INTERVIEW

„Ein Tag für das Geben. Mitmachen lohnt sich!“

Björn Lampe
Björn Lampe

betterplace.org ist eine der größten deutschen Spendenplattformen. Jetzt startet sie ein neues Projekt. Gemeinsam mit 60 Ländern weltweit soll es nun auch in Deutschland einen #GivingTuesday geben – einen Tag für das Geben. Wir sprachen mit Björn Lampe, Vorstand der gut.org gAG, der Betreiberin von betterplace.org, über Online-Fundraising und eine bessere Aufmerksamkeit für das Thema Spenden.

NGO-Dialog: betterplace.org kennen mittlerweile sicher viele Organisationen. Wie sehen Sie selbst die Entwicklung Ihrer Spendenplattform?

Björn Lampe: betterplace.org ist jetzt im achten Jahr und wir sehen besonders in den letzten zwei bis drei Jahren eine deutliche Steigerung. Wir wachsen, was das Spendenaufkommen betrifft, um etwa 50 Prozent zum jeweiligen Vorjahr. Und auch die Zahl der Projekte, die sich bei uns registrieren möchten, ist stark gestiegen. Aktuell sind es etwa 1.000 Projekte pro Monat. Da ist sehr viel Bewegung drin. Wir nehmen da jetzt wahr, dass das Thema Online-Fundraising so langsam in der breiteren Öffentlichkeit und insbesondere in den kleineren NGOs ankommt, die merken, dass sie von diesem Trend profitieren können.

NGO-Dialog: Die größeren NGOs haben strategisch wohl eher die Entscheidung getroffen sich auf das Online-Fundraising über die eigene Website zu konzentrieren, weil man so auch die Spenderdaten erhält. Ein Fehler?

Björn Lampe: Nun, viele große NGOs wie das Deutsche Rote Kreuz, Aktion Deutschland hilft, action medeor, Care oder Oxfam nutzen betterplace.org als einen ihrer Online-Spendenkanäle sehr erfolgreich. Was das Thema Datenweitergabe betrifft, so überlassen wir das grundsätzlich dem Spender und sehen uns da auch im Einklang mit dem Datenschutzgesetz. Das heißt, der Spender entscheidet per Opt-in, ob er seine Daten weitergeben will.

NGO-Dialog: Gerade junge Spender scheinen zu sagen: „Wir spenden, aber dann ist auch gut.“ Merken Sie das auch bei Ihren Online-Spendern?

Björn Lampe: Es ist grundsätzlich so, dass die Leute vorsichtig sind, was mit ihren Daten passiert. Es wird schon häufig an uns herangetragen, dass die Sorge besteht, dass sie mit Werbebotschaften von NGOs überschwemmt werden, wenn sie zugestimmt haben, ihre Daten freizugeben. Gleichzeitig hören wir aber auch, dass die Spender das Bedürfnis haben zu erfahren, was mit ihrer Spende passiert. Der Weg liegt offenbar dazwischen: Den Spender nicht zu nerven und gut zu informieren. Deshalb kann der Spender bei betterplace.org anonym spenden oder namentlich mit Foto und Kommentar zum Projekt. Das ist ein praktikabler Weg.

NGO-Dialog: Weshalb feiern bei Ihnen gerade kleinere Organisationen Erfolge, die größere sogar staunen lassen? Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?

Björn Lampe: Ich glaube, dass kleinere Organisationen manchmal den Vorteil haben, dass eine Themen-Nische oder vielmehr die sehr regionale Bezugsgruppe ihnen andere Ansprachen ermöglichen, die größeren Organisationen verwehrt bleiben. Dadurch, dass diese kleinen in einer Gemeinde oder ihrem Kiez wirken, gelingt es ihnen im Verbund mit regionaler Presseberichterstattung oder Werbung im Print-Newsletter, auch online erfolgreich zu werden. Einen Weg, den die meisten vorher noch gar nicht gegangen sind, weil sie dachten, ihre Zielgruppe sei zu alt. Wenn sie es aber ausprobieren, sind sie zumeist ganz überrascht, dass auch ihre Zielgruppe im Netz unterwegs ist und sich freut, unkompliziert zu spenden.

NGO-Dialog: Die geringen mobilen Zahlungsmöglichkeiten scheinen das Online-Fundraising aber auszubremsen, oder wie sehen Sie das?

Björn Lampe: Also, es ist sicherlich noch ein Stolperstein. Bei betterplace.org erfolgen immerhin schon 40 Prozent der Zugriffe über mobile Endgeräte. Deshalb haben wir auch alle Webseiten auf responsives Design umgestellt. Was die E-Commerce oder Conversion-Quote angeht, also die tatsächliche Spende und nicht nur der Zugriff, liegt das mobile Spenden noch deutlich hinter dem Spenden per PC zurück. Das hat sicherlich auch mit den mobilen Zahlungsmöglichkeiten zu tun. Ich selber habe auch keine Lust, eine IBAN oder Kreditkartennummer ins Handy zu tippen. Das ist wahnsinnig umständlich. Ich glaube aber, dass in Zukunft Zahlungsmethoden kommen, die das erleichtern, etwa indem man die Amazon- oder Paypal-App einrichtet, die per Fingerabdruck-Scan eine Zahlung auslösen kann. Wenn wir dahin kommen, dass dies von Banken und Payment-Anbietern angeboten wird, wird sich die Rate der mobilen Spenden schnell erhöhen.

NGO-Dialog: Fehlt es auch an Vertrauen?

Björn Lampe: Sicher, viele Menschen glauben, dass der Rechner zu Hause unangreifbar ist als etwa das Smartphone. Ob das so ist, sei dahingestellt, aber es ist ein Thema. Trotzdem ist es einfach nicht wahr, dass die Menschen überhaupt nicht mobil spenden.

NGO-Dialog: Und da betterplace.org ja scheinbar nicht so viel zu tun hat, veranstalten Sie jetzt auch noch den #GivingTuesday am 1. Dezember 2015.

Björn Lampe: Richtig! Nein, Scherz beiseite. Natürlich haben wir mitbekommen, wie gut das Konzept des #GivingTuesday weltweit funktioniert und fanden es richtig, diese Idee nach Deutschland zu holen. Wer internationale Freunde hat, wird das selbst schon erlebt haben, wie an dem Tag massenhaft Spendenaufrufe und gute Taten im Netz geteilt werden.

NGO-Dialog: Was steckt genau dahinter?

Björn Lampe: Generell ist der #GivingTuesday eine Idee, die einen Gegenpol zu den konsumstarken Tagen davor, dem „Cyber Monday“ und dem „Black Friday“, bilden soll. Das sind Tage, an denen gerade in den USA der Handel mit Konsumgütern – offline und online – mit Sonderangeboten das Weihnachtsgeschäft anheizt. Das gibt es so in Deutschland noch nicht. Wir glauben aber, dass ein globaler Tag des Gebens, der nicht nur auf Geldspenden, sondern auch auf Sachspenden, ehrenamtliche Tätigkeit, Hilfe und gute Taten setzt, etwas ist, das den Fokus darauf lenkt, dass wir alle gemeinsam Gutes über die verschiedensten Wege tun können.

NGO-Dialog: Wie kann man sich einbringen?

Björn Lampe: betterplace.org ist nur der Initiator. Die Idee ist, dass jede NGO und jede Privatperson an dem Tag eine besondere Aktion starten kann. Das kann eine Spendenbitte sein, eine Kooperation mit einem Unternehmen oder eine Aktion in der Fußgängerzone, um Menschen für das Geben zu begeistern und damit zu konfrontieren.

NGO-Dialog: Was tut die Website givingtuesday.de für die registrierten Nutzer? Warum sollte ich mich als Verein beteiligen?

Björn Lampe: Wir versuchen mit der Website erstmal Ideen zu sammeln und weiterzugeben, Material und Schulungen zur Verfügung zu stellen, wie man den Tag sinnvoll nutzen kann, um erfolgreich zu sein. Außerdem bemühen wir uns, gerade Partner aus Medien, Wirtschaft und auch aus der Politik für das Konzept zu begeistern, um an diesem Tag viel Aufmerksamkeit für das Thema zu bekommen. Es sollen viele Medien berichten und es soll auch viel im Netz los sein, damit möglichst viele Menschen davon erfahren, dass dieser Tag etwas Besonderes ist, an dem jeder etwas geben kann.

NGO-Dialog: In Deutschland ist man ja immer schnell dabei, gleich einen Feiertag aus so etwas zu machen. Gut oder schlecht?

Björn Lampe: Also ich habe nichts gegen Feiern. Aber ich fände es trotzdem nicht gut. Der Charme besteht ja gerade darin, an einem ganz normalen Tag etwas zu geben. Deshalb wünsche ich mir natürlich auch, dass Unternehmen mitmachen, indem sie Mitarbeiter motivieren, ehrenamtlich soziale Einrichtungen zu unterstützen oder dass der Coffeeshop um die Ecke die ersten 20 Kaffees, die er ausschenkt, gratis oder für einen guten Zweck abgibt. Es ist ein normaler Tag, in den man das Geben ganz normal integriert.

NGO-Dialog: Es geht also darum, uneigennützig zu geben.

Björn Lampe: Genau, und das ist die Chance für soziale Organisationen hier öffentlich zu zeigen, dass es gut ist, sich mit diesem Gedanken zu befassen – eine Chance gerade für lokale Initiativen, aktiv mit einem bundesweiten Thema auf sich aufmerksam zu machen. #GivingTuesday gibt es jetzt in über 60 Ländern, und da kann man sehen, dass dieser Tag zu einem extremen Fokus auf das Thema Geben und zu einem massiven Wachstum von Spenden geführt hat. Mitmachen lohnt sich!

(Bild: betterplace.org)

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