INTERVIEW

Bei der Naturwacht sind Freiwillige herzlich willkommen

Rüdiger MeyerIn der letzten Newsletter-Ausgabe berichteten wir über das Freiwilligenengagement in den USA und darüber, was deutsche NGOs von New Yorker Freiwilligen-Initiativen lernen können. Doch wie sieht es an der „Freiwilligen-Front“ in Deutschland aus? „Freiwillige in Parks" ist ein ehrgeiziges Projekt von Naturwacht Brandenburg und EUROPARC Deutschland. Ziel dieser Kooperation ist es, Bürgerengagement für Großschutzgebiete zu mobilisieren. Im Jahr 2007 waren es bereits mehr als 2.000 Menschen, die bereit waren, sich in ihrer Freizeit für den Erhalt der heimischen Flora & Fauna einzusetzen. Was sie da genau machen und warum sie es tun, darüber sprachen wir mit dem Freiwilligenkoordinator im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land, Rüdiger Meyer.

NGO-Dialog: Herr Meyer, auf der Website der Naturwacht heißt es „Freiwillige herzlich willkommen“ – ein Aufruf, der neugierig macht. Was kann man bei Ihnen als Freiwilliger machen und welche Qualifikationen sollte man mitbringen?

In unserem Naturpark Stechlin-Ruppiner Land gibt es viele Möglichkeiten, sich als Freiwilliger zu engagieren. Bei vielen Aktivitäten werden die Freiwilligen von unseren Naturwächtern betreut oder arbeiten mit diesen zusammen. So sind z.B. im Frühjahr Krötenzaune auf- und abzubauen und zu betreuen. Das bedeutet täglich morgens eine Stunde Arbeit: die Kröten aus den Fangbehältern nehmen, nach Geschlecht und Art bestimmen (wenn man es kann) und auf die andere Straßenseite umsetzen. Es ist natürlich von Vorteil, wenn die Freiwilligen die Artenkenntnis mitbringen. Wichtig ist jedoch, dass die Tiere auf die andere Straßenseite kommen.

Des Weiteren haben wir in den Herbst- und Wintermonaten unsere internationale Wasservogelzählung auf ausgewählten Seen. Die Zählung findet immer an einem Wochenende in der Mitte des Monats statt. Entweder fährt man dazu mit dem Boot raus oder läuft mit dem Spektiv um den See und beobachtet die Vögel an Stellen, die gut einsehbar sind. Auch hierfür ist Artenkenntnis von Vorteil, die viele Freiwillige auch anhand von Bestimmungsbüchern im Laufe der Zeit erwerben.

Eine Aktivität, die handwerkliches Geschick erfordert, ist der Bau von Brutinseln für Flussseeschwalben. Diese auf dem See schwimmenden Nisthilfen werden gut von den Vögeln angenommen. Für ein längerfristiges Engagement eignet sich die Aufgabe, monatlich die Wasserstände zu dokumentieren. Abzulesen sind 60 Lattenpegel, die im Fluss oder im See stehen und Brunnenpegel, die manchmal 15 oder 20 Meter tief sind. Da sind derzeit drei Freiwillige im Einsatz, die das schon jahrelang machen. Es gibt aber auch spontane Aktionen, wie z.B. Müll einsammeln oder ein Spatenklo bauen. In jedem Fall erhalten die Freiwilligen die Unterstützung des Naturparks und (wie im Falle der Müllentsorgung) der Kreisverwaltung. 

In der vorigen Woche fand im Rahmen unserer Naturerlebnistouren eine nächtliche Vollmond-Kanutour statt, wie immer im August. Da waren z.B. vier Freiwillige über drei Tage im Einsatz. Der Anreiz dabei: das Abenteuer, draußen (im Tipi) zu leben, neue Menschen kennenzulernen und Fische am Feuer zu grillen. Unsere Freiwilligen sind bei solchen Fällen als Rettungsschwimmer und Helfer bei der Versorgung und Betreuung der Gäste im Einsatz.

Neben Artenkenntnis und handwerklichem Geschick sollten unsere Freiwilligen vor allem wetter- und wasserfest sein. Wir sind viel mit dem Boot unterwegs, da kann man schon mal über Bord gehen oder im Sumpf versinken.

NGO-Dialog: Was motiviert Ihrer Meinung nach Menschen, sich bei Ihrer Naturwacht als Freiwillige zu engagieren? Welche Anreize setzen Sie mit Ihrer Organisation?

Da kann ich Ihnen Informationen aus erster Hand geben, von unserer Freiwilligen, Frau Kreuz, die uns heute nach 14 Tagen leider wieder verlässt. Ich habe sie gefragt, was sie motiviert hat. Ihre Antwort war, dass sie gerne Unternehmungen in der Natur macht und sehr naturverbunden ist. Auch möchte sie gern etwas für andere tun und sich im Naturschutz nützlich machen. Sehr gern wollte sie die reizvolle Landschaft der Mecklenburger Seenplatte kennen lernen. Sie liebt Wasser, Meer und See und hat bereits Erfahrungen mit Freiwilligeneinsätzen auf Fehmarn gesammelt.

Im Allgemeinen ist es oft so, dass viele Menschen ein neues Tätigkeitsfeld, neben ihrer Arbeit suchen. Was verständlich ist, denn manche von ihnen sitzen acht Stunden täglich im Büro. Die wollen sich draußen bewegen und sich dabei nützlich machen. Soziale Kontakte spielen auch eine große Rolle, neue Leute kennenlernen, sich mit Gleichgesinnten treffen und zusammen die Wildnis erleben, das sind sicherlich starke Motive. Vielleicht ist der größte Anreiz aber auch der Mangel an Angeboten für Freiwillige im Naturschutz. Im sozialen Bereich hingegen gibt es ein reichhaltiges Angebot.

Schwierig ist es mit den Angeboten für auswärtige Freiwillige im Naturschutz, denn die brauchen eine Unterkunft vor Ort. Lokale Freiwillige findet man viel leichter. Manchmal können wir in unserer Umweltbegegnungsstätte auch mal eine Ausnahme machen. Frau Kreuz hat z.B. die 14 Tage im Tipi gewohnt. Das ist aber eher die Ausnahme. In der Regel stehen immer ein paar Freiwillige bereit, die wir nur anzusprechen brauchen und dann unterstützen sie uns.

NGO-Dialog: Wie machen Sie in der Öffentlichkeit auf Ihr Freiwilligenprojekt aufmerksam? Welche Medien/Verteiler nutzen Sie? Gibt es Anreize, die Ihrer Meinung nach besonders wirkungsvoll sind?

Da gibt es einmal die Website „Freiwillige in Parks“, über die sich immer wieder Interessenten melden. In der Regel scheitert es aber daran, dass wir keine Unterkunft bieten können. So sind es oft eben doch Einheimische, die sich bei uns freiwillig engagieren. Für bestimmte Aktionen wie z.B. die Betreuung der Krötenzäune, nutzen wir die lokalen Zeitungen. Da kommen immer ein paar Leute. Sonst läuft die Werbung bei uns über Mundpropaganda, so werben wir eigentlich die meisten Freiwilligen. Zur Hälfte sind es Einheimische und die andere Hälfte kommt aus Berlin und Umgebung.

NGO-Dialog: Welchen Nutzen ziehen die Freiwilligen aus der Mitarbeit bei der Naturwacht? Was macht die Freiwilligenkultur bei der Naturwacht so besonders? Gibt es besondere Veranstaltungen für Freiwillige?

Bei uns können die Freiwilligen etwas über Natur, Pflanzen und Tiere lernen, was sicherlich ein Anreiz ist. Sie lernen andere Menschen kennen, können soziale Kontakte knüpfen und ihren Horizont erweitern. Unsere Freiwilligen kommen aus ganz verschiedenen Altersstrukturen, vom Jugendlichen bis zum Rentner arbeiten sie bei uns zusammen. Interessant ist auch, das Aufeinandertreffen von Freiwilligen unterschiedlicher sozialer Herkunft, vom Handwerker bis zum Akademiker. Auch verschiedene Charaktere treffen aufeinander. Ein bisschen erinnert ein Freiwilligeneinsatz an Aktivurlaub, gerade wenn man von außerhalb und für längere Zeit kommt.

Bei den längerfristigen Aktionen haben wir eine Auswertungsrunde, bei der sich alle daran beteiligten Freiwilligen treffen. Auch diejenigen, die sich sonst nicht sehen, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten aktiv waren. In gemütlicher Atmosphäre, bei Essen und Getränken, etwa bei einem gemeinsamen Lagerfeuer, werden dann Erfahrungen ausgetauscht.

Dann gibt es noch die landesweite Dankeschön-Aktion, mit einer Exkursion in einen Brandenburger Naturpark. In diesem  Herbst geht es nach Linum zum Kranichzug. Viele Freiwillige beteiligen sich auch gerne an unseren Naturparkexkursionen. Einmal im Jahr können sie so, gemeinsam mit den Kollegen der Naturwacht, der Naturparkverwaltung und den Mitarbeitern unseres Besucherzentrums, an einer Naturführung teilnehmen. Unsere letzte Exkursion führte uns vor zehn Tagen auf das Bombodrom in der Wittstock-Kyritzer Heide. Naturschutzfachlich ist dieser Truppenübungsplatz eine hochinteressante Heidelandschaft, in der es viel zu entdecken gibt.

NGO-Dialog: Das Junior-Ranger-Programm der Naturwacht Brandenburg wurde auch 2010/11 zum UN-Dekadeprojekt Bildung für nachhaltige Entwicklung gekürt. Was ist das Ziel dieses Programms und wie viele Junior-Ranger gibt es derzeit in Brandenburg?

Wir haben zur Zeit 383 Junior Ranger bei der Naturwacht in Brandenburg, auf 33 lokale Gruppen verteilt. Unser Ziel ist es, die Kinder mit ihrer natürlichen Lebensumwelt vertraut zu machen, was bei uns eben die naturkundlichen Besonderheiten im Naturpark Stechlin-Ruppiner Heide sind. Die Kinder arbeiten in Projekten mit, wobei sie nicht selten ihre ersten Naturerfahrungen machen. Unsere Gruppe "Abenteuer Umwelt" trifft sich immer ganztägig alle zwei Monate. Lebensmittelpunkt ist unser Tipi, wo wir kochen, uns vor dem Wetter schützen, mit Naturfarben färben u.v.m.

NGO-Dialog: Sind die Junior-Ranger von heute die Freiwilligen von morgen?

Ich würde schätzen, etwa 5 % der Junior-Ranger bleiben sozusagen "bei uns hängen". Oftmals sind es die Kinder von Freiwilligen und deren Schulkameraden, die auf uns aufmerksam werden, weil ihre Eltern in deren Schulklasse für die Junior-Ranger geworben haben. Diese Kinder sind manchmal auch neben der Junior-Ranger-Aktivität gemeinsam mit den Eltern als Freiwillige im Naturschutz tätig. In der Regel ist aber, wenn die Kinder so in die 9./10. Klasse kommen, erst mal Pause – im Alter zwischen 16 und 30 Jahren interessieren sie sich eher weniger für den Naturschutz. Danach kommen viele von ihnen wieder. Wer als Kind in einer Naturschutzgruppe Erfahrungen gesammelt hat, engagiert sich auch häufig im Erwachsenenalter im Naturschutz.

Herr Meyer, wir danken für dieses Gespräch.

Rüdiger Meyer, ist seit sieben Jahren Freiwilligenkoordinator bei der Naturwacht im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land. Als ausgebildeter Agraringenieur kam er über eine ABM-Maßnahme und eine Fortbildung zum Natur- und Landschaftspfleger zur Naturwacht, für die er seit 15 Jahren im Einsatz ist. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Besucherlenkung, der Durchführung und Organisation von Erlebnistouren, hauptsächlich die Pflege- und Entwicklungsplanung und Biotopkartierung für den Naturpark.

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