INTERVIEW

Zukünftig gefragt: Fundraising-Profis für kirchliche Stiftungen

Ingrid AlkenDer demografische Wandel macht sich in Deutschlands Kirchen bemerkbar. Die Folgen: immer weniger Mitglieder und sinkenden Einnahmen aus der Kirchensteuer. Um ihre gute und wichtige Arbeit - mit den Menschen und für die Menschen - in vollem Umfang fortsetzen zu können, brauchen viele Kirchengemeinden neue Finanzierungsmöglichkeiten und das Know-how professionell ausgebildeter Mitarbeiter. Deshalb bietet die Fundraising Akademie den neuen Ausbildungsgang „Stiftungsmanager in Kirche, Diakonie und Caritas“ an. Ingrid Alken, die als Referentin der Fundraising Akademie unter anderem für die Servicestelle Fundraising und Stiftungswesen verantwortlich ist, gab uns einen Ausblick auf den 12-tägigen Kompaktkurs, der im Oktober 2012 startet.

NGO-Dialog: Frau Alken, wieso brauchen wir einen eigenen Ausbildungsgang zum Stiftungsmanager? Inwiefern unterscheidet sich die Tätigkeit eines Stiftungsmanagers von der des Fundraisers?

Stiftungen benötigen zur dauerhaften Erfüllung ihrer Zwecke immer ein erhebliches Kapital, das in seinem Wert erhalten bleibt. Nach einer kürzlich geführten EKD-Umfrage verfügen 60% der kirchlichen Stiftungen über ein Vermögen unter 250.000 €. Man kann sich ausrechnen, was damit für Erträge erzielt werden. Das bedeutet aber auch, es können nur geringe Mittel in Projekte oder zu den Destinatären fließen. Meist ist es so, dass die formulierten Zwecke höhere Mittel erfordern. Es liegt auf der Hand, dass diese Stiftungen Fundraising brauchen – aber nicht nur das. Jede Stiftung muss ja auch ihre eigene Strahlkraft entwickeln und gerade bei kleinen Stiftungen mangelt es oft an Zeit, Kraft und auch an dem nötigen Know-how. Die meisten kirchlichen Stiftungen werden von ehrenamtlichen Gremien geleitet, die häufig nicht über die nötigen Kompetenzen und Ressourcen verfügen, um die Stiftung weiterzuentwickeln. Zur Aufstockung des Stiftungskapitals müssten Fundraising-Konzepte entwickelt werden. Daneben bräuchte ein Stiftungsmanager aber auch Kenntnisse in den Bereichen Finanzanlagen, und Vermögens-Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Mit Recht- und Steuerfragen sollte er ebenfalls vertraut sein. Ehrenamtliche Leitungsgremien von Stiftungen wollen wohltätig sein und müssen gleichzeitig unternehmerisch handeln. Das ist für manche Stiftung eine echte Herausforderung. Gerade im kirchlichen Bereich, wo die meisten Stiftungen klein sind.

NGO-Dialog: Welche Schwerpunkte setzen Sie bei dieser Ausbildung? Muss man schon ausgebildeter Fundraiser sein, um von der Ausbildung zu profitieren?

In der Ausbildung zum Stiftungsmanager vermitteln wir Wissen sowohl zum Fundraising als auch aus den Bereichen Finanz- und Vermögensverwaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Das Besondere an unserem Ausbildungsgang ist, dass er sich insbesondere an kleine bis mittlere kirchliche Stiftungen wendet, an deren Probleme und Möglichkeiten er angepasst ist. Ein anderer wichtiger Schwerpunkt ist die Praxisorientierung des Ausbildungsganges. In den Kursblöcken wird der Lebenslauf einer Stiftung widergespiegelt. Es werden Fragen beantwortet, wie: Was ist vor Gründung einer Stiftung zu bedenken? Wie kann die Zielfindung gelingen? Wie kann die Stiftung erfolgreich positioniert werden? Wie erfolgt eine angemessene und transparente Rechnungslegung? Wie können Zustifter gewonnen werden? Es wird vermittelt, wie ein Vermögen ertragreich, sicher und ethisch einwandfrei anzulegen ist. Alle vermittelten Methoden können die Teilnehmer direkt auf die eigene Stiftung anwenden. Die Ausbildung endet mit der Erstellung eines Fundraising-Konzeptes für die eigene Stiftung, welches der Prüfungskommission vorgetragen wird.

Einen besonderen Schwerpunkt bilden theologische Fragen, denn die kirchliche Stiftungsarbeit ist nicht zu trennen vom kirchlichen Auftrag. Viel Raum wird dem kollegialen Austausch der Stiftungen untereinander gegeben. Es geht darum, voneinander und miteinander zu lernen. Der Ausbildungsgang „Stiftungsmanager in Kirche, Diakonie und Caritas" soll die Absolventen befähigen, ihre Stiftung professionell zu führen und erfolgreich weiterzuentwickeln.

NGO-Dialog: Die Ausbildung zielt auf eine Tätigkeit in Kirche, Diakonie und Caritas ab. Was ist das Besondere am kirchlichen Fundraising?

Ich bin davon überzeugt, dass kirchliches Fundraising und auch kirchliche Stiftungsarbeit anders sind. Fundraising und Stiftungswesen haben beide jeweils christliche Wurzeln, die ersten Stiftungen waren kirchlichen Zwecken gewidmet und wurden aus christlicher Motivation gegründet. Der erste Fundraiser war Paulus. Kirchliches Fundraising dient nicht dem Selbstzweck und auch nicht dem Stopfen von Löchern, sondern dem kirchlichen Auftrag: der Verkündigung des Evangeliums. Damit hat es eine ganz tiefe inhaltliche Gründung. Ein Schwerpunkt in unserer Ausbildung ist darum auch die Reflexion der Stiftungsarbeit im Hinblick auf den eigenen kirchlichen Auftrag, auf die kirchliche Tradition und auf die Möglichkeiten kirchlicher, meist regionaler Stiftungen.

Von besonderer Brisanz ist das kirchliche Fundraising dort, wo es auf Seelsorge trifft, zum Beispiel im Gespräch mit einem möglichen Erblasser. Kirchliche Arbeit ist besonders nah an den Menschen und damit auch oft ganz nahe an den Tabuthemen Tod und Sterben – so dicht und kompetent ist keine andere Organisation an diesen Fragen. Eine zentrale kirchliche Aufgabe ist die Seelsorge. Diese gründet, genau wie die Aufgabe des Fundraisings, auf Vertrauen. Es gibt jedoch einen gravierenden Unterschied: Die Seelsorge ist immer absichtslos, das Erbschafts-Fundraising nicht. Diese beiden Aufgaben dürfen nicht miteinander verquickt werden, das macht gerade das kirchliche Erbschafts-Fundraising so schwierig. Dieses Problem haben weltliche Stiftungen nicht.

Weitere Besonderheiten kirchlicher Stiftungen sind im Recht der Kirchen auf ihre institutionelle Selbstbestimmung begründet, das betrifft insbesondere die Stiftungsaufsicht und den Datenschutz. Die kirchlichen Stiftungen unterliegen nicht der Stiftungsaufsicht der Länder, diese wird in der Regel von den Kirchen selbst wahrgenommen. Viele der EKD-Kirchen haben sogar eigene Regelungen für die Führung von Stiftungen erlassen und dazu Material herausgegeben. Ebenso gilt das Datenschutzgesetz der EKD. Viele EKD-Gliedkirchen haben eine von der EKD empfohlene Durchführungsverordnung für den Umgang mit Meldedaten und Fundraising erlassen.

Die meisten kirchlichen Stiftungen sind als Gemeinschafts-Stiftungen gegründet worden. Das heißt, nicht ein einzelner engagierter Stifter hat ein großes Vermögen und sein eigenes Engagement in die Stiftung gegeben, sondern viele Stifter haben sich mit – für Stiftungen unüblichen – kleinen Beträgen eingebracht. Diese Stiftungen können sich keinen Geschäftsführer oder Fundraiser leisten, es gibt keinen Spezialisten für die Vermögensverwaltung. Die ehrenamtlichen Leitungsgremien haben oft Probleme, ihre Stiftung professionell zu führen.

NGO-Dialog: Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um Stiftungsmanager in einer kirchlichen Einrichtung zu werden?

Eigentlich braucht man nur die eigene Begeisterung und Bereitschaft zum Engagement. Die Ausbildung findet an insgesamt 12 Tagen statt, verteilt auf vier Blöcke über ein halbes Jahr. Dazwischen werden alle Teilnehmer in ihrere Arbeit betreut und unterstützt. Man sollte bereit sein, gewohnte Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen – gerade in der Kirche ist das nicht immer so selbstverständlich. Dazu gehört manchmal auch ein bisschen Mut, etwa, wenn es darum geht, sich auf das Erbschafts-Fundraising einzulassen. Das ist ein sehr gutes Instrument für Stiftungen, wenn auch die Kirche noch Probleme damit hat. Kreativität und ein Gespür für ökonomisches Handeln wären von Vorteil. Und natürlich braucht man für die Arbeit in einem Leitungsgremium von Stiftungen auch Sozialkompetenz und Führungsqualitäten. Aber alle diese Fähigkeiten muss man für die Ausbildung noch nicht mitbringen, nur die Bereitschaft und eine Tendenz dazu. Man muss wollen, das Können kann man lernen.

NGO-Dialog: Wo sehen Sie die beruflichen Herausforderungen? Welche Perspektive hat das kirchliche Fundraising aus ihrer Sicht?

Wie bereits erwähnt, sind die meisten kirchlichen Stiftungen auf Wachstum angelegt. Die Erfüllung der häufigsten Stiftungszwecke, wie beispielsweise der Erhalt denkmalgeschützter Kirchengebäude oder die Absicherung der pfarramtlichen Arbeit, erfordern ein erhebliches Kapital. Die demografische Entwicklung, wie wir sie jetzt erleben, ist ein Grund für die von der EKD prognostizierten Einnahmeverluste aus Kirchensteuern, die auf die Kirche zukommen. Bis zum Jahr 2030, so die EKD, werden die evangelischen Kirchen bis zu 30% weniger Mitglieder und 50% weniger Kirchensteuer-Einnahmen haben. Die Stiftungsarbeit kann dieser Tendenz entgegensteuern. Die eigentliche Arbeit beginnt aber eben erst nach der Gründung, denn dann muss in Know-how und Professionalität investiert werden.

Die Bedingungen sind gut: Spenderstudien zeigen, dass konfessionell gebundene Menschen eine höhere Spendenaffinität haben, denn geben und teilen sind Teil ihrer christlichen Werte. Kirchliches Fundraising findet in den Gemeinden statt, ganz nah bei den Menschen. Dazu kommt, dass insbesondere kirchliche Stiftungen, für Seriosität und Nachhaltigkeit stehen und hier auch einen Vertrauensvorschuss genießen. Wer über das eigene Leben hinaus Werte erhalten wissen möchte, die ihm wichtig sind, der gibt gern Teile seines Vermögens in eine Stiftung, gerade in eine kirchliche Stiftung.

Darum eignet sich das Großspender- oder Erbschafts-Fundraising als Fundraising-Instrument besonders gut. Die Kirchen sollten sich ruhig trauen, diese Instrumente zu nutzen. Warum sie das guten Gewissens tun kann, das ist einer der Schwerpunkte der Ausbildung. Wir sind überzeugt, wenn die erforderliche Professionalität in den kirchlichen kleinen Stiftungen vorhanden ist, werden sie sich erfolgreich weiterentwickeln und einen wichtigen Beitrag zur Absicherung kirchlicher Arbeit leisten.

Frau Alken, wir bedanken uns bei Ihnen für dieses Gespräch.

Frau Alken ist Betriebswirtin, Fundraising-Managerin und Qualitätsbeauftragte. Sie verantwortet an der Fundraising Akademie in Frankfurt die Servicestelle Fundraising und Stiftungswesen. Von 2006 bis 2010 war Ingrid Alken Vorstandsmitglied im Deutschen Fundraising Verband. Sie ist Mitglied im Ausschuss für eine gute, ethische Fundraising-Praxis.

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