INTERVIEW

Unternehmensspenden – definieren Sie klare Kriterien!

Basu MallickKann Spendengeld auch schmutzig sein oder heiligt der Zweck immer die Mittel? Diese Fragen heizen von jeher NGO-interne ethische Grundsatzdiskussionen an. Eine klare Corporate Fundraising Policy, und ein Kriterienkatalog für den Umgang mit Unternehmensspenden sind wichtig und hilfreich für die Durchsetzung der NGO-eigenen Spendenethik.
Ärzte ohne Grenzen verfolgt eine international vergleichsweise restriktive Politik im Umgang mit Spendengeldern von Unternehmen bzw. bei Unternehmenskooperationen. Auf dem Fundraising Kongress 2012 sprach der Referent für Großpenden, Oliver Basu Mallick, über die Beweggründe, Stolpersteine und die Umsetzung der Spendenethik in der Praxis, wir haben nachgefragt. 

NGO-Dialog: Herr Basu Mallick, sie haben heute auf dem Fundraising Kongress über die Spendenethik Ihrer Organisation Ärzte ohne Grenzen gesprochen. Können Sie uns Ihre Corporate Fundraising Policy für den Umgang mit Firmenspenden und Firmenkooperationen kurz vorstellen?

Für unser Fundraising bei Unternehmen haben wir einen Rahmen definiert, der die Gewährleistung der Grundsätze von Ärzte ohne Grenzen und die Unabhängigkeit unserer Projektarbeit sicher stellt. Branchen, wie die Rüstungsindustrie oder Pharmahersteller stehen in einem Zielkonflikt mit unserer Arbeit. Mit Unternehmen aus diesen Bereichen können wir aus ethischen Gründen nicht zusammen arbeiten. Diese Bereiche sind zusammengefasst in einer „schwarzen Liste". In einer weiteren „grauen Liste" stehen die Branchen, bei denen es auf internationaler Ebene Diskussion gab, wir sind ja eine internationale Förderation. Hier sind Alkohol -und Glücksspielindustrie zu nennen. Es besteht aber derzeit international Einigkeit darüber, dass Spenden von der Alkoholindustrie nicht angenommen werden.

Um die Spende bzw. eine Kooperation mit einem Unternehmen bewerten zu können, haben wir ein durch Kriterien und Prüfraster standardisiertes Prüfverfahren entwickelt, das die Erhebung wirtschaftsrelevanter Daten, informeller Quellen oder eine systematische Recherche in Mediendatenbanken und im Internet beinhaltet.

NGO-Dialog: Erster Schritt des Prüfprozesses ist die Ermittlung wirtschaftsrelevanter Daten. Wie kommt man da ran?

Es kommt ganz darauf an, welche Unternehmensform der Spender hat. Wenn es sich um ein börsennotiertes Unternehmen handelt, ist es recht einfach. Bei börsennotierten Unternehmen kaufen wir in der Regel bei Rating-Agenturen einen Report der Firma ein. Hier finden Sie alle relevanten Angaben zum Unternehmen, wie zum Beispiel seines sozialen Engagements oder seiner Nachhaltigkeit. Den Report werten wir dann entsprechend unserer Vorgaben aus. Ein effizienter und effektiver Weg.

Aufwändiger ist es, wenn Sie das Unternehmen selber prüfen müssen. Bei Auskunfteien erhalten Sie Informationen zu den wirtschaftsrelevanten Daten mit einem Katalog von Schlagwörtern. Damit können Sie im Internet und/oder Mediendatenbanken zum Unternehmen recherchieren. Überlegt man sich, welche Schlagworte verwendet werden sollen, dann lässt sich in relativ kurzer Zeit eine zuverlässige Unternehmens-Prüfung erzielen.

NGO-Dialog: Mit welchem personellen und finanziellen Aufwand ist das verbunden und wie aktualisieren Sie Ihre Informationen?

Der Aufwand lässt sich zeitlich schwer bemessen. Wenn Sie eine Spendenethik entwickelt haben, müssen Sie sich auch die Zeit nehmen, die Fälle zu prüfen. In unserer Abteilung  ist eine Assistentin gemeinsam mit einem Referenten unter anderem damit beauftragt. Es wird demnächst zu Umstrukturierungen kommen und wir werden unser Prüfsystem weiter überarbeiten. Spätestens um die Weihnachtszeit, wenn erfahrungsgemäß die meisten Firmenspenden anfallen, werden wir sehen, wie gut es funktioniert.

NGO-Dialog: Könnten Sie kurz etwas zu den Kriterien sagen, nach denen Ihre Organisation Unternehmen bewertet?

Wir sind ja eine medizinische Nothilfe-Organisation und wir denken  aus der Perspektive unserer Patienten. Das heißt, wenn wir eine Spende von einem Unternehmen annehmen, dann muss unsere Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit garantiert werden. Ebenso muss der Schutz unserer Projekte, unserer Mitarbeiter und unserer sozialen Marke „Ärzte ohne Grenzen" gewahrt bleiben. Aus dieser Perspektive bewerten wir die Unternehmen, die mit uns zusammen arbeiten oder uns unterstützen wollen. Es kann zielführend sein, einen Schwellenwert zu definieren: Wie viel Prozent vom Gesamtumsatz des Unternehmens darf im Blacklist-Bereich liegen? Auf internationaler Ebene haben sich die Sektionen auf einen Schwellenwert von 10% verständigt. Ärzte ohne Grenzen in Deutschland tendiert seit jeher zu einer sehr strengen Auslegung des Schwellenwertes, so dass wir meist weit unter 5% liegen. Wenn wir auf Grundlage der öffentlich zugängigen Quellen kein klares Bild bekommen, haben wir Firmen auch schon um eine Selbstauskunft gebeten. Ein Muster für eine Selbstauskunft kann Ihnen ein Fachanwalt rasch erstellen.

Es gibt aber auch Bereiche, mit denen wir eine Zusammenarbeit grundsätzlich ablehnen. Gerade die rohstofffördernde Industrie ist ein gutes Beispiel, um unsere Spendenpolitik zu verdeutlichen. Der Abbau von Seltenen Erden, Öl oder Gold in den Ländern des Südens kann zu Zwangsumsiedlungen oder Landenteignungen führen. Häufig liegen diese Abbaugebiete in Regionen, in denen es gewaltsame Konflikte gibt. Häufig sind die Vertriebenen dann unsere Patienten. Hier sehen wir uns auf der Seite der Menschen, die bei uns medizinische Hilfe suchen. Daher nehmen wir keine Spenden von der Rohstoffindustrie an.

Ein weitere Punkt ist der Umgang mit Matching Funds. Wenn beispielsweise die Mitarbeiter eines Pharmaherstellers spenden, so würden wir deren Spende annehmen. Das Angebot des Unternehmens, diese Spenden zu verdoppeln hingegen, das würden wir ablehnen.

NGO-Dialog: Woran haben Sie sich bei der Erstellung des Kriterienkataloges orientiert?

Bei der Erstellung eines eigenen Kriterienkataloges haben wir uns an unseren Sektionen in den USA, den Niederlanden und der Schweiz orientiert. Ich war für eine Woche in den USA und habe mir dort den Großspenderbereich angeschaut. In einem Workshop mit einer großen Unternehmensberatung haben wir uns weitere Anregungen geholt. Am Ende dieses Prozesses hatten wir einen Entwurf für einen neuen Prüfprozess, ein neues Prüfraster und Suchbegriffe für die Recherche. Für den neuen Schlagwortkatalog sind wir auf 24 Begriffe gekommen.

Das ist ein Prozess, den jede NGO für sich durchgehen muss, wobei unterschiedliche Kriterien wichtig sein können. Im Prinzip muss jede Organisation dafür ihr eigenes Profil entwickeln, es gibt kein universelles Lösungskonzept. Am Anfang steht die Überlegung: Was möchte man, was möchte man nicht. Es gilt, entsprechende Bereiche zu definieren. Ich würde davon abraten, einzelne Unternehmen zu listen. Wenn man  Branchen definiert und einen Schwellenwert für eine Toleranzgrenze überlegt, so wie wir es bei Ärzte ohne Grenzen auf internationaler Ebene gemacht haben, dann hat man eine gute Basis zur Bewertung von Unternehmen.

NGO-Dialog: Im Anschluss an Ihr Referat wurde gefragt, ob Ärzte ohne Grenzen tatsächlich getätigte Spenden zurück überweist, wenn Sie von einem in einer gelisteten Branche tätigen Unternehmen kommen und wie sie in den Dialog mit dem Überweiser treten. Können Sie die Antwort für unsere Leser noch einmal wiedergeben?

Wir haben eine tägliche Abfrage der Überweisungseingänge und prüfen ab einer Höhe von 3.000€. Wir schauen uns die Firmen-Großspender erst einmal im Schnellverfahren an. Wenn wir feststellen, dass es sich eindeutig um ein Unternehmen aus einer der gelisteten Branchen handelt, dann lehnen wir die Spende ab. Natürlich erfordert der Dialog mit dem Überweiser in diesem Fall Fingerspitzengefühl und diplomatisches Geschick. Das Unternehmen hat in guter Absicht gehandelt. Es ist wirklich wichtig, mit der Person zu sprechen, die die Spende beauftragt hat. Sonst landet es bei irgendjemandem auf dem Tisch, macht die Runde im Haus, das ist nicht das Ziel. Wir erklären der Person in einem persönlichen Telefonat, warum wir die Spende nicht annehmen werden. Es kommt vor, dass wir anschließend mit der CSR-Abteilung oder der Fianzabteilung telefonieren müssen, um es erneut zu erklären. Erst nach einem Gespräch leiten wir die Rücküberweisung der Spende ein. Die Rücküberweisung wird begleitet von einem erklärenden Brief.

Herr Basu Mallick, wir bedanken uns bei Ihnen für dieses Gespräch.

Herr Basu Mallick ist Referent für Großspenden bei Ärzte ohne Grenzen. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Betreuung privater Großspender. Zuvor betreute er bei Plan International Deutschland u.a. die Projekte von Unternehmen, Großspendern und Stiftungen. Herr Basu Mallick studierte in Deutschland, Indien und Australien und erwarb neben seinem Abschluss als Diplom-Geograph einen „Master of Social Change and Development" (Newcastle, Australien).

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