INTERVIEW

„Vermögende sind sehr normal“

Gefragter Referent: Andreas Schiemenz
Gefragter Referent: Andreas Schiemenz

Andreas Schiemenz ist seit diesem Jahr Geschäftsführer bei der Schomerus – Beratung für gesellschaftliches Engagement GmbH, die Strategieberatung für gemeinnützige Vereine, Organisationen, Stiftungen und Verbände sowie Philanthropieberatung für Unternehmer und vermögende Privatpersonen anbietet. Der Volkswirt und Fundraiser aus Leidenschaft verfügt über 40 Jahre Erfahrungen in NPOs, Stiftungen und Unternehmen mit gesellschaftlichem Engagement. Wir sprachen mit ihm über die neue Großspender­generation und über seine Fortbildung zum Thema Großspender an der Fundraising-Akademie im Herbst 2017.


NGO-Dialog: Herr Schiemenz, Sie beraten heute Menschen, die bereit sind sich mit großen Summen zu engagieren. Gibt es eine neue Generation von Großspendern?

Andreas Schiemenz: Ja, die gibt es ganz eindeutig. Wir hatten die letzten 20 bis 30 Jahre den Fokus der klassischen Mäzene, die mittlerweile schon verstorben oder hochbetagt sind. Zum Beispiel Johanna Quandt oder Werner Otto, die klassischerweise aus dem Mäzenatentum heraus, aus dem philanthropischen Ansatz heraus sagten, sie unterstützen gesellschaftliche Anliegen, geben der Welt Dinge zurück aus Verpflichtung ihres eigenen finanziellen Erfolges. Diese Motive waren bei diesen Mäzenen sehr groß.


NGO-Dialog: Und die neue Generation ist anders?

Andreas Schiemenz: Ja, das war gerade das spannende Ergebnis einer Studie an der Universität Hamburg, die ich inhaltlich ein Stück begleitet habe, weil ich den Kontakt zu jüngeren Vermögenden hergestellt habe. Diese Generation tickt schon anders. Sie stellt sich zum Beispiel die Frage: Wie sinnvoll sind denn Spendenaktivitäten? Frank Otto hat auf dem Norddeutschen Fundraisingtag gesagt, er möchte sein Geld „emotional begleiten“, das heißt, er will nicht inhaltlich Einfluss nehmen, aber von den Projekten berührt sein und deswegen spenden. Diese neue Generation der Philanthropen bindet sich also emotional viel mehr an die Projekte als es die alten Mäzene getan haben.


NGO-Dialog: Aber kann dieser Eindruck nicht auch täuschen, wenn immer hochvermögende Menschen als Beispiele genannt werden, die sich auch öffentlich zu Ihren Engagements äußern? Die Masse unterstützt doch eher im Stillen?

Andreas Schiemenz: Also wenn ich an die Interviews mit der Uni Hamburg denke, waren vielleicht 10 Prozent bekannt. Die anderen machen das vollkommen unbemerkt. Das ist spannend. Die wollen ihren Namen nicht überall drauf haben. Die sehen sich auch nicht als Elite dieser Republik sonder als Teil der Gesellschaft. Je größer also die Anzahl der Spender oder Fans einer gemeinnützigen Einrichtung ist, umso lieber tauchen sie darin ein, weil sie sagen, sie verlieren dadurch den Status des Besonderen.


NGO-Dialog: Wie ist das dann mit der Gruppe der Hochvermögenden, denen es reicht, Steuern zu zahlen und die in einer anderen Welt zu leben scheint? Will die von Ihnen gerade beschriebene neue Generation von Großspendern also nur nicht die Bodenhaftung verlieren?

Andreas Schiemenz: Also, ich glaube die Vermögenden sind genauso normal wie die Nichtvermögenden. Wir können davon ausgehen, dass die Spenderquote genauso hoch ist, also etwa bei etwa 30 Prozent. Natürlich ist Steuer zahlen ein Modell um gesellschaftliche Gerechtigkeit herbeizuführen und ein Unternehmer, der seinen Gewinn ehrlich versteuert, leistet seinen Beitrag. Alles was darüber hinaus geht, ist Zugabe. Das Verrückte ist ja, dass wir deshalb Normalspender und Großspender unterscheiden, weil der Betrag, den wir bekommen, so hoch ist. Das heißt, wir reduzieren diese Person auf ihr Geld, und in Wirklichkeit ist dieser Betrag aber in Relation zum Einkommen genauso hoch wie die 35 Euro der Kassiererin im Supermarkt. Das fühlt sich für den Großspender auch genauso an! Auch wenn er 10.000 Euro spendet.


NGO-Dialog: Beim Fundraisingkongress sagten Sie aber, 500 Euro wären für Sie noch keine Großspende. Ab 10.000 Euro spielt die Musik. Warum?

Andreas Schiemenz: Die Frage die der Teilnehmer auf dem Kongress gestellt hatte, war ja, wann bei uns Großspender anfangen. Und das ist für jede Organisation anders. Meine Philanthropieberatung beginnt jedoch erst mit der Gruppe der über 10.000 Euro-Spender. Die Herausforderung im Großspenderfundraising liegt in dem Problem, dass wir das Segment der Hochvermögenden ja nur aus Glaskugelleserei kennen und nicht durch persönliche Kontakte. Fundraiserinnen und Fundraiser bewegen sich in anderen sozialen Feldern als z.B. Hochvermögende. Deshalb sprechen wir oft über eine Menschengruppe, die wir gar nicht wirklich kennen.


NGO-Dialog: Sie empfehlen beim Großspendergespräch gleich mit der Frage nach der Geldsumme zu beginnen. Das mache ich jetzt im Sinne unserer Leser auch. Was sind die drei Tipps für das Gespräch mit Großspendern?

Andreas Schiemenz: Erster Tipp ist Rollenklarheit. Ich muss wissen, was mein Gegenüber von mir erwartet und ob ich diese Erwartungen erfüllen kann. Denn der Großspender erwartet ja jemanden, der sein Geld haben möchte. Und der erwartet einen Menschen, der auf Augenhöhe mit ihm kommuniziert – da spielt die Hierarchiestufe in der Organisation nur eine untergeordnete Rolle. Dieses Selbstbewusstsein und diesen Mut mit jemandem zu sprechen, der mir 100.000 Euro geben soll, das muss ich ausstrahlen. Das zweite ist, ich muss den Großspender im Gespräch zu Wort kommen lassen. Ich muss ihn fragen. Wenn ich ein Stunde Gespräch habe, sollte der Großspender 48 Minuten reden, ich nur 12 Minuten. Das Verhältnis 80/20 beim Redeanteil ist eine gute Richtschnur. Nur so erfahre ich, was den Spender umtreibt, was ihn interessiert, ihn berührt und was ich tun kann, um ihn überhaupt für mich und meine Projekt zu begeistern. Und der dritte Tipp ist: Wenn der Großspender schon weiß, dass ich wegen Geld komme, dann lasse ich ihn nicht im Dunkeln tappen, sondern sage ihm gleich am Anfang wie viel Geld ich haben will.


NGO-Dialog: Großspenden-Fundraiser sind momentan eine gesuchte Spezies. Richtet sich die neue Fortbildung „Fundraiser/-in für Großspenden: Mit Persönlichkeit richtig überzeugen“ an der Fundraising Akademie deshalb auf die Ausbildung von Nachwuchskräften?

Andreas Schiemenz: Nicht nur. Es ist sicher auch für Kolleginnen und Kollegen interessant, die schon im Fundraising unterwegs sind, aber noch nicht so sehr im Großspendenfundraising. Parkettsicherheit ist zum Beispiel ein Thema der Fortbildung, oder Stil und Etikette oder auch Selbstmotivation und Gesprächsstrategien spielen da eine Rolle. Auf der anderen Seite fehlen qualifizierte Leute im Großspendenfundraising, und auch Quereinsteiger, die Grundkenntnisse im Vertrieb, Marketing oder Fundraising haben, bekommen an der Akademie eine Spezialausbildung. Die Ausbildung ist so angelegt, dass die, welche schon Profis sind, sich auch selber nochmal optimieren können. Zum Beispiel in unserem Comedy-Teil, den Jörg Schumacher macht. Wir wissen, dass wir durch Humor und Fröhlichkeit viel besser wirken, und das kann man lernen und trainieren.


NGO-Dialog: Das heißt, man ist nach dem Kurs bereit für das Großspender-Gespräch?

Andreas Schiemenz: Bereit muss man vorher schon sein, aber danach ist man in der Lage es erfolgreich umzusetzen. Zum Beispiel, dass man auf Veranstaltungen auf Großspender zugehen kann und im Small Talk den richtigen Einstieg findet. Man ist in der Lage am Telefon mehr Termine zu bekommen, und man wird in der Lage sein erfolgreicher im Großspendergespräch zu sein. Auf jeden Fall.



Vom 11. bis 15. September 2017 im Relexa Hotel in Frankfurt am Main.
„Fundraiser/-in für Großspenden: Mit Persönlichkeit richtig überzeugen“
Den Veranstaltungsflyer finden sie hier.

(Bild: Maik Meid)

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