INTERVIEW

Promis sind schrecklich normal!

Christian Stelkes
Christian Stelkes

Christian Stelkes ist Leiter Marketing und Fundraising beim WEISSEN RING e. V. und verantwortet dort die Fundraising-Strategie und die Marketingaktivitäten für das Ehrenamt und Veranstaltungen. Mit Matthias Daberstiel sprach er über die Zusammenarbeit mit Prominenten und Influencern für die Opferschutzorganisation.


NGO-Dialog: Was haben Sie eigentlich gemacht, bevor Sie zum Weißen Ring gekommen sind?

Christian Stelkes: Begonnen hat mein Arbeitsleben beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und ich war dort für Projekte der Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die eher diffizil waren, nämlich Prominentenbetreuung und Großveranstaltungen. Mit Promis bin ich also schon seit zehn Jahren beschäftigt. Gewechselt bin ich dann zur Deutschen Fundraising Company, weil mir im Ministerium schon etwas langweilig war und war dort ebenfalls Stars- und Sternchenbeauftragter, vornehmlich für den Weißen Ring. Und so kam es dann, dass ich beim WEISSEN RING angefangen habe.


NGO-Dialog: Sie arbeiten sehr viel mit Prominenten beim Weißen Ring. Nach welchen Kriterien suchen Sie die aus? Oder kommen die auf Sie zu?

Christian Stelkes: Nein, wir versuchen Promis immer thematisch zu finden. Beim Thema Opfer ist das auch nicht so einfach, denn zu dem Thema äußern sich jetzt nicht viele Prominente, aber zum Thema Kriminalität, und deshalb kamen wir auf die Idee mit den Tatortkommissaren für unsere Awareness-Kampagne. Nächstes Thema ist beispielsweise Männergewalt. Dafür suche ich gerade nach Menschen, die sehr männlich, groß und stark rüberkommen. Ich möchte die gern in die Situation bringen über Männergewalt zureden oder möchte sie eher weich gezeichnet zeigen. Ich will damit rüberbringen, dass es nicht schlimm ist, sich auch als Mann Hilfe zu suchen. Da versuche ich also einen kommunikativen Bruch herzustellen, damit die Leute das interessant finden.


NGO-Dialog: Sie bekommen doch aber sicher auch Absagen, oder?

Christian Stelkes: Ich erfreulicherweise nicht. Bei mir passiert das nie (lacht). Nein, Quatsch. Natürlich. Die Quote ist so 1:3, 1:4. Das heißt aber auch, dass wenn man einen Promi gezielt will, dann sollte man den auch als Einzigen anfragen. Es kommt blöd, wenn man bei mehreren parallelen Anfragen dann sagen muss: Entschuldigung aber wir haben schon einen! Die Reaktionen sind wirklich sehr unterschiedlich. Meist hat man es ja mit dem Management zu tun, die sofort Nein sagen und sagen: Der ist schon so engagiert oder hat soviel zu tun. Es gibt aber auch welche, die sich informieren möchten. Ich stelle dann aber auch öfter fest, dass sich Prominente nicht für ein kurzes Projekt engagieren, sondern lieber längerfristig eingebunden werden wollen. Dann biete ich nicht ein Paket mit Terminen an, aber eine Idee, wie ich mit den Promis über ein Jahr zusammenarbeiten will.


NGO-Dialog: Das konterkariert aber das Charity-Lady-Image der Promis.

Christian Stelkes: Nein, es ist wirklich nicht so. Von all den Prominenten mit denen ich bisher zu tun hatte, wollte keiner zum Beispiel Geld oder Taxikosten. Die wollen auch keine Goodies und übernachten in Äthiopien sogar in der schlimmsten Hütte, wo viele Menschen sagen würden: Da schlafe ich nicht. Man muss sie nur überzeugen.


NGO-Dialog: Nun ist man ja vielleicht Fan des Promis, muss aber ganz normal mit dem umgehen. Wie schafft man das?

Christian Stelkes: Das stimmt. Manchmal möchte man schon fragen: Sag mal wieso hast du das denn in dem Film nicht so gemacht, oder wie war das eigentlich? Solche Gespräche führe ich eigentlich nie. Ich bin erstmal auf der Sachebene. Das Emotionale kommt vielleicht später. Bei Promis wird immer verkannt, dass sie es gut finden, wie ganz normale Menschen behandelt zu werden. Alle die ich bisher kennengelernt habe, waren schrecklich normal. Ich kann denen auch etwas abschlagen, ohne dass die gleich ausrasten. Die sind da sehr pragmatisch, weil sie wissen, dass sie kein Geld dafür bekommen. Sie bekommen aber natürlich auch etwas dafür. Wir zeigen sie als engagierte Menschen, und das ist ja in der heutigen Zeit nicht unwichtig. Mehr kann ich aber auch nicht geben.


NGO-Dialog: Darf man also keine Scheu haben?

Christian Stelkes: Ja. Auf keinen Fall darf man so rangehen und sagen „Oh Gott, da kommt der große Star, und ich bin das kleine Mäuschen.“ Am Anfang bin ich immer etwas zurückhaltend, versuche aber möglichst normal mit ihnen zu sprechen. Ich versuche Themen im Small Talk zu finden, für die sie sich interessieren. Ich rede nie über Filmrollen oder Dinge, die sie prominent gemacht haben. Von selbst fragen die auch nicht danach, ob ich ihren Film gesehen und welche Meinung ich dazu habe.


NGO-Dialog: Die Themen sind also eher auf die Organisation und das gemeinsam Ziel bezogen?

Christian Stelkes: Na ja, bis auf den Small Talk. Ich glaube, man muss dafür schon etwas extrovertiert sein und den Spaß haben mit Menschen zu sprechen und sich auf sie einzulassen. Neugier ist extrem wichtig, aber man muss sich zurücknehmen können. Was ich tue interessiert die auch nicht, das macht’s ja nur langweilig. Ich bin ja kein Promi. Das vermeide ich.


NGO-Dialog: Influencer gelten ja als die heimlichen Promis mit unheimlich vielen Fans. Ist das da anders?

Christian Stelkes: Influencer und Promis verschwimmen immer mehr. Aber meine Erfahrung ist auch, dass Influencer noch scheuer sind, sich zu engagieren als Promis. Denn Influencer haben ihre Reichweite nur dadurch, was sie tun. Sie können sich schlecht immer wieder neu definieren. Ein Schauspieler fällt immer mehr durch verschiedene Aktivitäten auf. Der verdient sein Geld auch anders. Aber die Influencer verdienen ihr Geld fast nur über Social Media. Wenn die also was für mich posten sollen, dann rechnen die ganz genau nach und bedenken ihr Engagement viel mehr


NGO-Dialog: Sie haben ja Influencer in der Familie …

Christian Stelkes: Ja, meine Schwester. Sie sagt mir auch immer, sie überlegt sich sehr genau, welche Werbetreibenden kommen könnten, und passt das in mein Gesamtkonzept und in das Bild von mir, was ich meinen Fans zeigen möchte. Influencer sind echte Marketingexperten, die haben nichts anderes im Blick als ihre Fans. Deshalb denke ich auch, dass diese Menschen für NGOs unheimlich interessant sein können, gerade wenn das Thema Online-Fundraising noch etwas mehr anzieht. Da sage ich aber gleich dazu, dass dies nicht den Tod des Mailings bedeutet. Aber mit Influencern habe ich eine Werbeplattform, die unter Umständen umsonst ist und die mir sagen können wie wir unser Thema online präsentieren müssen, damit die Fans das spannend finden. Aber da brauche ich auch Überzeugungstäter, aber wenn man die gefunden hat, kann das echt großartig werden.


NGO-Dialog: Nun sind nicht nur Influencer sondern auch ihre Fans nicht im reifen Spendenalter. Da muss man schon etwas mehr zum Thema Spenden argumentieren, oder?

Christian Stelkes: Nun, ich kenne nicht so viele Rechnungsprüfer, aber Influencer schlagen die noch um Längen. Die wollen sehr genau wissen, wo geht die Spende hin, und die lesen auch Jahresberichte. Denn einen Imageschaden wollen die vermeiden. Und Sie haben Recht, die Zielgruppe 14–29 ist für Awareness sicher supi, aber im Fundraising steht die Zielgruppe noch am Anfang. Da gibt es aber auch Influencer, die in älteren Zielgruppen unterwegs sind.


NGO-Dialog: Wie sieht es da mit Aufwand und Nutzen aus? Der Vorstand möchte ja Ergebnisse.

Christian Stelkes: Da muss man ehrlicherweise sagen: Das ist ein Invest in die Zukunft. Die Kosten halten sich in Grenzen, weil ich kein Geld dafür bezahle, aber es kostet Zeit. Und ja, Fundraising ist ein wenig „trial and error“, damit wir auch nicht stehen bleiben und langfristig am Markt bestehen bleiben. Andere Organisationen machen das ja auch.


NGO-Dialog: Wer ist den aktuell Ihr Lieblingspromi beim Weißen Ring – so aus Fundraising-Sicht?

Christian Stelkes: Natürlich kann ich die Frage nicht mit einem einzigen Namen beantworten, weil ich mich über jeden Promi freue, der uns unterstützt. Aktuell bin ich aber zum Beispiel Ingo Lenßen sehr dankbar, weil er von seiner Persönlichkeit aber auch seiner Zielgruppe her, die er bei Sat1Gold hat, eine schöne positive Wirkung für uns hat.

(Bild: PR)

Zurück

Einen Kommentar schreiben