INTERVIEW

„Die Umweltstiftung ist das entschleunigte Greenpeace.“

Melanie Stöhr

Erbschaften und Großspenden sind momentan ein großes Thema für Non-Profit-Organisationen. Über 2,6 Billionen Euro werden angeblich in den nächsten Jahren vererbt. Matthias Daberstiel sprach mit Melanie Stöhr, Vorstand und Geschäftsführerin der Umweltstiftung Greenpeace über dieses Thema. Ebenfalls im Blickpunkt: das Berufsbild des Großspendenfundraisers und die gemeinsame Awareness-Kampagne „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“ von fünf deutschen Non-Profit-Organisationen.

NGO-Dialog: Wie kam es zu der gemeinsamen Testamentskampagne „Mein Erbe tut Gutes“ von vier deutschen Spendenorganisationen, dem Deutschen Fundraisingverband und Greenpeace?

Wir hatten ja schon seit mehreren Jahren überlegt, ob wir es den Schweizer und österreichischen Kollegen nachmachen, eine solche Initiative auch in Deutschland mit seinen vielen gemeinnützigen Organisationen zu starten. Ich kann mich erinnern, dass es sogar schon Mitte der 90er Jahre erste Bestrebungen gab, aber es fanden sich schon damals keine Mitmacher für ein solches Projekt. Auch diesmal war es sehr zäh und sehr mühsam, überhaupt fünf Organisationen zusammenzubekommen, um die Initiative auf die Beine zu stellen. Eine Öffentlichkeitskampagne bekommt man ja nicht umsonst. Die Anfangsinvestitionen sind hoch. Das war auch der Grund, warum wir mit fünf größeren Organisationen jetzt erst einmal gestartet sind.

NGO-Dialog: Momentan überschneiden sich die Themengebiete der Gründungsmitglieder: Ärzte ohne Grenzen, DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, Greenpeace, die Johanniter-Unfall-Hilfe und die SOS-Kinderdörfer weltweit nicht. Ist die Initiative für alle offen?

Ja, ab 2014.Wir wollten noch in diesem Jahr starten und ab nächstem Jahr können sich auch weitere Organisationen bewerben. Es wird dabei einen gestaffelten Beitragsschlüssel, je nach Größe der Organisation geben. Um dabei sein zu können, müssen eine Reihe von Kriterien erfüllt sein. Wir werden langfristig nach zwei oder drei Jahren Bilanz ziehen und schauen, was sich in der öffentlichen Wahrnehmung zum Thema gemeinnütziges Vererben bewegt hat. Gab es zum Beispiel mehr Anfragen bei den beteiligten Organisationen nach Testamentsinformationen oder entstanden real mehr Testamente aus der Kampagne, was natürlich das Ziel ist. Das ist eine Fundraisinginvestition, die sich erst noch beweisen muss.

NGO-Dialog: Sie gehen also ins Risiko?

Richtig, aber wir gehen davon aus, dass es ein Erfolg wird und dann werden wir uns auch für alle öffnen können. Etwa als eigener Verein wie in Österreich, oder wir bleiben wie bisher ideell unter dem Dach des Fundraisingverbandes.

NGO-Dialog: Es war schon überraschend, dass die Mehrheit der fünf Organisationen, bisher noch gar keine Fundraisingverbandsmitglieder sind, aber die Initiative unter dessen Dach stattfindet?

Nun, geben sie den Organisationen da doch ein wenig Zeit, Mitglied werden zu können, das ist ja auch erst seit Kurzem möglich. Also ich persönlich bin Mitglied im deutschen Verband und finde das als Fundraiserin völlig richtig, dass wir eine solche Initiative natürlich unter dem Sprachrohr des Verbandes anfangen aufzubauen. Das ist doch eigentlich selbstverständlich.

NGO-Dialog: Welche Aktie hatte der Verband denn am Zustandekommen?

Ursprünglich hatten wir gehofft, dass die Geschäftsstelle gegen Bezahlung einen Teil der Arbeit übernehmen könnte. Mit dem Weggang des Geschäftsführers war aber plötzlich niemand mehr zuständig und wir haben uns gefragt: Machen wir uns davon abhängig? Doch dann haben wir entscheiden, wenn wir fünf Organisationen sind, starten wir. Wir wären gern noch mehr gewesen, und deshalb haben wir uns dann auch gefreut, dass doch wieder Interesse von Verbandsseite signalisiert wurde. Aber es war klar, es wird sich nur um eine ideelle Unterstützung handeln können, weil der Verband selbst kein Geld dafür hat und auch personell zurzeit nicht helfen kann.

NGO-Dialog: Erhoffen Sie sich denn mehr Menschen, die ihr „gutes Erbe“ weitergeben und wie wollen Sie ihnen das näher bringen?

Absolut! Wichtig war uns, erstmal ein Informationsangebot im Internet zu haben, damit Interessierte juristische Informationen abrufen können oder über telefonischen Kontakt entweder mit unabhängigen Juristen sprechen oder mit den Organisationen direkt Kontakt aufnehmen können. Wir wollen noch Radio-Spots schalten, Plakate sind leider zu teuer, das werden wir uns am Anfang sicher noch nicht leisten. Natürlich gibt es auch Pressearbeit und Informationspakete für Journalisten. Je größer die Initiative wird, um so mehr Budget haben wir zur Verfügung. Dann können wir auch vielmehr auf das Anliegen aufmerksam machen.

NGO-Dialog: Wollen Sie dem Erbe ein neues Gesicht geben?

Wäre schön, denn die negative Tonalität bei dem Thema hilft niemandem. Das ist auch nicht mehr zeitgemäß. Vererben hat etwas mit Verantwortung übernehmen zu tun und man muss den Menschen sagen: Du hast Gestaltungsmöglichkeiten mit deinem Testament. Das ist von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse und hilft, das Thema aus der Tabuecke herauszuholen. Und das ist überfällig, ich bin so froh, dass die Initiative jetzt doch noch zum Tag des Testaments am 13. September zustande gekommen ist. Es hat ja auch etwas Schönes, der nächsten Generation etwas zu hinterlassen und Werte mitzugeben. Wir wollen die Menschen darauf aufmerksam machen. Sie sollen sagen „Ja ich kann mir vorstellen einen guten Zweck in mein Testament aufzunehmen“.

NGO-Dialog: Sie führen seit Jahren die Umweltstiftung von Greenpeace als Vorstand. Welche Erfahrungen machen Sie dort mit ihren Stiftern?

Bei uns wird man ja schon mit 2.500 Euro Zustifter. Wir sind aktuell 411 Stifter, aber es ist eine andere Form des Engagements. Der Kontakt ist persönlicher und hat ein wenig den Charakter eines Clubs. Sie müssen also nicht „Schlauchboot fahren“, sondern besuchen Projekte der Stiftung wie zum Beispiel die Arche Wader, das Zentrum für alte Haustierrassen oder es gibt Vorträge. Oft ist eine Zustiftung nicht das alleinige finanzielle Engagement. Wer Stifter ist, kündigt nicht seinen Spendenbeitrag bei Greenpeace e. V. Im Gegenteil, die emotionale Bindung an Greenpeace nimmt zu.

NGO-Dialog: Greenpeace hat ein junges hippes Image. Wie passen da Leute über 60 dazu?

Nun Greenpeace ist mit seinen Spendern auch älter geworden. Der Anteil der über 60-jährigen Unterstützer liegt immerhin schon bei 25 Prozent. Wir Fundraiser müssen da schon für Nachwuchs sorgen. Die Stifterinnen und Stifter der Umweltstiftung Greenpeace sind sehr bodenständige Leute – nicht die Schickeria – das würde auch nicht passen. Es ist eher der Bildungsmittelstand oder Menschen, die sich das Geld für eine Zustiftung zusammengespart haben. Die Stiftung hat auch ein anderes Images als der Verein. Ich sage immer: Die Umweltstiftung ist das entschleunigte Greenpeace. So laufen auch die Stiftungsprojekte immer länger als die klassischen Kampagnen bei Greenpeace, aber die Themen sollen sich natürlich ergänzen. Das ist die Idee der Stiftung.

NGO-Dialog: Wie sehen Sie generell die Entwicklung des Großspenden-Fundraisings in Deutschland?

Meine subjektive Wahrnehmung ist, dass eine Professionalisierung stattfindet, auch durch die Ausbildungsmöglichkeiten zum Beispiel der Fundraising-Akademie mit dem Advisor Philanthropie. Was mir aber besonders auffiel, waren die vielen Stellen, die in den letzten drei Jahren rund um dieses Thema ausgeschrieben wurden. Es werden auch immer noch reichlich Fachkräfte gesucht. Ich sehe es auch im eigenen Haus. Das hat zwar lange gedauert, bis die Entscheidungsträger akzeptiert haben, dass die individuelle Betreuung von Spendern personalaufwendig ist - aber es geht nicht anders. Sie brauchen jemanden, der den individuellen Kontakt hält, der einlädt, besondere Förderangebote macht, die Spender besucht und persönlich mit ihnen spricht. Das klappt nur, wenn ich jemanden habe, der nichts anderes macht.

NGO-Dialog: Was empfehlen Sie denn den jungen angehenden Großspendenfundraisern? Wie sollten sie sich an ihre Spender heranwagen?

Sie sollten keine Angst vorm Spender haben. Der Erfolg liegt im persönlichen Gespräch und das ist sehr bereichernd. Man sollte auch jemand sein, der Spaß daran hat, über Lebensgeschichten etwas zu erfahren. Es ist auch viel Reisetätigkeit, und man sollte fit bei Recherchen im Internet und mit der eigenen Datenbank sein. Denn die wahren Perlen findet man immer noch dort. Da hat man gut zu tun.

NGO-Dialog: Sie sagen also man muss auch neugierig auf den Anderen sein. Wie ist das mit der eigenen Persönlichkeit? Wie wichtig ist die für den Spender?

Man darf sich nicht verbiegen lassen und muss sich treu bleiben, um authentisch zu sein. Wichtig finde ich auch, dass man genau schaut, was ist das Besondere an meiner Organisation, wodurch unterscheidet sie sich? Es gibt klare Unterschiede und da herum muss man seine Strategie bauen und gute Argumente liefern. Aber natürlich hilft es, wenn man selbst etwas zu erzählen hat und interessant ist, vielleicht tolle Hobbys hat, weit gereist oder belesen ist. Ich bin ja gerne eine Quasselstrippe und muss immer aufpassen, dass ich nicht zu viel selbst rede. Viel wichtiger ist das Anliegen meines Gegenübers. Als Großspendenfundraiserin müssen sie vor allem gut zuhören können, weil der Spender sich mitteilen will. Da heißt es, mit Feingefühl die richtige Balance finden.

NGO-Dialog: Sie haben selber am Advisor Philantrophie der Akademie teilgenommen. Was haben Sie mitgenommen?

Was ich spannend fand, war der Perspektivwechsel, den man dort vollziehen konnte, weil man mit engagierten Stiftern, Vertretern von Banken oder selbstständigen Beratern und Vertretern gemeinnütziger Organisationen in Kontakt und Austausch stand. Es war sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen der Teilnehmer war. Obwohl ich schon so lange dabei bin, war das Angebot an Themen und Informationen sehr umfangreich und spannend. Es gab intensive Projektarbeit, klasse Referenten bei einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, aber vor allem gab es mir den Luxus, drei mal drei Tage nur an diesem Thema zu arbeiten und mich um nichts anderes kümmern zu müssen. Toll.

 

(Foto: privat)

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