft Ihre Kooperation mit der Stadt Dresden, die gemeinsam mit Ihnen zu Spenden aufruft?

Ja natürlich. Das Aktionsbündnis „Dresden hilft“ hat durch die Oberbürgermeisterin schon am ersten Tag der Katastrophe zu Spenden aufgerufen. Es wird jetzt sogar einen weiteren Spendenaufruf geben an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadt Dresden. Vielleicht sogar ein Benefizkonzert des bekannten Dresdner Kreuzchores. Wir profitieren da sehr, einfach um auch lokal eine größere Öffentlichkeit zu erreichen und mehr Spendengelder zu erhalten.

NGO-Dialog: Was schildern Ihre Kollegen, die vor Ort auf den Philippinen sind?

Sven Seifert, unser Geschäftsführer, und weitere Mitarbeiter waren vier bis fünf Autostunden von Tacloban im Osten der Insel Samar unterwegs und haben da immense Zerstörungen vorgefunden. An der Küste war der Taifun zuerst aufgetroffen. Unser Team war ja schon bei Erdbeben und anderen Katastrophen im Einsatz, aber diese immense Zerstörung hat sie doch sehr erschüttert. Der Sturm hat sogar große Telegrafenmasten verknotet. Wir werden in dieser Region jetzt schwerpunktmäßig in der Wasser-und Sanitärversorgung tätig werden.

NGO-Dialog: Nothilfe führt auch immer zu Neuspendern. Gelingt es Ihnen, Spender für die Nothilfe langfristig zu binden?

Nun das ist schwierig, aber wir haben schon festgestellt, dass wir viele Spender haben, die zum Beispiel für Haiti gespendet haben und jetzt wieder für die Philippinen. Dazwischen ist aber kaum etwas passiert. Das ist schon ein sehr spezielles Spendenverhalten.

Anna-Luise Sonnenberg in PakistanNGO-Dialog: Als kleine Organisation geraten Sie doch bei Katastrophen ständig an Ihre Grenzen. Sie müssen ja andere Aktivitäten für längerfristige Projekte dann stehen und liegen lassen, oder?

Wir gehen erst einmal nicht von Katastrophen aus, aber wenn es dazu kommt, wird sehr schnell umdisponiert. Da ist dann natürlich auch eine große Einsatzbereitschaft auch für Überstunden gefragt, damit man das bewältigt. Wir müssen flexibel sein, dann fällt der geplante Newsletter hinten runter, dafür kommt dann der Emergency-Newsletter. Wir verfügen halt nicht über unbegrenzte Personalressourcen. Aber das Mailing, das vor Weihnachten raus gehen soll, muss man natürlich im Auge behalten.

NGO-Dialog: Das ist ein ganz schöner Fundraising-Spagat zwischen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit für eine vergleichsweise kleine Organisation.

Wir haben zum Glück eine Gruppe von Förderern, die auch kontinuierlich für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit spenden und langfristig unsere Tätigkeit stützen. Da sind wir auch dabei, das noch weiter auszubauen und zu verstetigen. Denn eins ist klar, wenn das Thema aus den Medien verschwunden ist, ist auch die Aufmerksamkeit weg. Wir haben es auch gerade ganz aktuell erlebt, dass Unternehmen ihre Weihnachtsspende für ein Entwicklungshilfeprojekt zu Gunsten der aktuellen Katastrophe umgewidmet haben. Verständlich aus Sicht des Unternehmens, und wir können die Spende selbstverständlich gut gebrauchen, aber das heißt auch, dass an anderen Stellen Lücken entstehen.

NGO-Dialog: Nothilfe ist ja auch eine nicht ganz billige Angelegenheit.

Nein, das Geld ist schnell ausgegeben. Allein die logistischen Herausforderungen und die Materialien sorgen schnell für hohe Beträge. Wir müssen trotzdem versuchen, über Weihnachten noch zweckungebundene Spenden zu erhalten, auch wenn die Erfahrung von Haiti etwas anderes sagt. Damals kamen 90 Prozent der Spenden für Haiti. Ich bin da aber mit Prognosen vorsichtig.

NGO-Dialog: Sie haben ja vorher schon für andere Organisationen gearbeitet, haben Sie einen Vergleich zum Fundraising bei arche noVa?

Ich bin erstaunt über die hohe Durchschnittsspende, die arche noVa hat. Als junge Organisation können wir aber immer noch besser werden. Das ist ja das Schöne an meinem Beruf, dass man immer viel gestalten kann. Da geht noch eine ganze Menge!

 

(Fotos: privat)

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