INTERVIEW

Zuhören, unterstützen, Beziehungen pflegen

Luise Bröther
Luise Bröther

Nachlass-Fundraising oder Erbschaftsmarketing. Beide Begriffe klingen in den Ohren von Förderern sicher nicht sehr vertrauenserweckend. Dabei versteckt sich dahinter ja gerade der Wunsch nach einem intensiven Beziehungsaufbau. Luise Bröther ist für Engagementförderung und Beziehungspflege bei der Evangelischen Landeskirche in Baden verantwortlich. Vorher war sie 18 Jahre bei der Christoffel-Blindenmission Deutschland tätig. Wir sprachen mit der Stiftungs- und- Fundraising-Managerin über Nachlass-Fundraising für ihre Kirche.


NGO-Dialog: Frau Bröther, Fundraising in der Kirche ist oft noch sehr gemeindebezogen. Welche Aufgabe haben Sie beim Evangelischen Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Baden?

Luise Bröther: Fundraising ist Beziehungspflege. Diese findet in den Gemeinden und Kirchenbezirken, aber eben auch vom Evangelischen Oberkirchenrat nach außen statt. Dort bin ich für Engagementförderung und Beziehungspflege zuständig. Gemeinsam mit dem landeskirchlichen Fundraisingbeauftragten Pfarrer Dr. Torsten Sternberg entwickeln wir Formate und Angebote, die Menschen miteinander verbinden. Dazu zählen zum Beispiel das jährlich stattfindende „Stiftungsforum Kirche und Diakonie“ in Baden, aber auch vielfältige Materialien, welche das Fundraising in den Gemeinden unterstützen. Hierzu gehört die Erbschaftsinitiative „Was bleibt.“ mit ihrer Ausstellung und Infomaterial. Die kürzlich erschienene Vorsorgebroschüre „Nicht(s) vergessen – Gut vorbereitet für die letzte Reise“ mit dem dazugehörigen Sammelordner ergänzt das Angebot.


NGO-Dialog: Treten denn auch Nachlassgeber oder Stifter aktiv an die Kirche heran?

Luise Bröther: Schon seit Jahrhunderten wird die Kirche mit Vermächtnissen, Erbschaften und Stiftungsgründungen bedacht. Das ist eine feste Tradition, die viel Gutes ermöglicht. Und so treten in der Tat auch heute immer wieder Kirchenmitglieder als (potenzielle) Nachlassgeber und Stifter an ihre Kirche heran. Nach langjährigen positiven Erfahrungen und in treuer Verbundenheit möchten sie Gutes weitergeben. Dann kommen sie mit einem Gesprächswunsch auf uns zu und wir schauen, ob und wie wir sie auf dem Weg begleiten können.


NGO-Dialog: Welche Wünsche und Fragen haben die Menschen, die sich mit dem Thema Nachlass beschäftigen?

Luise Bröther: Sie sprechen über die Dinge, die sie bewegen. Über das, was bleibt oder bleiben soll. Sie stellen sich Fragen hinsichtlich der Zukunft – persönlich und gesellschaftlich. Und so kommen auch Themen wie Vorsorge, Stiftungsgründungen, Schenkungen, Erben und Vererben zur Sprache.


NGO-Dialog: Was tun Sie, um das Thema Nachlass zugunsten Ihrer Landeskirche bekannt zu machen?

Luise Bröther: Die Evangelische Landeskirche in Baden hat gemeinsam mit dem Diakonischen Werk Baden und der Agentur neolog (Karlsruhe) das Erbschaftsfundraisingkonzept „Was bleibt.“ entwickelt. Es verdichtet sich sichtbar im Ratgeber „Was bleibt.“, ist aber viel mehr: ein umfassendes Kommunikationskonzept mit Begleitausstellung, Homepage, Schulungsangeboten für Mitarbeitende u.a.m. Es setzt bei einem menschlichen Grundbedürfnis an, dem Wunsch, etwas Bleibendes zu hinterlassen. Ausgangspunkt waren Überlegungen zu möglichen Kommunikationshindernissen: Zum einen sind die Themen Tod, Erben und Vererben an sich grundsätzlich gesellschaftliche Tabuthemen. Zum anderen galt es, internen Bedenken in Kirche und Diakonie gegenüber dem Thema „Erbschaftsfundraising“ Rechnung zu tragen, sodass die erstellten Materialien dann auch Akzeptanz finden.


NGO-Dialog: Sie haben das Konzept gemeinsam mit dem Diakonischen Werk entwickelt. Ist diese Nähe zwischen Hilfswerk und Kirche nicht gleichzeitig auch eine Konkurrenz?

Luise Bröther: Ganz und gar nicht. Diakonie und die verfasste Kirche gehören zusammen. Die Ratsuchenden erhalten das Signal: Sie stehen mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt, nicht die Interessen von Kirche und Diakonie.


NGO-Dialog: Wie konnten Sie Bedenken gegenüber dem Thema Erbschaftsmarketing zerstreuen und eine solch öffentlichkeitswirksame Kampagne starten?

Luise Bröther: Wir reden in der Außenkommunikation nie von „Erbschaftsfundraising“, sondern immer nur von „dem Konzept ‚Was bleibt.‘“. Der Claim schafft ebenso Akzeptanz wie das attraktive Ausstellungsangebot. Die verpflichtenden Schulungsangebote beeindrucken ebenso wie der klare Fokus auf die Bedürfnisse der ratsuchenden Menschen. Schließlich ist durch die Broschüre und den Sammelordner „Nicht(s) vergessen“ die organische Verzahnung mit dem seelsorglichen Grundauftrag der Kirche noch mehr in den Mittelpunkt gerückt.


NGO-Dialog: Wie schätzen Sie die Wirksamkeit der Kampagne „Was bleibt.“ bisher ein?

Luise Bröther: In dieser Form und mit diesem Ansatz ist sie bisher einmalig in Deutschland und stößt auf außerordentliche Resonanz. Es gibt alleine in Baden und in Württemberg mehr als 300 geschulte Mitarbeitende, mehr als zehn Ausstellungsorte mit einem umfassenden Veranstaltungsangebot und ein Netzwerk von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren.


NGO-Dialog: Können sich andere Evangelische Landeskirchen davon etwas abschauen?

Luise Bröther: Inzwischen haben die württembergische, bayerische und rheinische Landeskirche das Konzept übernommen. Mit der Nordkirche gibt es Gespräche, weitere Landeskirchen und Diakonische Werke sind interessiert.


NGO-Dialog: Was haben Sie zukünftig vor?

Luise Bröther: Weitermachen: zuhören, unterstützen, Beziehungen pflegen.

 

Veranstaltungstipp: Fortbildung Erbschaftsmarketing
Das Thema gemeinnütziges Vererben ist ein wichtiges „Wachstumsthema“ im Fundraising. Die Fundraising Akademie bietet dazu zwei Veranstaltungen in nächster Zeit an:
  1. Fortbildung Erbschaftsmarketing ab Februar 2017
    Mehr Informationen finden Sie hier
  2. Kompaktseminar Großspenden- und Nachlass-Fundraising am 11. November 2016, in Berlin mit Fundraising-Managerin Monika Willich und Rechtsanwalt Bernd Reder
    Mehr Informationen finden Sie hier

Um gemeinnützige Organisationen bei der Legatakquise und Nachlassabwicklung zu unterstützen, hat die Fundraising-Akademie „Legatur“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit den Rechtsanwälten Dr. Christoph Mecking und Bernd Beder bietet die Akademie so den sicheren Einstieg ins Thema. Sprechen Sie uns an. Mehr Informationen hier.

(Bild: privat)

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