INTERVIEW

„Vertrauen auf beiden Seiten“

Aktiv für den BUND: Almuth Wenta
Aktiv für den BUND: Almuth Wenta

Almuth Wenta berät seit über 15 Jahren Menschen zu Erbe und Testament in gemeinnützigen Organisationen. Matthias Daberstiel sprach mit der engagierten Nachlass-Fundraiserin beim BUND e.V. am Rande des Fundraising Symposiums Stiftung & Nachlass des Fundraiser-Magazins vergangenen Februar über ihren spannenden aber auch schwierigen Job.


NGO-Dialog:
Wie sind Sie Nachlass-Fundraiserin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e.V.) geworden?

Almuth Wenta: Ich habe schon bei „Ärzte ohne Grenzen“ ab 2005 das Thema mit aufgebaut. Es gab damals die Einsicht und Notwendigkeit, das bekannter zu machen. Bei „Amnesty“ war ich im Anschluss zwei Jahre und habe auch dort das Thema inhaltlich verantwortet und bin dann vom BUND angesprochen worden; mit der Maßgabe, eben vor allem in diesem Bereich zu arbeiten und das weiter zu entwickeln. Das habe ich gerne gemacht und habe tatsächlich gerade mein 10-jähriges Jubiläum beim BUND im Nachlass-Fundraising.


NGO-Dialog:
 
Als Ihnen das Thema angetragen wurde, hatten Sie da keine Berührungsängste mit Tod, Krankheit, Menschen, die bald sterben werden?

Almuth Wenta: Im Gegenteil: Ich habe – das ist ja oft bei solchen Themen so – einen eigenen biografischen Bezug. Ein guter Freund von mir ist sehr elendig an HIV gestorben. Und auf der Beerdigungsfeier hieß es dann von seiner Familie, er hätte eine Lungenentzündung gehabt. Sein Sterben war ganz fürchterlich. Und ich habe mich dann entschlossen, schon mit Anfang 20 in die Hospizbewegung zu gehen. Habe fast vier Jahre als Sterbebegleiterin gearbeitet, vor allem im stationären Hospizbereich, war auch in der Finalpflege und in der Seelsorge. Da habe ich die Berührungsängste mit den Themen weitestgehend verloren und neue Perspektiven gewonnen.


NGO-Dialog: Wie verläuft denn ein typischer Tag einer Nachlass-Fundraiserin?

Almuth Wenta: Der typische Tag ist teilweise fremdbestimmt bis chaotisch. Jedenfalls auf mich bezogen. Es geht darum, meine Arbeit in zwei wesentliche Blöcke zu teilen. Es gibt einen hohen Anteil an reaktiver Arbeit – also, dass Menschen mich erreichen wollen. Das ist manchmal geplant, manchmal nicht. Menschen entscheiden sich auch spontan per E-Mail oder Anruf, sich des Themas anzunehmen. Oder es wurde gerade ein innerer Widerstand überwunden, und dann wird zum Hörer gegriffen. Deshalb ist für mich wichtig, hier auch tatsächlich eine hohe Präsenz zu haben und hinter jedem Anruf mit der Haltung zu stehen: Jeder Anruf ist ein Geschenk. Und zu schauen: Es kann jemand sein, der seine Adresse ändern will. Es kann auch jemand sein, der uns mehrere Millionen Euro in Aussicht stellt. Beides ist möglich und beides braucht dann tatsächlich meine Aufmerksamkeit.
Daneben gibt es natürlich einen hohen organisatorischen Anteil, wo ich Gespräche, E-Mails und auch Treffen natürlich selbst terminiere und dann zu einem festgelegten Zeitpunkt mit den Leuten spreche. Das ist dann natürlich noch mal in einer ganz konzentrierten Atmosphäre, wo ich mich auch teilweise vorbereite, indem ich vorher schon Fragen bekommen habe und Ähnliches.


NGO-Dialog: Ein gutes Gespräch besteht zu 80 Prozent aus Zuhören. Wie schafft man das?

Almuth Wenta: Für ein Beratungs- und Beziehungsgespräch ist das Zuhören und hier dezidiert das aktive Zuhören unerlässlich. Ich muss wirklich verstehen, was will mein Gegenüber, ich muss seine oder ihre Gedanken und Wünsche kompatibel machen. Ich muss in einer Scharnierwirkung, in einer Scharnierfunktion agieren, und ich muss mich wirklich aktiv einlassen auf die Person und wirklich zuhören können.


NGO-Dialog: Welche Motive für ein Vermächtnis an eine NGO werden dabei genannt?

Almuth Wenta: Vermächtnisse und Testamente haben einen hohen biografischen Bezug. Typische Sätze sind zum Beispiel: ,Als Kind habe ich dem Großvater auch immer bei den Bienen geholfen, und das hat mich nicht mehr losgelassen. Deshalb ist mir das Bienensterben ein großes Anliegen.‘ Oder: ,In meiner Kindheit bin ich noch in der Elbe geschwommen und war ganz traurig, dass es viele Jahre nicht ging.‘ Das heißt: Die Menschen stellen einen Bezug zu ihrem Leben her. Das kann eben kindheitsbezogen sein, das kann auch durch einen Partner sein, der neue Impulse setzt oder durch die eigenen Kinder und Enkel. In all diesen Gesprächen wird in einem gewissen Automatismus die Motivation des Gebens benannt, und diese Motivation speist sich zu fast 100 Prozent aus biografischen Familienbezügen.


NGO-Dialog: Ich kann mir vorstellen, dass viele sich für das Thema interessieren und sehr dankbar sind für diese Beratung, die sie nichts kostet. Auf der anderen Seite stellt höchstwahrscheinlich dann der Vorstand des BUND die Frage: Was bringt uns das?

Almuth Wenta: Beziehungsarbeit lässt sich nur bedingt messen. Es passiert schon, dass Menschen eine Kopie ihrer testamentarischen Verfügung an uns schicken, was – und das muss man klar sagen – auch noch nichts bedeutet. Du kannst ja bis zum Schluss dein Testament ändern. Es ist tatsächlich das Vertrauen auf beiden Seiten. Die Beratungen, die ich mache oder auch mit meinem Kollegen, der als Jurist den rechtlichen Teil abdeckt, wenn das gewünscht ist, – diese Beratung fußt darauf, dass der BUND etwas bekommt. Das klären wir im Vorfeld: Ein Vermächtnis, eine Schenkung zu Lebzeiten oder die Erbschaft. Das entzieht sich natürlich einer finalen Überprüfbarkeit. Ich kann nicht zum Amtsgericht gehen und sagen. ,Gebt mal das Testament her, ich will nachschauen, ob das stimmt.‘ Das wäre die einzige Sicherheit. Ich muss aber allerdings auch sagen, dass mir in den 15 Jahren meiner Tätigkeit noch kein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte diese Frage gestellt hat. Das stimmt mich hoffnungsfroh.


NGO-Dialog: Die Nähe zu Menschen, ihren Motiven und Problemen ist eine wichtige Facette dieses Jobs. Braucht man eine psychologische Ausbildung oder zumindest eine Weiterbildung in diesem Bereich? Ist so etwas hilfreich?

Almuth Wenta: Da plädiere ich sehr dafür. Männer und Frauen, die in dem Bereich arbeiten, sollten sich sehr stark reflektieren. Ich bin sehr für eine Begleitung durch eine Arbeitspsychologin oder einen Arbeitspsychologen oder dafür, mal mit einem Notfallseelsorger oder einer Trauma-Therapeutin zu sprechen. Ich vermisse auch im fachlichen Austausch diese Komponente sehr. Wir sind ja ganz toll als Fundraiserinnen und Fundraiser darin, unsere technischen Termini abzuklopfen und uns hinter Zahlen auch ein Stück weit zu verbarrikadieren. Aber wo bleiben wir dann mit unseren Gefühlen, und wo bleiben wir auch mit den Eindrücken, die sich über die Jahre anstauen? Wo bleiben wir auch damit, Stress und diese hohe Intimität in einen guten Einklang zu bringen? Hier mal über solche Themen wie Supervisionen nachzudenken, finde ich elementar. Jede Weiterbildung in dem Bereich ist hilfreich.

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(Bild: BUND e.V.)

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