INTERVIEW

„Online spielt nur eine Geige im Gesamtkonzert“

Wolfgang Porschen
Wolfgang Porschen

Wolfgang Porschen ist Geschäftsführer Marketing & Fundraising bei Plan International Deutschland e.V. in Hamburg. Plan ist die größte Patenschaftsorganisation Deutschlands. Wir sprachen mit ihm über das Marketing der Organisation.

NGO-Dialog: Plan International hat sich in den letzten Jahren vor allem durch neu hinzugewonnene Paten sehr gut entwickelt. Welche Zielgruppen sprechen Sie mit Patenschaften an?

Wolfgang Porschen: Das ist eigentlich kein Geheimnis. Es sind vorwiegend Frauen zwischen 30 und 60. Jüngere Zielgruppen, die sich für benachteiligte Menschen in armen Regionen einsetzen möchten, erreichen wir durch andere Maßnahmen und Angebote.


NGO-Dialog: Sie haben sich ja sehr auf das Thema Mädchen konzentriert. Wie kam es zu der Entscheidung?

Wolfgang Porschen: Das liegt schon länger zurück. Unsere damalige Geschäftsführerin Marianne Raven traf in Nepal auf ein kleines Mädchen, das bei Regen ohne Jacke unterwegs war und fürchterlich fror. Als sie deren Mutter deswegen ansprach, sagte die nur: „Sie ist doch nur ein Mädchen.“ Das gab bei Plan einen großen Anstoß, sich mit der Gleichbehandlung von Jungen und Mädchen zu beschäftigen. Das deutsche Büro hat dann dieses Thema in die internationale Plan-Gemeinde getragen, und heute können wir sagen, es durchzieht mittlerweile die komplette Organisation in 21 Ländern, in denen es Plan gibt und auch in den 51 Programmländern. Wie wichtig uns dieses Thema ist, zeigt ja auch die internationale Kampagne „Because I am a Girl“. Der größte sichtbare Erfolg ist aber, dass die Vereinten Nationen aufgrund der Initiative von Plan und unterstützt von der deutschen Politik den Welt-Mädchentag am 11. Oktober ausgerufen haben.


NGO-Dialog: Also keine Marketingentscheidung?

Wolfgang Porschen: Nein, überhaupt nicht. Diese Strategie folgte einer inhaltlichen Entscheidung. Wir haben das dann allerdings sehr konsequent in allen Informationsmaterialien umgesetzt und diesen Fokus auf Mädchen auch permanent kommuniziert. Gerade die Informationen aus den Programmländern zeigen doch immer wieder, dass diese Entscheidung richtig ist, weil es dort eben doch den Unterschied macht, ob man als Junge oder Mädchen auf die Welt kommt. Die Arbeit vor Ort wird im Rahmen unseres „Child Centered Community Development“-Ansatzes umgesetzt. Das heißt, Plan richtet seine Projekte auf die Kinder aus. Sie und auch die Gemeinden sind immer in die Programme einbezogen, sodass wir mit und für die Menschen vor Ort arbeiten.


NGO-Dialog: Wie schaffen Sie es, Zielgruppen unter 30 für Plan International zu begeistern?

Wolfgang Porschen: Da haben wir unsere ehrenamtlichen Aktionsgruppen, die sich bundesweit für Plan stark und das Kinderhilfswerk mit originellen Aktivitäten bekannt machen. Aktionen sehen dann so aus, dass solche Gruppen auf Stadtteilfesten, Flohmärkten und kulturellen Veranstaltungen auf Plan aufmerksam machen. Da werden natürlich auch jüngere Zielgruppen erreicht, zum Beispiel wenn am Welt-Mädchentag markante Bauwerke in Pink angestrahlt werden und so ein Zeichen für die Rechte der Mädchen gesetzt wird. Wir haben auch darüber hinaus diverse Maßnahmen geplant, gar nicht mal unter dem Fundraising-, sondern unter dem Awareness-Aspekt, um jüngere Menschen zu erreichen. Aktuell machen wir uns viele konzeptionelle Gedanken, wie wir junge Menschen an das Thema Entwicklungszusammenarbeit heranführen können.


NGO-Dialog: Im Zusammenhang mit jüngeren Zielgruppen wird immer wieder von Online-Fundraising gesprochen. Wie sehen Sie das?

Wolfgang Porschen: Wir sehen Jugendliche überhaupt nicht als Fundraising-Zielgruppe. Ihnen müssen wir Plan als Organisation doch erstmal näherbringen. Zum Beispiel, indem wir unsere besondere Arbeitsweise unter Einbeziehung der Kinder erklären oder auf die Aktion „Because I am a Girl“ hinweisen. Wir hatten im letzten Jahr auch hierzulande eine erfolgreiche Aktion von Jugendlichen, die „Make me visible!“ hieß. Dabei ging es um das Thema Geburtenregistrierung. In Deutschland kein Thema, aber in Entwicklungsländern gibt es oft keine Geburtsurkunde. Dabei lässt sich erst mit einem solchen Dokument beweisen, dass es mich gibt. Die Gefahr, die sich für Kinder ohne eine Geburtsurkunde ergibt, haben die Jugendlichen mit kleinen, aber feinen Aktionen bekannt gemacht – und dabei alles selber geplant und umgesetzt. Wir haben da eigentlich nur geholfen, wenn wir gefragt wurden, und die Produktionskosten zum Beispiel für Flyer übernommen. Die Jugendlichen hatten extrem viel Freiraum und wir sind sehr stolz, dass sie ihre eigenen Ideen von A-Z realisiert haben. Viele tausend Menschen unterzeichneten die Petition der Jugendlichen mit ihrem Fingerabdruck. Ich glaube, so bezieht man junge Leute aktiv ein und macht sich in diesem Umfeld auch bekannt. Partizipation durchzieht heute die gesamte Arbeit von Plan. Jugendliche haben übrigens auch in den Plan-Gremien einen offiziellen Status.


NGO-Dialog: Wie sehen Sie generell die Online-Kommunikation für die Entwicklung von Plan?

Wolfgang Porschen: Das ist für uns ein sehr wichtiger Kommunikationskanal, über den wir auch viele Patenschaften gewinnen. Er ist aus der Plan-Welt nicht mehr wegzudenken. Aber wir sind sowohl online als auch offline unterwegs, und das Ziel muss es sein, eine gute Verbindung herzustellen, sodass sich die Kanäle gegenseitig gut unterstützen. Das gelingt uns schon recht gut, aber das Patenschaftswachstum ist nicht mehr so rasant wie in den letzten Jahren. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir das Ziel für dieses Jahr erreichen, weil das Interesse an Patenschaften aktuell wieder ansteigt. Die großen Sprünge sehe ich aber in nächster Zeit nicht. Wir arbeiten an neuen Konzepten, und dazu haben wir gerade unsere Website relauncht.


NGO-Dialog: Wie wichtig ist das Zusammenspiel der Kommunikationsmaßnahmen?

Wolfgang Porschen: Online ist wichtig, spielt aber nur eine Geige im Gesamtkonzert aller Maßnahmen. Es geht um Balance. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, nur auf einen Kanal zu setzen, wir agieren hier kanalübergreifend. Schauen Sie sich mal die Spiegel-Online-Seite an. Sie konkurrieren dort mit dem Reifenhersteller und mit vielen weiteren Werbeanstößen. Sie hätten gar keine Chance, wenn Sie nur auf eine Sache setzen würden, und deshalb ist die Mehrkanalstrategie richtig.

(Bild: Plan International Deutschland)

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