INTERVIEW

Politische Kampagnen und Fundraising in Deutschland

Karl-Josef WasserhövelFundraising für Politik gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten der USA hat vor kurzem deutlich gezeigt, dass es für politische Parteien durchaus möglich ist, Tausende von Unterstützern zu mobilisieren, auch in finanzieller Hinsicht. Diese Erfahrungen können sicher nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen werden, sie geben vielmehr Anregungen für politisch Engagierte, dienen dem Wissenstransfer und erlauben den NGOs, über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Wir haben Karl-Josef Wasserhoevel, ehemaliger SPD-Bundesgeschäftsführer, gefragt, wie er die aktuelle Situation in Deutschland einschätzt, wo die Potenziale des Fundraising im politischen Kontext stecken und wie die Zukunft des Fundraising in der Politik aussehen könnte.

NGO-Dialog: Herr Wasserhoevel, welche Schlüsse ziehen Sie als Experte für Marketing und Kommunikation aus den Fundraising-Erfahrungen der letzten Präsidentschaftswahl in den USA? Inwieweit sind sie auf Deutschland übertragbar?

Die Wahlkampagne 2008 in den USA haben wir hier in Deutschland selbstverständlich mit viel Interesse und Aufmerksamkeit verfolgt, auch im Hinblick auf das Fundraising. In diesem Zusammenhang muss man im Blick haben, dass die rechtliche Lage in den Staaten anders ist und dass auch die Geberkulturen unterschiedlich sind. Wir haben in Deutschland eine andere politische Struktur und auch eine andere Kultur des politischen Engagements.

Die Frage „Warum sollte ich spenden, wenn auch Steuergelder für die Finanzierung der Wahlkampagnen zur Verfügung gestellt werden?“ muss den potenziellen Unterstützern nachvollziehbar beantwortet werden. Für Fundraising im politischen Bereich muss man diese Skepsis überwinden und die Spender für das politische Anliegen begeistern.

Darüber hinaus existiert in Deutschland – im Vergleich zu den USA – eine geringere Bekennerbereitschaft. Dies zeigt sich deutlich in den Aktionen, aber auch im Fundraising. Die ausgeprägte Kultur des Volunteerings und des Grassroot-Campaignings in den USA sorgt für eine entsprechend andere Wahlkampfstruktur: Die Bereitschaft, sich für einen bestimmten Zweck oder Kandidaten zu „commiten" ist deutlich höher. Das verändert sich in Deutschland langsam. Deshalb darf man keine überzogenen Erwartungen an die potenziellen Unterstützer stellen.

Dennoch gibt es immer mehr Menschen, die gewohnte Formen der Unterstützung verlassen und bereit sind, sich im Rahmen einer politischen Kampagne auch finanziell zu engagieren. Und gerade für diese Menschen müssen eindeutig auf sie zugeschnittene Angebotsformate geschaffen werden. Dieses Potenzial haben, meiner Meinung nach, alle politische Parteien im Jahr 2009 bereits erkannt. Um einige praktische Beispiele zu nennen: Zahlreiche Wahlkampf-Aktivitäten und Fundraising liefen übers Netz, man konnte z. B. ein Großflächenplakat über das Internet buchen und so ganz persönlich zum Wahlkampf in seiner Region werblich beitragen. Das ist etwas Neues. Hier wird man in Zukunft sicherlich gut anknüpfen können.

NGO-Dialog: Sind politische Kampagnen in Deutschland Ihrer Meinung nach überhaupt fundraisingfähig?

Ja, ich bin fest davon überzeugt, dass das kommen wird. Die sozialen Strukturen, die Kontexte in unserem Land verändern sich schnell, die Biografien werden flexibler, pluralistischer. Man bleibt nicht mehr sein ganzes Leben in der Region, wo man zur Schule gegangen ist, Abitur gemacht hat oder studiert hat. Menschen sind mobiler, beweglicher, aber nicht politisch uninteressierter. Mit diesen Veränderungen in den Biografien verändert sich auch politisches Verhalten. Also gibt es eine abnehmende Bereitschaft, sich langfristig zu binden. Gleichzeitig möchten Menschen kurzfristig vor Ort eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen schaffen und sind durchaus bereit, sich dafür politisch einzusetzen. Niedrigschwellige Aktionsmöglichkeiten werden gesucht. Und gerade in diesem Kontext darf die finanzielle Unterstützung der politischen Kampagnen keine "Blackbox" sein. In der gesamten Vielfalt der politischen Aktionen ist es eine gleichwertige Möglichkeit, sich persönlich einzubringen.

NGO-Dialog: Was müssen Initiatoren von politischen Kampagnen Ihrer Meinung nach berücksichtigen, damit sie im Fundraising Erfolg haben?

Es gibt diese bekannten drei Faktoren: „simplicity", „relevance" und „repetition". Die Botschaft, besonders im Fundraising, muss klar sein, sie muss Relevanz für den potenziellen Spender haben, und Menschen müssen sie immer wieder hören. Das Thema der Aktion, ihr Ziel und das, was man mit der Aktion erreichen möchte, müssen einfach, klar und deutlich formuliert sein. Und dieses Thema muss wiederholt, mit großer Ausdauer an die potenziellen Unterstützer kommuniziert werden. Für den Erfolg im Fundraising in der Politik müssen die Organisatoren einen langen Atem haben, systematisch vorgehen und eine Vertrauensbasis zu ihren Unterstützern konsequent aufbauen.

NGO-Dialog: Herr Wasserhoevel, herzlichen Dank für das Gespräch!

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