INTERVIEW

„Beste Hilfe mit der höchsten Wirkung“

Sebastian Schwiecker
Sebastian Schwiecker

Effektives Spenden auch bekannt als effektiver Altruismus bekommt organisatorische Unterstützung in Deutschland. Sebastian Schwiecker, Pascal Zimmer und Dr. Stefan Shaw wollen das Thema in Deutschland als Spendenplattform voranbringen. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Sebastian Schwiecker.


NGO-Dialog: Sebastian, Du bist schon lange im gemeinnützigen Sektor tätig, warst Gründer von helpedia und hast für betterplace gearbeitet. Nun gründest du die Spendenplattform effektiv-spenden.org. Was willst Du erreichen?

Sebastian Schwiecker: Wir wollen darüber aufklären, dass es Sinn macht, sich über seine Spendenentscheidung Gedanken zu machen, wenn man möglichst viel bewirken will. Denn das Bauchgefühl reicht da nicht. Es geht darum zu entscheiden, wie ich mit meinem Geld möglichst vielen Menschen helfen. Dafür gibt es unsere Plattform, die gezielt wirksame und effiziente Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit empfiehlt und wo man auch gleich spenden kann.


NGO-Dialog:
Du bist der Meinung, der Spendenmarkt funktioniert nicht. Warum ist das so?

Sebastian Schwiecker: Gerade wenn man das Wort Markt benutzt und das mit der Privatwirtschaft vergleicht, gibt es dort ein sehr direktes Feedback von den Kunden, ob das Produkt oder die Dienstleistung gut oder schlecht ist. Wenn das nicht gefällt, also der Haarschnitt passt nicht, es schmeckt nicht oder es hat keine Qualität, wird es nicht oder nicht nochmal gekauft. Sehr einfach.
Beim Spendenmarkt ist es aber so, dass die Person an welche die Spende geht, im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit also beispielsweise eine Person die Hunger leidet oder Opfer einer Naturkatastrophe wird, nicht die Person ist, die dafür bezahlt. Das heißt auch, ob die Hilfeleistung gut oder schlecht ist, merkt niemand. Es gibt kein Feedback und damit muss es auch nicht die bestmögliche Hilfe sein. Die Menschen die bezahlen, sind die Spenderinnen und Spender und bekommen gar nicht die Informationen um rational zu entscheiden. Sie bekommen zwar Berichte, Blogs und Anekdoten von den Hilfsorganisationen geliefert, aber das Feedback ist nicht realistisch und so passt sich der Sektor auch nicht an. Etwa weil die schlechten Organisationen vom Markt verschwinden, wie in der Privatwirtschaft. Es reicht eben nicht nur eine gute Geschichte, zum Beispiel im Fundraising zu erzählen, wenn die geleisteten Hilfe inadäquat ist.


NGO-Dialog:
Es ist also für Dich nicht nur eine Frage der Transparenz, denn da könnte man ja ein Spendensiegel beantragen. Aber das reicht Dir nicht?

Sebastian Schwiecker: Ein erster Schritt ist immer Transparenz. Aber das sagt nichts über die Qualität der Entwicklungszusammenarbeit aus. Ich habe selbst in dem Bereich gearbeitet und es ist einfach verdammt schwer zu entscheiden, was nun die bestmögliche Hilfe ist. Nehmen wir zwei Pizza-Lieferanten. Die können ihre Zutaten und alles offenlegen. Wenn aber die Pizza des einen besser schmeckt und schneller geliefert wird, setzt er sich mit dieser Qualität am Markt durch und der andere verschwindet wieder. Deshalb müssen wir auch im dritten Sektor einen Schritt weiter gehen. Wir möchten das Projekte mehr und aufwändiger evaluiert werden. Wir möchten sehen, ob die beabsichtigte Wirkung wirklich erzielt wird und das bei niedrigeren Kosten und gleicher Qualität. Uns geht es also nicht darum nur Mindeststandards zu vergleichen. Uns geht es um die Organisationen, die die beste Hilfe mit der höchsten Wirkung erzielen.


NGO-Dialog:
Was sind dann Eure Kriterien für die Effektivität einer NGO?

Sebastian Schwiecker: Wir lehnen uns da an die Forschungsergebnisse des Forschungsinstituts GiveWell an. Aus unserer Sicht die beste Organisation für die Evaluierung gemeinnütziger Organisationen. Diese hat vier Kriterien: Erstens, die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, zweitens eine Wirkungsnachweis, der wissenschaftlich erbracht sein sollte, drittens die Kosteneffektivität, die klärt ob das Ziel wirklich auch kostengünstig erreicht wird und viertens das Wachstumspotenzial. Letzteres bedeutet, dass wir schauen, ob der Ansatz der NGO skaliert, ob sie mit mehr Spenden wirklich wachsen kann, oder beispielsweise nur auf eine Region beschränkt ist.


NGO-Dialog:
Gerade wenn ich mir das Thema Kosteneffektivität anschaue, würde das zum Beispiel bedeuten, das eine NGOs, die Wald anpflanzt um den CO2-Anteil zu verringern, das definitiv nicht in Deutschland tun kann, weil eine Baum der in Südamerika gepflanzt wird dreimal schneller wächst und zu einem Bruchteil der Kosten in Deutschland gepflanzt werden kann. Alles andere wäre Spendenverschwendung. Richtig?

Sebastian Schwiecker: Es kommt natürlich immer auf Ziel an. Wenn das dominante Ziel maximale CO2-Reduzierung ist, dann würde das in der Tat sinnvoll und effektiv sein sich weltweit umzuschauen und es würde wahrscheinlich günstiger sein das in wärmeren Regionen zu versuchen.


NGO-Dialog:
Wenn ich mir jetzt aber die Spenderbrille aufsetze, so möchten die Leute lieber vor der Haustür Spenden als dort. Auf Eurer Seite finde ich drei Projekte, die weltweit helfen, aber alle im Ausland beheimatet sind. Meinst Du wirklich, dass Ihr wirklich mit dem Argument besserer Effizienz die Spenderinnen und Spender überzeugt?

Sebastian Schwiecker: Wir werden sicher nicht alle Menschen erreichen und die Spendenmotivation ist sehr verschieden. Dazu gehört sicher auch, dem Projekt nah zu sein. Ich glaube aber, dass es viele Menschen gibt, die für internationale Projekte spenden, gerade weil Sie wissen, dass es den Menschen dort viel schlechter geht als hier. Wir möchten diese Menschen dabei unterstützen eine rationale Entscheidung auf wissenschaftlicher Basis zu treffen, die dort wirklich effizient hilft. Da machen wir sehr gute Vorschläge an wen das Geld gehen sollte und das mit deutscher Spendenbescheinigung.


NGO-Dialog:
Was muss ich denn tun, um als effiziente Organisation von Euch empfohlen zu werden?

Sebastian Schwiecker: Momentan ist der Focus auf Entwicklungzusammenarbeit, auch weil es dort noch viel elementare Probleme gibt, die es zu lösen gilt. Aber wir planen die Themen zu erweitern, wie beispielsweise den Bereich Tierleid und Klimawandel. Da Problem dabei ist immer, dass Evaluationen die wirklich aussagekräftig sind und Organisationen vergleichen extrem aufwändig sind. Wir haben dafür momentan noch keine Ressourcen, und deshalb schauen wir auf internationale Studien, die das mit unserem Ansatz untersuchen. Wir brauchen da also noch mehr unabhängige Forschung, um mehr Bereiche abzubilden. Das ist sicher ein eher langfristiger Prozess, das noch mehr Themen dazu kommen.


NGO-Dialog:
Wird es also für deutsche Organisationen schwierig Effizienz nachzuweisen, nur weil in Deutschland keiner NGOs untersucht und vergleicht?

Sebastian Schwiecker: Give-Well ist durchaus bereit auch deutsche Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit kostenfrei zu evaluieren. Kostenlos natürlich nur in Anführungsstrichen, weil so etwas natürlich Zeit und Kapazitäten bindet. Aber hinter Give-Well steht auch eine finanzstarke Stiftung, die bereit ist in effiziente Organisationen 2,5 Millionen Dollar zu investieren und das ist doch ein spannender Anreiz sich evaluieren zu lassen. Ich kann das nur empfehlen.


NGO-Dialog:
In Eurem Video zum Projekt ist zu hören, dass Du garantierst, das 100 % der Spenden über die Plattform an die drei Organisationen gehen. Wovon lebt dann Sebastian Schwiecker?

Sebastian Schwiecker: Wir versuchen natürlich in Deutschland auch Strukturen aufzusetzen und ganz umsonst geht es auch nicht. Es ist uns gelungen einige private Mäzene zu überzeugen, den Aufbau des Projektes finanziell zu unterstützen und wir sind auch zuversichtlich, dass wir weitere Förderer gewinnen, die den Gedanken des effizienten Spenden fördern wollen.

(Bild: Judith Wagner)

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