INTERVIEW

„Sandsack-Flash-Mobs“ via Facebook

Nicolas Hefner

Das Hochwasser 2013 hatte ein neues Phänomen zu bieten: eine Flut von Helfern, die über Facebook koordiniert vor Ort helfen wollten. Wir sprachen mit Nicolas Hefner, Pressesprecher der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), über das Phänomen der Facebook-Hilfe und die Konsequenzen aus den Erfahrungen des THW mit dieser Form der Hilfe.

NGO-Dialog: Wie ist das THW mit den vielen Helfern klar gekommen?

Nun die Flut von Helfern ist ja weniger direkt auf uns zugekommen sondern auf die lokalen Einsatzstellen und Katastrophenstäbe vor Ort. Es war und ist nicht unsere Aufgabe diese Ströme zu koordinieren. Vereinzelt ist das aber sicher auch passiert, aber das Gros der Helfer wurde durch die örtlichen Einsatzleitungen betreut.

Ich fand das Phänomen des „Sandsack-Flash-Mobs“ wie ich es scherzhafterweise zwischendurch formuliert habe, richtig toll und alle, mit denen ich gesprochen habe, fanden es große Klasse, wie spontan sich Menschen zusammenfinden und wie das über facebook doch relativ koordiniert zugegangen ist. Facebook hat sich, was solche Gruppen angeht, als Koordinierungstool bis zu einem gewissen Punkt durchaus bewährt. 2002 war das ja noch so, dass Helfer mobilisiert waren, aber nicht wussten, wo soll ich überhaupt hingehen. Die trafen sich dann zentral und da konnte man offenbar weniger mit denen anfangen als diesmal. Wir im THW haben die Helfer über Facebook sehr begrüßt, weil das auch so geordnet, fast schon professionell ablief.

NGO-Dialog: Könnte man sich denn vonseiten des THW vorstellen, Facebook auch in anderen Katastrophenfällen für sich zu nutzen?

Im Moment sind wir erstmal am Auswerten. Natürlich setzen wir uns schon länger mit dem Thema soziale Medien auseinander. Wir überlegen, wie könnte man das besser integrieren, als nur PR über diese Netzwerke zu verbreiten. Aber es ist auch zunächst nicht die Aufgabe des THW freiwillige Helfer, die nicht zum THW gehören, zu koordinieren, denn wir werden ja auf Anforderung der vor Ort zuständigen Behörden und Katastrophenstäbe erst tätig und kommen dann mit kompletten Einsatzeinheiten. Diese Koordinierung müsste dann also auf anderen Ebenen laufen.

Vorstellung der neuen Imagekampagne des THW: v.l.n.r.: Michael Becker (Bundesjugendleiter); Albrecht Broemme (Präsident THW); Stephan Mayer (Präsident THW Bundesvereinigung); Gerd Friedsam (neuer THW Vizepräsident); Hans-Peter Friedrich (Bundesinnenminister); Rainer Schwierczinski (bisheriger THW Vizepräsident); Ilse Aigner (Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz); Thomas Vogel (THW Berlin Friedrichshain-Kreuzberg); Nicolas Hefner (Pressesprecher THW Leitung)NGO-Dialog: Also mehr auf der kommunalen Ebene?

Genau, da sind dann die lokal Zuständigen gefragt. Die müssen dann entscheiden: Das hat sich offenbar bei der Flut 2013 bewährt, also sollten entsprechende Seiten ins Leben gerufen werden und über diese Seiten können sich dann die Helfer für Bundesländer oder bestimmte Städte wieder koordinieren. Das lässt sich vermutlich, allerdings mit großem Koordinierungs- und Betreuungsaufwand, realisieren, damit jeder Helfer weiß, wo gerade Hilfe benötigt wird.

NGO-Dialog: Wie schätzen Sie den Aufwand ein?

Ja, das ist dabei nicht zu vergessen. Für den Nutzer sind soziale Medien natürlich unheimlich praktisch, aber für den der das Betreiben möchte, unheimlich ressourcenaufwendig. Man braucht viel Personal, um die Seite zu pflegen, die Informationen zu aktualisieren. Gerade bei dieser Form der Kommunikation ist ein 24/7-Dienst – also rund um die Uhr - eigentlich Pflicht, denn im Katastrophenfall muss eine solche Art der freiwilligen Hilfe ja dann auch mit den Einsatzstäben abgestimmt sein. Der Mensch ist durch soziale Medien nicht zu ersetzen.

NGO-Dialog: Und haben denn jetzt viele Menschen Spaß am Sandsacktragen gefunden und stehen beim THW Schlange?

Der Spaß war offensichtlich da, denn es haben sich auch Leute gemeldet. Einige auch über die THW-Facebook-Seite. Wir werben ja auch für das Ehrenamt im THW über soziale Netzwerke. Bisher hatte unsere Kampagnenseite „Rein ins THW“, aber noch nicht so den Widerhall. Helferwerbung findet beim THW im Wesentlichen eigentlich auf Ortsverbandsebene statt, also müssten das die Ortsverbände eventuell über eigene Accounts steuern. Wir müssen aber auch schauen, wie wird sich Facebook entwickeln? Wir haben nur begrenzte Ressourcen. Vorstellbar wären aber zum Beispiel mehr Service-Seiten auf unserer Website. Zum Beispiel für den richtigen Sandsackbau, das könnte ich mir gut vorstellen.

NGO-Dialog: Wie schätzen Sie die Professionalität der Facebook-Helfer ein?

Grundsätzlich muss man das erstmal sehr positiv beurteilen. Wo bekommt man so viele motivierte Menschen her? Das war je eine Riesenüberraschung, dass da soviel gesellschaftliches Für- und Miteinander zu beobachten war. Gerade vor dem Hintergrund des Wegfalls der Wehrpflicht, demografischen Wandel, geändertes Freizeitverhalten, nennen sie einfach alle Rahmenbedingungen mit denen wir in ehrenamtlichen Organisationen zu kämpfen haben, sind diese „Facebook-Helfer“ sehr spannend. Wir sollten überlegen, wie man die bei der Stange hält, um sie möglicherweise für den nächsten Einsatz neu anzusprechen und eventuell davor sogar noch fitter für den Einsatz zu machen. Insgesamt war das 2013 wirklich eine große Hilfe.

(Foto: PR)

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