INTERVIEW

„Wir nutzen unsere Datenbank zu ineffizient.“

Hans-Josef Hönig
Hans-Josef Hönig

Wenn sich jemand Datenbank-Experte für NGOs in Deutschland nennen darf, dann ist das Hans-Josef Hönig, der die Fundraisingabteilung des Malteser Hilfsdienstes e.V. führt. Wir sprachen mit dem erfahrenen Dozenten der Fundraising-Akademie über Database-Management und warum gemeinnützige Organisationen sich bei dem Thema dringend weiterentwickeln müssen.

NGO-Dialog: Herr Hönig, wo stehen NGOs heute beim Database-Management?

Hans-Josef Hönig: Wenn ich ehrlich bin hat es nach meinen Erfahrungen in Non-Profit-Organisationen und in Agenturen im Database-Fundraising relativ wenig an Fortschritt gegeben. Dabei kann mit einer zielgruppengerechten Ansprache beispielsweise in Spendenbriefen der ROI einer Kampagne echt erhöht werden.


NGO-Dialog: Immer wieder ist zu hören, dass Organisationen lieber komplett alle Spender anschreiben, anstatt vorher ihre Adressen zu prüfen. Zum Beispiel mit der Umzugsdatenbank der Deutschen Post.

Hans-Josef Hönig: … oder auch nur eine moderne Dublettenprüfung haben. Sie haben dann jede Menge doppelte Adressen im Bestand. Das sind eigentlich Basics und sollten schon seit 30 Jahren Standard sein.


NGO-Dialog: Es sind sehr viele Softwareanbieter und Systeme am Markt. Ein Umstieg wäre also leicht, um seine Daten besser zu managen, oder?

Hans-Josef Hönig: Ich glaube die Krux liegt eher darin, dass die Systeme falsch gehandhabt werden. Es liegt aber auch an den Herstellern. Man bringt den Leuten bei, wie sie Adressen erfassen oder Spenden einbuchen. Aber wie man in einem System Tabellen so pflegt, dass man später seine Arbeit optimieren kann, zum Beispiel für Analysen, wird wenig vermittelt. Nur so sind aber zielgruppengerechte Ansprachen erst möglich.


NGO-Dialog: Warum sollte man denn seine Adressen optimieren. Kann man damit soviel sparen?

Hans-Josef Hönig: Das Problem liegt tiefer. Wir sind ja nur der Treuhänder der Spender. Jemand möchte beispielsweise in Nepal helfen und spendet. Wir haben jetzt die Verpflichtung sehr viel aus der Spende zu machen, um mehr Hilfe leisten zu können. Dafür muss ich meine Arbeit auf allen Ebenen optimieren. Das heißt auch, dass ich weniger Werbekosten produziere, wenn ich ein funktionierendes Datenbankmanagement mit guten Analysetools habe und durch Zielgruppenoptimierung nur die Spender anspreche, die für das Thema affin sind und nicht die, die kein Interesse haben. Diese Kosten kann ich sparen. Wir Fundraiser nutzen unsere Datenbanken zu ineffizient.


NGO-Dialog: Die Organisationen machen also zu wenig aus den bei ihnen liegenden Daten?

Hans-Josef Hönig: Wir optimieren leider zu oft nur das Instrument. Zum Beispiel den Spendenbrief nach AIDA, KISS, Lesekurve oder gar mit der Augenkamera, aber dann bekommt die 18-Jährige das gleiche Mailing wie der 90-Jährige. Das heisst, die Zielgruppe hat überhaupt keine Rolle gespielt. Allenfalls haben wir noch berücksichtigt, wie lange die letzte Spende zurücklag und was jemand kumuliert im Jahr gegeben hat. Aber aus welchen Motiven er gegeben hat, hat uns beispielsweise überhaupt nicht interessiert.


NGO-Dialog: Das gilt aber nicht nur für große Datenbestände.

Hans-Josef Hönig: Überhaupt nicht. Die meisten Analysen kann man ja sogar mit Excel machen. Und wenn ich eine regionale Organisation bin, die ihre Spender kennt, brauche ich keine Software zur Optimierung, sondern das Gedächtnis dessen, der seine Spender kennt und weiß: Der spendet dafür nie was.


NGO-Dialog: Also geht es eigentlich immer noch um Basics beim Database-Management.

Hans-Josef Hönig: Ja, die Nutzergewohnheiten werden zum Teil völlig ignoriert. Auch beim Testen könnte man mehr erreichen. In meiner Agenturzeit hatte ich Kunden, die sagten, sie hätten Frauen gegen Männer getestet und stellten fest: Es bringt nichts. Und dann sah ich mir die getesteten Mailings an und war überrascht, dass der einzige Unterschied im Spendenbrief lediglich der erste Satz war. So ein Test kann nicht aussagekräftig oder gar repräsentativ sein.


NGO-Dialog: Bessere Analysen bedeuten auch bessere Daten. Oder nicht?

Hans-Josef Hönig: Eigentlich habe ich nicht genügend Variablen im System, um sauber differenzieren zu können. Ich muss meine Spenderdaten anreichern, um so vom Verhalten auf die Spendenwahrscheinlichkeit zu schließen. Erst wenn ich einen bestimmten Grundbestand an angereicherten Daten habe, kann ich das auf den Gesamtbestand hochrechnen.


NGO-Dialog: Anreichern heißt dann mit Geodaten?

Hans-Josef Hönig: Diese Daten sind ja rein statistische Werte auf 5-Personen-Haushalte bezogen. Die helfen auch. Ich spreche aber eher von Spenderbefragungen, wo man genau zielgerichtet die Profile abfragt, die man braucht.


NGO-Dialog: Was ist die Zukunft?

Hans-Josef Hönig: Im Moment optimieren wir das Mailing. Künftig würden wir mehrere homogene Gruppen bilden und dafür separate Varianten des Spendenbriefs entwickeln. Das fängt bei der Sprache, beim Wording an. Ein 30-Jähriger hat ein ganz anderes Wording als ein 70-Jähriger. Wir nehmen ja auch andere Hintergrundfarben, andere Schriftgrößen und vieles mehr. Ich bin auch überrascht, wie wenig darauf geachtet wird. Selbst Legate-Broschüren berücksichtigen das nicht und da hätte ich das am ehesten erwartet. Ich habe das Gefühl, wir stagnieren, entwickeln uns in den Spendenorganisationen zu wenig weiter.
Das zweite, was ich vermisse ist die Werbepsychologie. Wir haben bei den Maltesern einen Key-Emotion-Check gemacht. Ein Werbepsychologe hat die ganzen Begriffe, die wir in Mailings und auf der Website haben durchgecheckt und dabei ganz andere Aussagen und Emotionen entdeckt, als die, die wir geplant hatten. Wir haben dann die Wörter ausgetauscht. Das machen noch viel zu wenige Organisationen.

(Bild: Ute Nitzsche)

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