INTERVIEW

„Großspender haben Angst vor Akquise“

Michael Busch
Michael Busch

Michael Busch ist Rechtsanwalt und leitet das Frankfurter Büro der Haus des Stiftens gGmbH. Er berät sowohl Stifter und Förderer und ist auch für Vermögensberater und gemeinnützige Organisationen tätig. Er ist Studienleiter der Fortbildung zum Engagement-Berater, die gemeinsam von der Fundraising Akademie, der PHINEO gAG und dem Haus des Stiftens durchgeführt wird. Im Interview spricht er über den von ihm und Philipp Hof, dem Geschäftsführer der Haus des Stiftens gGmbH, verfassten „Plan B“ zur Gewinnung von Stiftern, Großspendern und Erblassern als Partner für Non-Profits.

NGO-Dialog: Wie sieht Ihr Plan B zur Großspendergewinnung aus? Wie unterscheidet er sich von anderen Ansätzen?

Michael Busch: Der Plan B beruht auf unseren Erfahrungen aus der Begleitung vieler Stifter, Förderer und Erblasser. Deren Perspektive hat uns stark geprägt. Mit ihnen erleben wir, dass das Ziel „Mittelbeschaffung für Organisationen“ leicht den Blick auf die Sichtweise der Geber verstellen kann. Der Plan B versteht sich zum einen als Alternative zu einer stark Akquise-orientierten Ausrichtung des Fundraisings. Zum anderen möchte er den Blick auf das konkrete Erleben des Engagements lenken. Deswegen sprechen wir von „Engagement-Partnerschaften“ zwischen NGOs und Gebern. In „Engagement-Partnerschaften“ können Geber erleben, was die Gesellschaft und sie selbst durch ihr Engagement gewinnen und sie erhalten effektive Unterstützung auf ihrem Weg. Wenn das gelingt, profitiert am Ende auch die Organisation.


NGO-Dialog:
Wie müssen NGOs dafür aufgestellt sein?

Michael Busch: Ein zentraler Punkt ist das Selbstverständnis und die Kultur der NGOs. Wenn sie ihre Aufgabe darin sehen, Geber zu effektivem Engagement zu ermächtigen; wenn sie verstehen, dass Geber sich im Ergebnis nicht für eine Organisation, sondern für den Zweck engagieren; wenn sie individuelle Hilfsmöglichkeiten sichtbar machen – dann erleben die Geber, dass die Lösung der gesellschaftlichen Aufgabe nicht einfach Sache der NGO ist, sondern dass es auch auf sie persönlich ankommt. Man kann es auch so sagen: Es ändert sich die Bedeutung des „Wir“. Das „Wir“ steht nicht mehr nur für die Mitarbeiter und die Gremien der Organisation, sondern schließt auch die Vielzahl der Partner mit ein. Neben dieser grundsätzlichen Haltung sind natürlich auch die Kommunikation, die Betreuungsansätze und die Prozesse in einer NGO wichtig. Das haben wir im Plan B dargestellt.


NGO-Dialog:
Welche Wünsche haben heute potenzielle Großspender und Stifter?

Michael Busch: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Uns scheint ein häufiges Motiv, dass sich Geber als selbstwirksam und kreativ erleben möchten. Aber es gibt auch Geber, die mit ihrem Engagement zunächst noch gar nicht so konkrete Wünsche und Erwartungen verknüpfen. Wenn sie dann in einer Engagement-Partnerschaft erleben, wie sich ihr Leben bereichert, dann weiten sie ihr Engagement aus. Vielleicht sind sie dann bereit, als Geber für die Organisation aufzutreten oder ihr Umfeld einzubinden. Eine solche Entwicklung und die damit einhergehende persönliche Bereicherung mitzuerleben – das ist schön.


NGO-Dialog:
Banken stellen immer mehr eigene Abteilungen für die Beratung zum Thema Stiftung und gemeinnütziges Engagement auf, auch international (Charity desk). Warum sollten NGOs die Großspendergewinnung noch selbst in die Hand nehmen?

Michael Busch: Die Philanthropieberatung durch Banken oder Vermögensberater hat ihren Schwerpunkt häufig bei finanziellen, steuerlichen oder rechtlichen Aspekten. Selbst wenn sie gemeinnützige Aspekte einschließt: Es ist immer eine Beratung, die auf das Sachliche und Analytische ausgerichtet ist. In Engagement-Partnerschaften geht es auch um die Begeisterung und das konkrete Miterleben. Das können nur die NGOs leisten.


NGO-Dialog:
Großspender haben wenig Sympathie für Akquise – wie gehen Sie das Problem an?

Michael Busch: Ich würde das sogar etwas drastischer ausdrücken: Sie haben oft Angst vor der Akquise. Das ist ein wichtiger Grund, warum sie sich zurückhalten. Das Problem löst sich, wenn eine NGO aus der Haltung der Engagement-Partnerschaft arbeitet. Das Angebot einer Engagement-Partnerschaft taucht dann nicht als eine Bitte auf, die mich bedrängt, sondern als eine Möglichkeit, die ich für mich nutzen kann.


NGO-Dialog:
Sind denn Vermögende wirklich daran interessiert, Zeit zu investieren?

Michael Busch: Da gibt es natürlich alle Schattierungen. Aber eines ist eigentlich fast immer gegeben: Wenn ich mich engagiere, dann will ich auch eine Verbindung zu dem haben, was ich bewirke. Wie diese Verbindung entsteht, ist dann sehr unterschiedlich. Dem einen kommt es auf die unmittelbaren Eindrücke an, einem anderen auf Zahlen und Fakten und wieder einem anderen auf die Anerkennung. Es ist Aufgabe der NGO, das zu erkennen und in einer Engagement-Partnerschaft die jeweils passende Verbindung zu ermöglichen.


NGO-Dialog:
Welche Rolle spielen Sie bei der Beratung von Großspendern? Hat das nicht ein wenig Bauchladen-Charakter, wenn Sie NGOs an potente Kunden empfehlen?

Michael Busch: Engagement-Partnerschaften leben von den Beziehungen zwischen Großspendern und Stiftern und den NGOs. Da ist es weniger unsere Aufgabe, Empfehlungen auszusprechen. Wir stellen in erster Linie praxisnahe Hilfen zur Verfügung, die Privatpersonen und Unternehmen bei ihrem Engagement unterstützen und die auch die NGOs für die Betreuung der Geber nutzen können. Dazu gehören etwa Hilfen bei der Gründung und Verwaltung von Stiftungen oder Online-Tools für die Projektbegleitung. Außerdem unterstützen wir die NGOs durch Beratung in den Bereichen Strategie und Kommunikation sowie durch Fortbildungen. Auf der Plattform Connecting Help bieten wir Vernetzungsmöglichkeiten von Unternehmen und Stiftungen zu NGOs.


NGO-Dialog:
Sie betonen im „Plan B“, nicht ergebnisorientiert an Großspender heranzugehen. Eine Haltung oder eine Strategie, um eine andere Gesprächsbasis zu finden, auf der man dann auch über Geld spricht?

Michael Busch: Es geht nicht darum, das Thema Geld auszuklammern oder irgendwie hintenherum darauf zu kommen. Natürlich geht es auch um Geld, denn damit will sich der Geber ja engagieren. Wichtig ist, dass das Gespräch die Ziele und Werte des Gebers berührt und ihm die Möglichkeiten für sein Engagement klar werden. Dann kann er entscheiden, wie viel er investieren möchte.


NGO-Dialog:
Was können sie abschließend den NGOs für ein gutes Großspendergespräch empfehlen?

Michael Busch: Na, da stellen Sie ja eine Frage! Ich gebe Ihnen mal eine Antwort, die Sie so vielleicht nicht erwarten. Goethe, der sein Leben lang das Licht erforscht hat, sagte sinngemäß: Gespräche sind noch belebender als das Licht. Das ist ein starkes Bild. Es verweist auf die Kraft von Gesprächen. In Gesprächen kann etwas entstehen, das vorher in den beiden Gesprächspartnern so noch nicht vorhanden war. Wenn man für diese Dimension offen ist, dann ist man gut gerüstet für Gespräche – auch mit Großspendern.

 

Das Strategiepapier PLAN B für Non-Profits zeigt ein Modell, auf dessen Basis vertrauensvolle und nachhaltige Beziehungen zwischen gemeinnützigen Organisationen und potenten Förderern aufgebaut werden können, um gesellschaftliche Aufgaben gemeinsam zu lösen. Dem Ansatz liegen zwanzig Jahre Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Stiftern und Unternehmen sowie aus der Begleitung von NPOs bei deren Fundraising-Aktivitäten zugrunde. Diese Erfahrungen wurden ergänzt durch zahlreiche Gespräche mit Experten sowie eine Studienreise im Jahr 2014 zu NPOs in den USA.
Der PLAN B steht auf der Website der Haus des Stiftens gGmbH als Download zur Verfügung.

(Bild: Stiftungszentrum Frankfurt)

Zurück

Einen Kommentar schreiben