INTERVIEW

Fundraising braucht gute Geschichten

Pfarrer Enno Haaks
Pfarrer Enno Haaks

Traditionen verpflichten. So auch beim Gustav-Adolf-Werk in Leipzig. Matthias Daberstiel sprach mit dem Generalsekretär Pfarrer Enno Haaks über die Arbeit für das älteste evangelische Hilfswerk in Deutschland, das weltweit evangelische Partnerkirchen in der Diaspora mit Spenden unterstützt.


NGO-Dialog:
Was ist eigentlich das Gustaf-Adolf-Werk und warum sitzt es in Leipzig?

Enno Haaks: Das Gustaf-Adolf-Werk ist das älteste Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gegründet wurde es 1832 in Leipzig von einem begnadeten Fundraiser, dem damaligen Superintendent Großmann aus der Thomaskirche. Er hatte die Idee, evangelische Minderheiten in Gesellschaften, die mehrheitlich anderen Glaubens sind, zu stärken und sie nicht zu vergessen. Damals war das übrigens nur vereinsrechtlich möglich, weil ja der König für den Haushalt der Kirche sorgte und man Dinge, die darüber hinausgingen, ehrenamtlich organisieren musste.


NGO-Dialog: Und warum Leipzig?

Enno Haaks: Nun, das war ein kluger Schachzug. Denn man nutzte die Gedenkfeier zu Ehren des 1632 bei Lützen im 30-jährigen Krieg gefallenen Schwedenkönigs und Protestanten Gustaf Adolf des II., um ihm mit dem Gustaf-Adolf-Werk ein lebendes Denkmal des Friedens zu setzen und den evangelischen Kirchen zu helfen. Deshalb verstehen wir unsere Arbeit heute auch als Friedensarbeit.


NGO-Dialog: Wie und wo hilft das GAW?

Enno Haaks: Wir arbeiten aktuell in 40 Ländern für etwa 50 Partnerkirchen, die evangelisch-uniert, reformiert oder lutherisch sind und von Südamerika über Europa bis nach Zentralasien. Mittlerweile sind wir auch in Marokko mit einem Projekt, wo es um eine ökumenische theologische Ausbildungsstätte in einem muslimischen Land geht, übrigens vom König von Marokko mitinitiiert. In Ägypten für die koptische reformierte Kirche und auch im Libanon und Syrien sind wir aktiv.


NGO-Dialog: Was machen Sie dort konkret?

Enno Haaks: Wir unterhalten beispielsweise in Syrien viele evangelische Schulen, die für alle offen sind. Wir unterrichten da unter schwierigsten Bedingen bis zu 5.000 Kinder. Wir sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft, die in ethnischer und religiöser Vielfalt lebt und aufeinander angewiesen ist, dass so eine Gesellschaft friedlicher ist als eine, die absolut homogen ist.


NGO-Dialog: Wie werben Sie die Mittel für so viele Projekte ein?

Enno Haaks: Wir haben etwa 150 Projekte in einem Katalog und bitten um Unterstützung in den Gliedkirchen der EKD und darüber hinaus in unseren Partnerkirchen. Hier haben wir in jeder Landeskirche einen Gustav-Adolf-Verein, Frauengruppen und Stiftungen, die uns regional in Kirchengemeinden unterstützen und um Spenden bitten. Meist konkret für ausgewählte Projekte. Diese dezentrale Struktur hilft uns, in der Fläche präsent zu sein. Meistens ehrenamtlich, aber es gibt auch einige Vereine mit hauptamtlichen Strukturen.


NGO-Dialog: Das heißt, Sie machen eigentlich regionales Fundraising?

Enno Haaks: Richtig. Es ist auch wichtig, persönliche Kontakte von Kirchgemeinden in die Diaspora, also Gegenden mit evangelischen Minderheiten zu nutzen, um gezielt zu helfen, den Austausch zu pflegen und sie dabei zu unterstützen, in Deutschland bekannter zu werden. Gute Verbindungen in die Landeskirchen sind dabei sehr nützlich.


NGO-Dialog: Wird denn das GAW dann in der Außenwirkung nicht eher missionierend wahrgenommen?

Enno Haaks: Nein, das glaube ich nicht. Es wird sicher wahrgenommen, dass wir an der Seite evangelischer Christen stehen, aber wir haben keinen Missionsauftrag in dem Sinne. Wir unterstützen die Mission unserer Partnerkirchen weltweit, und die besteht nicht darin, dass alle evangelisch sein sollen, sondern darin, dass evangelische Christen ihre Verantwortung für die Gesellschaft sehen, in der sie leben. Und das geht am besten durch Diakonie und Bildung.


NGO-Dialog: Da bedeutet ja vielfältige internationale Kontakte. Wie machen Sie das?

Enno Haaks: Ich bin viel unterwegs auf Projektreisen. Im Oktober und November bin ich beispielsweise wieder in Lateinamerika, wo ich mir Projekte genau anschaue, um zu sehen wohin die Gelder fließen und wie man gezielt helfen kann. Wir laden aber auch nach Deutschland ein. Ich nutze auch die Gelegenheit, um die Geschichte hinter den Projekten zu erfahren. Denn auch für die Spenderinnen und Spender ist es wichtig, zu erfahren, was unter dem sanierten Kirchendach passiert. Das nutzen wir dann auch für unser Magazin, für Blogs und auch Social Media. Das ist ebenso eine gute Gelegenheit, um Minderheiten mehr Gehör und eine Stimme zu verschaffen.


NGO-Dialog:
Welche Herausforderungen sehen Sie im Fundraising für das GAW?

Enno Haaks: Die Anzahl christlicher Spender nimmt sicher nicht zu. Das macht uns schon Sorge. Ich bin sehr froh, dass wir unsere Spendensummen in den letzten Jahren noch steigern konnten. Verantwortlich waren dafür aber Themen, welche die Menschen bewegen. Zum Beispiel der Krieg in Syrien, und unser Auftrag, dort die Schulen zu erhalten. Das eignet sich nicht nur für christliche Spender, sondern auch für Menschen, die zur Kirche durchaus einen Abstand haben. Unseren Auftrag versuchen wir auch zeitgemäß zu interpretieren. Minderheitenschutz bedeutet ja auch Menschenrechtsarbeit. Für mich ist Religionsfreiheit Herzstück der Menschenrechte, denn daran hängen Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit und auch die Freiheit, sich für Gesellschaften engagieren zu können.


NGO-Dialog:
Das heißt, Sie nehmen Werte, die im christlichen Glauben stecken, auf und stellen sie mehr in den Vordergrund?

Enno Haaks: Genau so sehen wir das. Wir erhalten keine Gebäude, sondern das Leben darin. Da gibt es viel Gutes zu berichten.


NGO-Dialog:
Wie hoch sind Ihre Spenden im Jahr?

Enno Haaks: Momentan können wir etwa 2 bis 2,5 Millionen Euro im Jahr an Spenden ausgeben. Manchmal gibt es auch noch Zuschüsse für besondere Projekte, beispielsweise im Rahmen der aktuellen Migrationsbewegungen. Unsere Partnerkirchen sind ja alle vor Ort präsent, und deswegen haben wir auch Zugang zu den Menschen.


NGO-Dialog:
Was würde Sie denn bei Ihrer Arbeit in Deutschland unterstützen?

Enno Haaks: Ich würde mir natürlich wünschen, das sich noch mehr Menschen engagieren und sich auch getrauen, in Strukturen hineinzugehen. Denn ohne Strukturen funktioniert unsere Hilfe nicht. Wir versuchen, dafür Ehrenamtliche zu gewinnen, haben dafür zum Beispiel ein Freiwilligenprogramm, wo wir Jugendliche in Partnerkirchen weltweit schicken oder bieten Exkursionen für Theologiestudenten an. Deswegen sind auch die Kirchenstrukturen so wertvoll für uns. Aber wenn ein Pfarrer nicht weiß, was wir machen, kann er es auch nicht weitertragen. Deswegen müssen wir immer wieder daran arbeiten und versuchen Menschen für unsere Themen zu sensibilisieren. Und sie sind zu interessieren, wenn man gute Geschichten erzählen kann.

(Bild: Gustav-Adolf-Werk)

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