INTERVIEW

„Pädagogik hat Vorfahrt vor der Ökonomie“
Oder „Fundraising tut den Schulen auch gut“

Wolfgang Mayer
Wolfgang Mayer

Wolfgang Mayer ist seit 2006 als Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising am international ausgerichteten Jesuiten-Kolleg St. Blasien im Schwarzwald tätig. Wir sprachen mit ihm über Schulfundraising und seinen neuen Lehrgang an der Fundraising-Akademie zu dem Thema.


NGO-Dialog:
Sie sind seit Mitte der 1990er Jahre mit dem Thema Fundraising und Sponsoring vertraut. Wie entwickelt sich denn das Schulfundraising in Deutschland?

Wolfgang Mayer: Ich denke, es ist immer noch ein eher junges Phänomen, und deshalb würde ich von Pionierarbeit sprechen. Wenn man nach „Schule und Fundraising“ googelt, nehme ich eine signifikante Steigerung der Trefferquote in den vergangenen Jahren wahr. Definitiv mehr Treffer als Anfang des Jahrtausends nach dem PISA-Schock. Schulfundraising hat Fahrt aufgenommen.


NGO-Dialog: Gibt es einen Unterschied zwischen freien und staatlichen Schulen?

Wolfgang Mayer: Auf jeden Fall. Die freien Schulen haben die Nase vorn und haben mehr Erfahrung, weil ja immer die Notwendigkeit bestand, Finanzierungslücken zu schließen.


NGO-Dialog: Und die staatlichen?

Wolfgang Mayer: Einige sind sicher schon so weit. Einzelne waren auch im ersten Kurs Schulfundraising an der Fundraising-Akademie dabei. Aber insgesamt stehen wir hier noch am Anfang, da es immer noch vorrangig als Staatsaufgabe wahrgenommen wird. Es ist hier für Schulfundraising natürlich schwieriger, denn die Finanzierungslage ist ganz anders, und da braucht es, glaube ich, noch mehr Anreize und Überzeugungsarbeit, dass Fundraising die staatlichen Schulen nicht nur finanziell bereichert.


NGO-Dialog: Was sind die größten Fehler, die Schulen im Fundraising noch machen?

Wolfgang Mayer: Fundraising wird noch zu wenig als Veränderung, als Kulturwandel wahrgenommen. Das darf man nicht außer Acht lassen. Den Schulen tut es doch gut, sich zu öffnen. Auch die Geber- und die Nachfrageseite besser wahrzunehmen hat schon positive Effekte. Fundraising kann nur gut funktionieren, wenn es in der Schule verankert wird. Das heißt, die Schulleitung muss das auch wollen und initiieren – das ist entscheidend. Aber es muss auch eine Mobilisierung von unten geben. Gleichzeitig darf sich in der Schule nicht alles ums Geld drehen – das ist die pädagogische Kunst!


NGO-Dialog: Da sprechen Sie bereits eine wichtige Zielgruppe der Schule an, die Eltern. Sie stehen dem Fundraising bei dieser Gruppe durchaus zurückhaltend in der aktiven Ansprache gegenüber. Wo sehen Sie da die Schwierigkeiten?

Wolfgang Mayer: Ja, da unterscheidet sich das Fundraising, denke ich, zentral von anderen Bereichen. In der Schule haben wir ein Abhängigkeitsverhältnis, denn die Schüler sind ja nicht freiwillig da. Es herrscht ja Schulpflicht. Von abhängigen Eltern aktiv Geld zu erbitten, ist ethisch sehr kritisch. Eltern müssen sich in ihrem Selbstverständnis mindestens um 50 Prozent aus ihrer Rolle der Eltern heraus begeben und nicht mehr nur ihr eigenes Kind, sondern die Schulgemeinschaft im Blick haben. Das ist wichtig, damit es am Ende auch keine negativen Rückkopplungen auf die Kinder von spendablen Eltern gibt. Vor dem Verdacht, dass durch die Spende bessere Noten oder gar eine Versetzung möglich sind, muss man die Kinder und ihr Image schützen.


NGO-Dialog: Brauchen wir Compliance-Regeln, damit potente Spenderinnen und Spender nicht in die Schule hineinregieren können?

Wolfgang Mayer: Auf jeden Fall braucht es Compliance-Regeln oder ethische Grundregeln, die sich die Schule gibt. Das braucht natürlich auch einen internen Konsens, was man will und wo die Grenzen für die Annahme einer Spende liegen. Dazu gehört auch zu klären, von wem man Spenden nicht annimmt, also von welcher Branche bei Unternehmen zum Beispiel. Das kann also sehr hilfreich sein, weil es Entscheidungen und Verfahren erleichtert.


NGO-Dialog: Und wie sehen Sie das Engagement von Unternehmen an Schulen?

Wolfgang Mayer: Ich glaube, Unternehmen haben ein legitimes Interesse an Nachwuchsgewinnung. Das heißt, man sollte sich solche Akteure vorher immer genau anschauen und dann erproben, wie die gemeinsamen Projekte ablaufen. Der pädagogische Auftrag darf am Ende eben nicht gefährdet werden. Die Pädagogik hat Vorfahrt vor der Ökonomie oder tendenziöser Meinungsbeeinflussung. Hier muss eben genau geschaut werden, was inhaltlich auch im Windschatten von Unternehmen und Verbänden in die Schule hineingetragen werden soll. Die curriculare Hoheit über die in der Schule vermittelten Inhalte muss bei den Lehrern bleiben und darf nicht an externe Akteuren delegiert werden.


NGO-Dialog: Wie läuft es denn mit dem Fundraising am Jesuiten-Kolleg St. Blasien, wo Sie tätig sind?

Wolfgang Mayer: Da habe ich kürzlich eine Fundraising-Sternstunde erlebt, als ein engagierter Alumnus des Kolleg St. Blasien unserem modernen Schülerfernsehen die Tür zum Weltmarktführer für Filmkameras und Licht-Equipement geöffnet hat. Die ARRI AG in München unterstützt uns gegenwärtig mit einem professionellen Kamerapaket und Lichttechnik, einem hochwertigen Praxisworkshop für das Kollegsfernsehen (KFS) in der ARRI Academy und mit begehrten Schülerpraktika am Filmset und in der Postproduktion – ein Traum! Da hat die langjährige Basis- und Bindungsarbeit mit unseren Alumni doch ein wunderbares Ergebnis gebracht.
Ein wichtiger Akteur ist bei uns der Schulförderverein. Ein solcher Verein kann Motor und Treiber im Fundraising sein. Diese Möglichmacher können viel zivilgesellschaftliches Engagement, Ehrenamt und Vernetzung bündeln.


NGO-Dialog: Was erwartet nun die Teilnehmenden beim 2. Lehrgang Schulfundraising an der Fundraising-Akademie, der von Ihnen geleitet wird?

Wolfgang Mayer: Wir wollen natürlich spezifisches Fundraising Know-how für Schulen vermitteln. Dazu haben wir erfahrene Experten aus der Schulwelt eingeladen. Diese werden ihre „Learnings“ als Best Practice-Beispiele einbringen. Zum Beispiel die innovative Quinoa-Schule in Berlin-Wedding, die gerade mit einer ambitionierten Crowdfunding-Kampagne für Stipendien gestartet sind. Auch der bekannte Direktor des Kolleg St. Blasien, Jesuitenpater Klaus Mertes SJ, wird in einem Kamingespräch über „großes Tennis“ sprechen. Die Themen Alumni-Netzwerke und Online-Fundraising werden natürlich auch eine Rolle spielen und die Frage, wie man Schulfundraising implementiert.


NGO-Dialog:
Was haben die Teilnehmenden aus dem ersten Kurs mitgenommen?

Wolfgang Mayer: Also die Feedbacks waren wirklich super. Besonders die hochkarätigen Referenten und die Praxisnähe wurden sehr gelobt. Man konnte da sicher viele neue inhaltliche Impulse für die Arbeit mitnehmen. Ich denke, einige haben ihre Strategien danach nochmal umstrukturiert und konnten so ihre Kompetenzen erweitern.

Fortbildung „Fundraising-Exzellenz für Schulen“

1. Modul: 04. – 06. Oktober 2018 in Ludwigshafen
2. Modul: 28. – 30. März 2019 in Ludwigshafen

Weitere Informationen

(Bild: privat)

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