INTERVIEW

„Crowdfunding bedeutet einen ehrlichen Dialog zu führen.“

Stephan Popp
Stephan Popp

Crowdfunding boomte in den letzten Jahren. Viele Projekte sicherten sich so zumindest einen Teil der Finanzierung, einige spektakuläre Großprojekte sogar die Gesamtfinanzierung nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Wir sprachen mit dem Gründer von Crowdfunding Campus und Experten Stephan Popp über die aktuellen Trends.


NGO-Dialog:
 Crowdfunding boomt nicht mehr. Im letzten Jahr trat zum ersten Mal beim donation-based Crowdfunding eine Stagnation ein. Crowdlending und Crowdinvesting boomen dagegen weiter. Ist der Crowdfunding-Trend also schon vorbei?

Stephan Popp: Der Trend ist nicht vorbei, er ist dabei sich zu konsolidieren. Wie bei vielen Hypes gibt es eine Spitze, gefolgt von einer Normalisierung. Gerade in den ersten Jahren war das Interesse groß, wollte jeder Crowdfunding ausprobieren. Crowdfunding ist allerdings nicht für alle Vorhaben und Menschen geeignet. Dieses Bewusstsein hat sich mittlerweile entwickelt und verankert. Das tut auch dem Thema gut, denn auch wenn die Anzahl der Crowdfunding-Kampagnen stagniert, steigt die Qualität der Kampagnen.


NGO-Dialog: Wie sehen Sie die Zukunft für gemeinnützige Projekte, Crowdfundig in ihre Finanzierungsstrategien einzubinden?

Stephan Popp: Wir sehen eine positive Entwicklung für gemeinnützige Projekte, die Crowdfunding nachhaltig nutzen möchten. Nachhaltig bedeutet in dem Zusammenhang, dass das Thema Finanzierung nur ein Aspekt einer Crowdfunding-Kampagne ist. Community Aufbau, Marketing und der Proof of Concept sind Bestandteile, die das Thema für Initiatoren gesamtumfänglich spannend machen. Oft werde ich in Beratungsgesprächen nach dem Aufwand einer Crowdfunding-Kampagne gefragt. Meine Antwort ist seit sieben Jahren dieselbe: Wer ein Crowdfunding allein zur Generierung von Kapital durchführt, wird schnell feststellen, dass Aufwand und Nutzen in einem schwierigen Verhältnis zueinander stehen. Wer erkennt, dass er mit Crowdfunding nicht nur sein Projekt finanzieren kann, sondern aktiv mit seiner Community arbeitet und sie mobilisiert, wird langfristig erfolgreich sein.


NGO-Dialog: Was sollten Einsteiger ins Crowdfunding heute als Wichtigstes mitbringen und wissen?

Stephan Popp: Die Bereitschaft sich der Community zu öffnen und die Unterstützer Teil des eigenen Vorhabens werden zu lassen, ist ein sehr wichtiger Schritt. Viele haben Bedenken, dass sie ihr Projekt damit aus den Händen geben und viele Köche den Brei verderben. Crowdfunding bedeutet allerdings, einen ehrlichen Dialog mit der Community zu führen und die Intelligenz der Masse zu nutzen – um die Idee erfolgreich zu machen. Rückschläge und Probleme sollten genauso geteilt werden wie Erfolge, denn sie verstärken die Bindung zu den Fans. Es gibt mittlerweile glücklicherweise viele Beispiele aus erfolgreichen Kampagnen zu lernen und Fehler zu vermeiden.


NGO-Dialog: Welche Fehler sollte man besser vermeiden, was erleben Sie in der Praxis?

Stephan Popp: Die häufigsten Fehler sind schnell erklärt. Man kennt seine Zielgruppe nicht und achtet nicht auf ihre Bedürfnisse. Wer die Zielgruppe kennt, tut sich leichter bei der Kommunikation und kann seine Kampagnen entsprechend anpassenden.
Die richtige Auswahl der Crowdfunding-Plattform. Noch immer fällen viele Initiatoren die Entscheidung auf einer falschen Grundlage, zum Beispiel von Größe und Bekanntheit einer Plattform. Dabei sollten die Faktoren an anderer Stelle liegen und auch die Bedürfnisse der Zielgruppe abdecken. Ein Beispiel: Ist meine Zielgruppe deutsch, 60 Jahre alt und konservativ geprägt, sollte die Plattform ein entsprechendes Erscheinungsbild vorweisen, einfach in der Nutzung sein und den Bezahlweg Überweisungen anbieten. Eine Plattform, die nur Kreditkartenzahlung anbietet, würde ein Großteil der Zielgruppe nicht nutzen. Denn noch immer will ein Großteil der Deutschen via Überweisung zahlen.
Die laufende Betreuung der Kampagne. Einer der häufigsten Fehler liegt noch immer im fehlenden Bewusstsein, dass ein Crowdfunding kein Selbstläufer ist. Eine Idee kann noch so gut sein, wenn keiner davon erfährt, wird sie keine Unterstützung erfahren. Dass Menschen von einer Idee erfahren, liegt in den Händen der Initiatoren und nicht einer Crowdfunding-Plattform. Wer nicht kommuniziert, wird keinen Erfolg haben.
Die falschen Gegenleistungen. Genau wie bei den oben genannten Punkten muss man seine Zielgruppe kennen – und Gegenleistungen anbieten, die zur Idee und zur Community passen. Im Idealfall sind das Vorhaben, die Gegenleistungen und die Projektsumme aus einem Guss, das heißt für die Interessenten nachvollziehbar und Teil einer Geschichte.
Man ist nicht offen für Anpassungen. Wie ich eingangs erwähnte, gibt es genügend positive und negative Beispiele, um Fehler zu vermeiden. Wenn man Fehler macht, sollte man in der Lage sein, offen damit umzugehen. Je nach Erfahrung macht es darüber hinaus Sinn, sich vor einem Crowdfunding beraten zu lassen, und einzelne Elemente oder die gesamte Kampagne gegenchecken zu lassen – auf diese Weise können viele Stolpersteine vermieden werden.


NGO-Dialog: Im sozialen und kirchlichen Bereich wird das Thema Crowdfunding sehr kritisch gesehen. Viele halten es für schwierig auf den Ausgang einer Unterstützung für bedürftige Menschen zu wetten und setzen lieber auf Spenden. Verständlich?

Stephan Popp: Verständlich, aber nicht ganz korrekt: Die uns bekannten sozialen und kirchlichen Crowdfunding-Kampagnen setzen auf Spenden und auf Crowdfunding mit Gegenleistungen. Wie beim klassischen Fundraising entscheidet hier ein potenzieller Unterstützer frei und ohne Zwang, ob ein Vorhaben in seinen Augen sinnvoll ist – und kann es entsprechend unterstützen. Die Initiatoren wiederum erhalten die Gelegenheit, ihr Vorhaben oftmals einer größeren Gruppe vorzustellen und zu erläutern. Ein Crowdfunding ist daher keine Wette, sondern bietet die Chance, seine Gemeinde künftig noch mehr einzubinden.


NGO-Dialog: Wo sehen Sie die Stärken und die Zukunft im deutschen Crowdfunding?

Stephan Popp: Crowdfunding wird in Zukunft noch stärker dazu beitragen, dass Menschen mit einer Idee die Möglichkeit erhalten, diese zu verwirklichen. Dadurch, dass wir immer mehr Zeit im Internet verbringen, bietet sich die Chance, über Crowdfunding seine Unterstützer besser einzubinden. Crowdfunding ermöglicht uns, die Öffentlichkeit partizipativ in Vorhaben einzubinden und über die Notwendigkeit eines Projektes entscheiden zu lassen. Zusammen mit der Community können Ideen umgesetzt oder weiterentwickelt werden. Durch das öffentliche Interesse erhalten Projekte ein stabileres und von vielen Seiten getragenes Fundament. In der Zukunft wird das Bewusstsein wachsen, dass Crowdfunding ein ergänzendes und kein ersetzendes Finanzierungsinstrument darstellt. Abseits der Kapitalisierung eines Projektes werden die anderen positiven Bestandteile eines Crowdfunding an Gewicht gewinnen und stärker genutzt werden.

(Bild: privat)

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