INTERVIEW

„Jedes Engagement braucht Strategie“

Christoph Selig
Christoph Selig

Christoph Selig verantwortet bei Deutsche Post DHL Group das Konzernprogramm GoTeach, ein Programm, das Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus schwierigen sozialen Kontexten beim Übergang von der Schule in den Beruf begleitet und unterstützt. Wir sprachen mit ihm über die Verantwortung von Unternehmen und seinen Beitrag beim aktuellen CSR-Kurs der Fundraising-Akademie.


NGO-Dialog: Herr Selig, wie ist Corporate Social Responsibility bei Deutsche Post DHL Group strukturiert?

Christoph Selig: Wir haben bei Deutsche Post DHL Group keine CSR-Abteilung in dem Sinne. Das Programm GoTeach gehört zur Abteilung Corporate Citizenship, welche zum Bereich Konzernkommunikation und Unternehmensverantwortung gehört.


NGO-Dialog: Wie war Ihre erste Berührung mit dem Thema Unternehmensverantwortung?

Christoph Selig: 2009 wurde im Konzern entschieden, dass neben den Themen Umwelt und Katastrophenhilfe ein weiterer Schwerpunkt auf das Thema Bildung gelegt werden soll. Ich durfte damals an der Entwicklung dieses neuen Themas mitarbeiten. Die Aufgabe war, herauszufinden, wie wir als Unternehmen und mit welchen Partnern einen sinnvollen und positiven Beitrag leisten können. Daraus wurde dann GoTeach.


NGO-Dialog: Eine schöne Aufgabe.

Christoph Selig: Ja, denn es gibt ja nicht so oft die Gelegenheit mit einem weißen Blatt Papier zu starten und dann über Konzeption, interne Entscheidung, Pilotierung, Implementierung, Skalierung und Evaluation ein Projekt über einen langen Zeitraum weiterentwickeln zu dürfen. Insofern bin ich in einer sehr glücklichen Position.


NGO-Dialog: Wie definiert die Deutsche Post DHL Group Corporate Social Responsibility?

Christoph Selig: Wir sprechen eher von CR also Corporate Responsibility oder Unternehmensverantwortung als von CSR. Themen sind verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln (Responsible Business Practice), die Entwicklung neuer, gesellschaftlich relevanter Produkte und Dienstleistungen (Shared Value) und natürlich unser gesellschaftliches Engagement (Corporate Citizenship) in den Bereichen Umwelt (GoGreen), Katastrophenmanagement (GoHelp) und in meinem Verantwortungsbereich GoTeach. Ziel unseres Engagements ist es, einen messbaren positiven Beitrag für Gesellschaft und Umwelt zu leisten. Im Kern stellen wir unser globales Netzwerk zur Verfügung und bringen das Know-how unserer Kolleginnen und Kollegen vor Ort ein.
Seit vielen Jahren arbeiten wir mit etablierten Partnerorganisationen zusammen, die aufgrund ihrer Erfahrung wissen, wo unser Engagement bestmögliche Wirkung erzielt.


NGO-Dialog: Allgemein gilt, dass sich Unternehmen gesellschaftlich engagieren sollen. Gleichzeitig wird ihnen aber vorgeworfen, damit „Greenwashing“ zu betreiben. Wie geht man mit so einem Spagat um?

Christoph Selig: Dazu kann ich nur sagen, sprechen Sie am besten mit unseren Partnern, um festzustellen, dass wir unsere soziale und ökologische Unternehmensverantwortung ernst nehmen.


NGO-Dialog: Welchen internen Stellenwert hat Corporate Citizenship in Ihrem Unternehmen?

Christoph Selig: Wir sind mit unserem Programm GoTeach und den damit verbundenen Partnerschaften mit den SOS-Kinderdörfern und mit Teach For All im Unternehmen sehr gut verankert und gut positioniert. Alle unsere Programme basieren auf dem Engagement unserer lokalen Kolleginnen und Kollegen in inzwischen über 50 Ländern. Das kann nur funktionieren, wenn es vor Ort eine Bereitschaft gibt, sich aktiv zu engagieren. Das große Interesse zeigt sich schon allein dadurch, dass wir auf Initiative der Kolleginnen und Kollegen vor Ort unsere Partnerschaften stetig auf weitere Länder ausdehnen


NGO-Dialog: Die lokale Ausformung der Programme überlassen Sie den Mitarbeitern vor Ort?

Christoph Selig: Richtig. Wir geben nur das Thema – Employbility, die Zielgruppe – Jugendliche und junge Erwachsene ab ca. 15 Jahre und die Partner – SOS-Kinderdorf oder ein Netzwerkpartner von Teach For All vor. Die Umsetzung in konkrete Programme und Angebote erfolgt vor Ort durch die Mitarbeiter und Partner. Sie werden also nicht zwei Länder finden, in denen das Programm identisch abläuft. Trotzdem sind Inhalte natürlich vergleichbar. Da geht es um Berufsorientierung, für den Berufseinstieg notwendige Kenntnisse und Kompetenzen oder um erste praktische und unmittelbare Erfahrungen in einem professionellen Berufsumfeld.


NGO-Dialog: Einige NGOs bewerten Corporate Volunteering als schwierig. Viele sehen die Wirkung zu stark auf der Seite der Unternehmen und zu wenig auf der Seite der NGOs. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Christoph Selig: Das liegt vielleicht auch an der Ansprache. Wir haben unsere Partner auf der Programmebene angesprochen. Das Ziel von SOS-Kinderdorf beispielsweise ist es, dass junge Menschen, nachdem sie die Programme von SOS verlassen haben, eigenständig sind und auch materiell auf eigenen Füssen stehen. Viele der Dinge, die auf diesem Weg notwendig sind, kann SOS selbstverständlich aus eigener Kraft den Kindern und Jugendlichen bieten, wie Geborgenheit, Zugang zu guter Bildung, Gesundheitsversorgung etc. Beim Thema Employability ist das nicht ganz so einfach. Hier fehlen oft die Rollenvorbilder und auch die Zugänge zur Wirtschaft. Genau an diesem Punkt haben wir SOS-Kinderdorf angesprochen und angeboten, speziell in diesem Punkt SOS-Kinderdorf bei der Erfüllung seines Versprechens gegenüber den Kindern und Jugendlichen nach Kräften zu unterstützen. Interessanterweise profitieren auch unsere Mitarbeiter sehr von diesem Engagement, sie erleben die Wirkung ihres Handelns unmittelbar.


NGO-Dialog: Sie sind einer der Referenten des aktuellen CSR-Lehrgangs der FR-Akademie. Worauf bereiten Sie den CSR-Nachwuchs vor?

Christoph Selig: Das durfte ich ja schon einige Male machen. Dort beschäftige ich mich mit dem Thema Strategieentwicklung im Bereich gesellschaftliches Engagement bzw. Corporate Citizenship. Die Teilnehmer kommen aus Unternehmen, dem öffentlichen Dienst oder kleinen und großen NGOs. Ich bin der Meinung, dass Engagement immer auch ein wirkungsorientiertes Ziel haben sollte. Dazu braucht es eine Strategie. Es geht also darum, zu erkennen, wer ich als Organisation bin, was ich gut kann oder was mich auszeichnet, wo meine Stärken liegen und welches Thema ich im Sinne der SDGs besetzen möchte. Wenn ich hier Klarheit habe, kann ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Partner machen. Die Partnerschaft muss für beide Seiten Sinn machen und einen Mehrwert bringen. Sonst sind die in der Regel knappen Ressourcen falsch eingesetzt. Es geht ja am Ende darum, in der Logik der SDGs die beschriebenen Probleme zu lösen oder zumindest zur Lösung beizutragen. Idealerweise spätestens bis 2030. Das ist mein Thema, hier versuche ich Angebote zu machen.


NGO-Dialog: Das klingt spannend.

Christoph Selig: Ist es auch. Und es macht Spaß. Wir alle haben die Chance, im Rahmen unserer Möglichkeiten die Welt ein kleines Stück besser zu machen. Wäre doch schade, diese Chance nicht zu nutzen. Ich möchte gerne Neugier, Aufregung und Begeisterung erzeugen und hoffe, dass so der Beruf des CR Managers noch besser, noch spannender und noch erfüllender wird. Solange das die Teilnehmer auch so sehen, komme ich gerne jedes Jahr wieder.

(Bild: Christoph Selig)

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