INTERVIEW

So nutzen sie Crowdfunding für Ihre Projekte

Jörg Eisfeld-ReschkeDie Finanzierung von Projekten durch eine anonyme Masse von Internetnutzern, wird bisher überwiegend von Künstlern und Startups genutzt, die mithilfe zahlreicher Unterstützer spannende Projekte auf den Weg bringen. In Deutschland sind seit Oktober 2010 Plattformen wie Startnext.de, Inkubato.com, Mysherpas.de und Pling.de angetreten, um die hiesige Förder- und Vereinslandschaft in das Crowdfunding mit einzubinden. Über die Möglichkeiten dieses in Deutschland noch recht unbekannten Finanzierungs-Tools sprachen wir mit Jörg Eisfeld-Reschke, Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) und Autor der kürzlich erschienenen ersten Crowdfunding-Studie in Deutschland.

NGO-Dialog: Herr Eisfeld-Reschke, Ihr Institut ikosom hat im Juni dieses Jahres eine erste Studie zum Thema Crowdfunding in Deutschland veröffentlicht, mit erstaunlichem Ergebnis. Gut die Hälfte der eingestellten Projekte konnte erfolgreich finanziert werden, die durchschnittliche Summe pro Unterstützer beträgt 79€. Das liegt über den 68€ pro Unterstützer, die durchschnittlich mit klassischem Fundraising erreicht werden. Ist Crowdfundig ein Finanzierungsmodell mit Zukunft, auch für gemeinnützige Projekte?

Gerade im gemeinnützigen Bereich scheint Crowdfunding auf den ersten Blick eher unattraktiv zu sein. Denn, was ja die Schwarmfinanzierung grundsätzlich ausmacht, ist das Prinzip der Gegenseitigkeit. Das heißt, der Unterstützer gibt einen finanziellen Beitrag, um ein Projekt gemeinsam mit vielen anderen Unterstützern zu ermöglichen und erhält dafür eine Gegenleistung, eine Prämie. Wenn es aber eine Gegenleistung gibt, dann ist der finanzielle Beitrag im strengen Sinne keine Spende mehr, sondern ein Kaufgeschäft, bei dem Mehrwertsteuer anfällt. Betrachtet man jedoch, dass die durchschnittliche Unterstützung bei 79 € oder sogar darüber liegt, dann ist das über der durchschnittlichen Spendenhöhe, die wir sonst im Online-Bereich kennen. Damit steht fest: mit Crowdfunding lassen sich mehr Spenden erzielen, als über klassisches Online-Fundraising und Spendenformulare im Internet. Was Crowdfunding für den gemeinnützigen Bereich besonders attraktiv macht, ist, dass sich so auch neue Zielgruppen erschließen lassen. Gerade die Unterstützer, die stärker involviert werden und teilhaben wollen an dem Projekt und die gern etwas für ihren Beitrag zurückbekommen, werden hier verstärkt angesprochen.

NGO-Dialog: Unter den erfolgreich finanzierten Projekten befinden sich bisher überwiegend solche aus den Bereichen Kunst und Kultur. Hängt das damit zusammen, dass dieses junge Finanzierungs-Tool in der Musikbranche „geboren wurde“ oder gibt es mehr oder weniger geeignete Projektkategorien?

Ich glaube momentan gibt es zwei Gründe dafür, dass Kunst und Kultur auf den Plattformen dominieren. Zum einen kommen die Macher der ersten deutschen Crowdfunding-Plattformen vor allem aus dem Kulturbereich und haben dementsprechend zunächst ihr eigenes Netzwerk aktiviert, zum anderen ist es aber auch so, dass gerade im Kulturbereich die staatliche Finanzierung immer mehr und spürbar zurückgefahren wird. Für Künstler wie z.B. Filmemacher oder Musiker besteht also ein enormer Handlungsdruck, die Finanzierung ihrer Projekte selbst in die Hand zu nehmen. Ich denke aber, dass Crowdfunding als Finanzierungsmechanismus für alle Projekte in Frage kommt, die Menschen begeistern können. Aber die „First Mover“ und „Early Adopter“, diejenigen Menschen also, die tatsächlich zuerst etwas Neues ausprobieren, sind eben überwiegend Filmleute, Musiker oder Organisatoren von kulturellen Veranstaltungen. Es gibt allerdings schon erste Buchprojekte und Unternehmensgründungen, die erfolgreich über Crowdfunding finanziert wurden. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass es sich meistens um Einzelpersonen oder um kleine Gruppen von Menschen handelt. Die sind naturgegeben etwas schneller und flexibler als es viele gemeinnützige Organisationen sein können.

NGO-Dialog: Welche Kriterien sollte ein Projekt erfüllen, wenn es auf einer Crowfunding-Plattform erfolgreich sein will?

Damit ein Projekt für Crowdfunding geeignet ist, muss es sich um ein neues und noch nicht abgeschlossenes Projekt handeln. Eine Strukturfinanzierung z.B. wird darüber nicht abzuwickeln sein. Und es müssen attraktive Prämien und Gegenleistungen angeboten werden, also die Frage geklärt werden: Was sollen die Unterstützer als Gegenleistung bekommen? Bei einem Musik-Album oder einem Hörspiel ist das relativ einfach, da kann es sich z.B. um ein Exemplar einer CD oder eine Gastsprechrolle handeln. Bei sozialen Projekten muss man eine kreative Herangehensweise entwickeln und überlegen, was sich als Gegenleistung eignen könnte. Und allen Organisatoren muss eines klar sein: es reicht nicht, lediglich ein Projekt auf einer Plattform einzustellen und nach 90 Tagen in der Hoffnung wiederzukommen, dass es finanziert ist. Das Projekt stetig kommunizieren, auf Fragen eingehen, die die Unterstützer stellen und Austauschmöglichkeiten schaffen, damit die Menschen das Projekt über soziale Netzwerke weiter verbreiten, das sind die Herausforderungen beim Crowdfunding. Das Crowdfunding-Projekt muss optimal in den Social Media-Auftritt eingebunden sein und der Auftritt sollte persönlich und authentisch sein.

NGO-Dialog: Welche Überlegungen sollte man anstellen, bevor ein Projekt auf einer Crowdfunding-Plattform eingestellt wird? Welche Instrumente sind geeignet, um das Projekt in der Öffentlichkeit bekannt zu machen?

Bevor ein Projekt eingestellt wird, sind zuallererst Überlegungen im konzeptionellen Bereich nötig. Das angestrebte Finanzvolumen sollte transparent dargestellt und überzeugend begründet werden. Die Unterstützer erwarten an dieser Stelle eine ordentliche Portion Offenheit von dem Projektinitiator. Besonders viel Fingerspitzengefühl ist bei der Entscheidung über das Finanzierungsvolumen und die Länge des Finanzierungszeitraumes gefragt. Manche Plattformen geben von sich aus schon vor, dass ein Projekt z.B. innerhalb von max. 90 Tagen zu finanzieren ist. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir es beim Crowdfunding mit dem „Alles oder Nichts“-Prinzip zu tun haben. Entweder wird also die Zielsumme im festgelegten Zeitraum erreicht oder das ganze Geld fließt zurück an die jeweiligen Unterstützer. Und das ist das Ehrliche und Transparente am Crowdfunding: es wird genau das Geld gesammelt, das nötig ist, um das Projekt auf die Beine zu stellen. Kommt die Finanzierung nicht zustande, so wird auch das Projekt nicht umgesetzt. Oder anders gesagt: hätte das Projekt auch mit 80% des Budgets umgesetzt werden können, dann war die Kostenplanung vielleicht doch nicht ganz so transparent oder ehrlich. Durch die Offenheit und Transparenz entsteht ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Projektinitiatoren und den Unterstützern.
Was die Kommunikation anbelangt, so ist es besonders wichtig, das angestrebte Ende des Finanzierungszeitraumes bekannt zu machen. Denn die Dramatik steigt natürlich zum Ende hin. Wenn eine Woche vor Ende des Finanzierungszeitraumes 80% geschafft sind, kann man davon ausgehen, dass mit Hilfe der Unterstützer die letzten 20% auch noch erreicht werden. Diese Dramatik sollte man von Anfang an einplanen und während des gesamten Finanzierungszeitraumes immer wieder kommunizieren. Nimmermüde sollte man darauf hinweisen, was mit den bisherigen Unterstützern schon umgesetzt werden konnte. Denn so bietet man potentiellen Unterstützern einen Anreiz, das Projekt ebenfalls zu unterstützen. Der Schlüsselfaktor für die Kommunikation ist die Wirkung der Unterstützer als Multiplikatoren. Diese können in ihrem Freundeskreis viele andere Menschen erreichen und für die Sache begeistern.

NGO-Dialog: Sie haben auch die Betreuung durch die Plattformbetreiber evaluiert. Für viele der Befragten ist das persönliche Kennenlernen und Sympathie für die Betreiber ausschlaggebend. In welchen Punkten unterscheiden sich die Plattformen denn außerdem voneinander? Worauf sollte man bei der Wahl der Plattform achten?

Wir haben ja im Rahmen unserer Studie sechs Plattformen untersucht, mittlerweile sind noch weitere dazu gekommen, die im April noch nicht online waren. Grundsätzlich ähneln sich die Plattformen natürlich sehr. Aber gerade innerhalb der letzten Monate konnten wir eine Spezialisierung der Crowdfunding-Plattformen beobachten. So wird z.B. sellaband.com nur von Musikern und seedmatch.de nur für Unternehmensgründungen genutzt.
Was jedoch die Funktionalität angeht, so unterscheiden sich die Plattformen teilweise z.B. in den Zahlungsoptionen. Wenn eine gemeinnützige Organisation bereits Erfahrungen im Online-Fundraising hat und weiß, welche Zahlungsform die eigenen Unterstützer bevorzugen, dann sollte das definitiv ein Entscheidungsfaktor sein. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind die Höhe der Provision oder auch regionale Schwerpunkte. Es gibt z.B. Plattformen, die zunächst nur in einer Stadt oder in einem Bundesland benutzt wurden. Die Betreuung der Plattform ist insofern von Bedeutung, als dass natürlich auch hier das „Friendraising“ ansetzen sollte. Hat man „einen guten Draht“ zum Plattform-Betreiber entwickelt, wird dieser vielleicht das Projekt prominent auf der Einstiegsseite platzieren. Es lohnt sich also, den persönlichen Kontakt zu den Plattformbetreibern zu suchen. Wer noch unsicher ist, welche Plattform die richtige sein könnte, sollte einfach mal ein bisschen auf den unterschiedlichen Plattformen rumstöbern und schauen, was da aktuell für Projekte eingestellt sind und ob das Umfeld zu dem Projekt, dass man selbst einstellen möchte, passt.

NGO-Dialog: Welche Rolle könnte Crowdfunding bei der Finanzierung gemeinnütziger Projekte zukünftig spielen?

Crowdfunding ist eines von mehreren Online-Tools, die man gut miteinander verknüpfen kann. Sie alle funktionieren nach dem Prinzip: „Viele Menschen geben wenig“. Gemeint ist damit, dass wir es - mit Blick auf die Spendenpyramide - mit vielen Interessenten zu tun haben, von denen die meisten bei einer Kleinspende bleiben. Dennoch glaube ich, dass Crowdfunding im Finanzierungsmix eine wichtige Funktion einnehmen wird. Denn mit diesem Fundraising-Tool lassen sich Erstspender binden, die dann an höhere Zahlungsbeträge herangeführt werden können. Wenn das gelingt, so ist das ein wichtiger Schritt, um das Online-Fundraising in Deutschland erfolgreich zu professionalisieren und zu institutionalisieren.
Wichtig ist, dass das Projekt überzeugt und die Prämien attraktiv sind, denn so lassen sich Menschen für das Crowdfunding begeistern und werden zu Unterstützern. 

Herr Eisfeld-Reschke, wir bedanken uns herzlich für das interessante Gespräch.

Jörg Eisfeld-Reschke, Autor der „Crowdfunding-Studie 2010/2011“ und des Handbuches „Crowdfunding“, Experte für Sozialmarketing und soziale Medien und Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom). Mit den Themen Crowdfunding und Social Payments beschäftigen sich die Experten von ikosom seit 2009. An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg lehrt Jörg Eisfeld-Reschke Strategisches Fundraising-Management. Am 14. Juni 2011 veröffentlichte ikosom die erste umfassende Crowdfunding-Studie in Deutschland.

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