INTERVIEW

„Kirche braucht WLAN“

Hannah Wolff
Hannah Wolff

Als das Projekt digitaler Klingelbeutel von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz initiiert wurde, gab es landesweit Staunen. Mittlerweile setzen Berliner Gemeinden bereits auf diese Form der digitalen Kollekte. Matthias Daberstiel sprach am Rande der faith & funds mit Hannah Wolff, die das Projekt betreut.

NGO-Dialog: Wie kommt man denn auf die Idee eines digitalen Klingelbeutels? Das rührt ja an Traditionen der Kirche.

Hannah Wolff: Das finde ich nicht. Als Älteste der Gemeinde Tiergarten in Berlin begleite ich das Projekt ja von Anfang an. Bargeld wird dabei immer mehr zum Problem für Kirchgemeinden, denn es wird immer teurer, das Bargeld auf ein Konto zu zahlen. Der zweite Punkt ist aber: Die Kirche muss sich erneuern und innovativ den Leuten das bieten, was Sie aus Ihrem Alltag gewöhnt sind.


NGO-Dialog: Aber ist denn der typische Gottesdienstbesucher so ausgestattet mit Karte und Smartphone um digital zu zahlen?

Hannah Wolff: Das ist sicherlich ortsabhängig. Von unseren Berliner Innenstadtgemeinden kann ich definitiv sagen ja. Auf dem Land bei einem höheren Altersschnitt vermutlich erstmal nicht, aber es ist immer mehr im Kommen. Statistiken zeigen ja, dass auch die Generation 60 plus sich immer mehr am bargeldlosen Zahlen erfreut. Im Gottesdienst haben wir eigentlich drei Generationen. Die Jugend hat gar kein Bargeld mehr dabei und freut sich endlich auch mal was in die Kollekte zu tun, zückt ihr Handy und zahlt. Die mittlere Generation hat beides dabei Bargeld und Karte und probiert das schon gern mal aus. Die ältere Generation schaut sich das sicher erstmal an, aber beim dritten Mal bringen die dann auch die Karte mal mit, um das mal zu probieren und freuen sich auch, wenn‘s klappt.


NGO-Dialog:
Es scheint ja auch sehr einfach.

Hannah Wolff: Richtig. Der digitale Klingelbeutel ist eine Hybridlösung. Man hat vorn den vertrauten Beutel, in den man weiter Bargeld werfen kann und dahinter dann ein integriertes Display in dem der Kirchenbesucher einen Betrag zwischen einem und 25 Euro in ein Euro-Schritten mittels eines Drehreglers am Griff auswählen und dann per WLAN-fähiger Karte oder Handy mit NFC-Technologie bezahlen kann. Das dauert nur ein paar Sekunden.


NGO-Dialog: Warum nicht höhere Summen?

Hannah Wolff: Die 25 Euro sind von Bankseite vorgegeben. Für mehr bräuchte man noch eine PIN-Eingabe. Das wird zwar vermutlich bald auf 50 Euro erhöht, braucht aber noch etwas Zeit. Für höhere Summen wird es ab Januar 2020 auch noch Spendensäulen geben, mit denen man am Ein- oder Ausgang Spenden in unbegrenzter Höhe in aller Ruhe und Pin-Eingabe tätigen kann.

Der Digitale Klingelbeutel in Aktion.
Der Digitale Klingelbeutel in Aktion.

NGO-Dialog: Das wäre dann aber schon eine Abkehr vom Klingelbeutel, denn der wird ja immer noch von einem Menschen gehalten, was die Verbindlichkeit der Kollekte ja durchaus erhöht.

Hannah Wolff: Unsere Erfahrung ist, dass dieser Mensch den Klingelbeutel sogar aus der Hand gibt und ihn durch die Reihe gehen lässt. Er ist ja kinderleicht zu bedienen. Die Säule ist beispielsweise an touristischen Hotspots sicher eine gute Lösung, denn die evangelischen Kirchen in Deutschland erheben ja fast alle keinen Eintritt. Und Touristen wollen schon gern etwas geben.


NGO-Dialog: Erleichtert der digitale Klingelbeutel auch die Abrechnung?

Hannah Wolff: Absolut. Gerade auf die Abwicklung der Spenden in der Kassenverwaltung der Kirche sind wir sehr stolz. Das funktioniert sehr gut.


NGO-Dialog: Eignet sich dieses Zahlungstool auch noch für andere Dinge, wie Benfiz-Events?

Hannah Wolff: Grundsätzlich ja, aber die Voraussetzung ist WLAN. Das Mobilfunknetz ist einfach immer noch zu löchrig.


NGO-Dialog: Das heißt die Kirche braucht WLAN?

Hannah Wolff: Ja, das ist notwendig. Ich weiß, das ist für viele Kirchen ein großer Schritt, aber ein Schritt, den sie gehen sollten, um sich zukunftsfähig zu machen.


NGO-Dialog: Ich höre schon die Pfarrerinnen und Pfarrer, die dann sagen: Aber dann daddeln die doch die ganze Zeit am Handy!

Hannah Wolff: Ja aber das tun sie doch eh! Machen sie es ihnen doch lieber leicht. Ich glaube schon, dass freies WLAN für eine Kirche eine Bereicherung ist. Sie können ja zusätzlich auch Inhalte anbieten. Ich glaube nicht, dass der digitale Klingelbeutel die Jugend in die Kirche holt. Aber wenn sie kommen, dann bleiben sie. Es ist schon unsere Erfahrung, dass Jugendliche, die einen Gottesdienst mit hohem Altersschnitt gewöhnt sind, sehr überrascht reagieren. Endlich ist da etwas, das mit ihnen so kommuniziert, wie sie es gewöhnt sind. Gerade in der Phase der 20- bis 30-Jährigen verzeichnen wir ja die meisten Kirchenausstritte. Und das sind Verluste, die uns langfristig am meisten weh tun. Ich denke, der digitale Klingelbeutel kann ein Mittel dagegen sein.


NGO-Dialog: Also auf zu neuen Ufern?

Hannah Wolff: Genau! Und dafür brauchen wir WLAN in der Kirche und digitale Tools.

(Bilder: Digital.Wolff GmbH)

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