INTERVIEW

„Über mangelnde Unterstützung können wir uns nicht beschweren.“

Christian Budde
Christian Budde

Ende März fand zum 11. Mal der „Hamburger Wohlfühlmorgen“ statt. Wir sprachen mit Christian Budde, Diözesanreferent des Malteser Hilfsdienst e.V. und einer der Organisatoren über dieses Projekt und seine Auswirkungen auf das Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit der Malteser.

NGO-Dialog: Was ist der Wohlfühlmorgen?

Christian Budde: Der Hamburger Wohlfühlmorgen ist ein Angebot für Wohnungslose und arme Menschen, sich einen Vormittag mal richtig wohlzufühlen. Es ist ein Vormittag, der an einer Schule stattfindet und viele Angebote bietet. Es gibt dort Massagen, ärztliche Untersuchungen, Akkupunktur, natürlich ein sehr umfangreiches Frühstück mit Lachs und Obstsalat und anderen Leckereien, man kann sich mit neuer Kleidung eindecken usw. Man kann sogar zum Zahnarzt gehen, was natürlich für den ein oder anderen nichts mit wohlfühlen zu tun hat, aber langfristig eine Verbesserung der Lebenssituation ist und darum geht es uns auch. Man kann sogar seinen Hund mitbringen und ihn tierärztlich untersuchen lassen. Es geht also um Dinge, die für uns selbstverständlich sind, aber für viele Menschen die von Hartz IV oder noch weniger leben eben nicht.


NGO-Dialog: Wie wird denn der Wohlfühlmorgen angenommen und wie wird er von der Hamburger Bevölkerung gesehen.

Christian Budde: Angefangen haben wir mit 150 Gästen und heute sind es fast 400, die den Wohlfühlmorgen besuchen. Aber auch auf der Seite der Unterstützer wächst das Ganze. Wir haben mit 50 Ehrenamtlichen angefangen und werden heute von 100 unterstützt, die dort auf- und abbauen, Nummern vergeben beim Friseur und uns einfach auf vielfältige Weise unterstützen. Wir merken auch, je bekannter der Wohlfühlmorgen wird, desto mehr Hilfsangebote der Hamburger Bevölkerung kommen. Es gibt hier zum Beispiel die „Clubkinder“, eine Organisation, die eigentlich eher alternative Kulturszene ist, die schneiden zum Beispiel Haare für den guten Zweck und geben die Einnahmen an den Wohlfühlmorgen. Oder die Organisation „Hilf mal“, ein Zusammenschluss von Restaurants, die einen Euro auf die Rechnung aufschlagen und das dann an Obdachlosenprojekte weitergeben. Da sind über den Winter 20.000 Euro zusammengekommen und da passt der Wohlfühlmorgen als Adressat natürlich gut dazu. Über mangelnde Unterstützung, Manpower oder Ehrenamt können wir uns also nicht beschweren.


NGO-Dialog: Dieses Projekt ist ja eigentlich Öffentlichkeitsarbeit …

Christian Budde: Ja, richtig, eigentlich sogar Lobbyarbeit. Versteht sich auch als Brückenbauer. Viele der Ehrenamtlichen, gerade die Schüler, haben natürlich kaum Kontakt zu Obdachlosen und lernen, wie schnell man abrutschen kann und wie nah einem die Menschen eigentlich sind und welche Freude man beim Helfen hat.

Einfach wohlfühlen
Einfach wohlfühlen

NGO-Dialog: Am Projekt sind ja nicht nur die Malteser beteiligt, sondern auch die Caritas oder der Sozialdienst katholischer Frauen Altona. Wie kam es zur Kooperation?

Christian Budde: Wir haben überlegt, was die katholischen Verbände mal gemeinsam an „Pferdestärken“ auf die Straße bringen können und unsere Erfahrung mit diesem Projekt zeigt, dass jeder seine Stärken in das Projekt einbringt. Wir haben als Malteser zum Beispiel kein „Zahnmobil“. Das hat die Caritas. Dafür haben die keine Rechts- und Sozialberater. So liegt in der Kooperation fast schon eine Selbstverständlichkeit. Für unsere Organisationen hat sich dabei auch herausgestellt, dass wir uns jetzt schon viel mehr auf dem Schirm haben und austauschen, uns gegenseitig unterstützen. Also wenn die Caritas eine Gulaschkanone braucht, fragen die jetzt nicht mehr beim DRK an, sondern bei uns. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist weit von Konkurrenz entfernt und ich kann nur sagen: Ja! Mehr davon!


NGO-Dialog: Sie haben auch die BILD als Sponsor. Sind die Medienpartner?

Christian Budde: Oh nein, die BILD spendet Zeitungen für den Wohlfühlmorgen, um sich die Zeit in den Wartezonen zu verkürzen. Die Zeit und der Spiegel werden da eher weniger gelesen. Die BILD ist also leider nur im Sachspendenbereich dabei.


NGO-Dialog: Sie bekommen viele Sachspenden und ehrenamtliche Hilfe, aber ohne Geld wird es doch nicht gehen?

Christian Budde: Es bleiben viele Kosten stehen, wie für Tiermedikamente, ärztliche Untersuchungen, die sich anschließen müssen, wie Röntgen und ähnliches, oder die Kosten für die Endreinigung der Schule, auch Kosten für Lebensmittel, Geschirranmietung oder auch für Anschaffungen, die man für so ein Event braucht. Etwa große Kaffeemaschinen und Trennwände für die Massagebereiche wegen der Intimsphäre. Die Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld kostet natürlich auch. Wir haben mal ausgerechnet, dass ein Hamburger Wohlfühlmorgen unter Vollkostengesichtspunkten so 9.000 Euro kostet und es bleiben so 4.000 Euro, die wir als über Fundraising und Sponsoring aufbringen müssen.


NGO-Dialog: Fällt es mittlerweile leichter, dieses Geld aufzubringen, wenn man das 11. Mal gemacht hat?

Christian Budde: Ja, das fällt natürlich leichter. Wir haben auch ein tolles Buch veröffentlicht, das auf 110 Seiten beeindruckende Porträts von Wohnungslosen zeigt. Wenn wir damit in der Kaltakquise sind, merken wir schnell, wie gut unser Projekt visuell ankommt und damit leichter zu verstehen ist.


NGO-Dialog: Wie ist das Buch finanziert worden?

Christian Budde: Da haben uns ein paar Stiftungen unter die Arme gegriffen, und die Deutsche Papier-Union spendete das Papier. Außerdem verzichteten Layouter und Fotografen weitestgehend auf Honorare, so dass dieses Buch ein Mittel geworden ist, zusätzlich Geld in die Kasse zu bekommen, als dass es etwas gekostet hätte.


NGO-Dialog: Wieviel Bücher wurden gedruckt?

Christian Budde: 2000, und davon sind ungefähr 1700 verkauft für einen Ladenpreis von 19,80 Euro. Sozusagen ein Merchandisingartikel und eine Einnahme für den Wohlfühlmorgen.


NGO-Dialog: Ist das Projekt Wohlfühlmorgen auch auf andere Städte übertragbar?

Christian Budde: Das ist auf die ganze Republik übertragbar! Die Malteser haben 700 Standorte in Deutschland, da ist noch Luft nach oben. Man kann es alleine machen oder mit Partnern. Wir starten jetzt gerade in Kiel und haben auch in Bremen schon drei Wohlfühlmorgen gemacht. Ursprünglich stammt das Konzept ja aus Köln und Düsseldorf, die dort eine Veranstaltung in ähnlicher Form viermal im Jahr machen. Der Wohlfühlmorgen in Hamburg wird zweimal im Jahr durchgeführt und hat dort eine schöne Eigendynamik bekommen. Es gab jetzt auch schon Anfragen aus Hildesheim und anderen Städten. Auch eine Schule in Essen soll das schon allein gestemmt haben.


NGO-Dialog: Die Malteser sind also auch offen, das Konzept weiterzugeben?

Christian Budde: Ja natürlich, da geben wir Auskunft. Wenn man es aber Wohlfühlmorgen nennt, was für uns schon eine echte Marke ist, würden wir das schon gern im Zusammenhang mit den Maltesern durchgeführt sehen. Grundsätzlich kann man das aber überall machen, eventuell mit einem anderen Namen.


NGO-Dialog: Was sollte man beachten, wenn man eine solche Veranstaltung macht?

Christian Budde: Am wichtigsten ist der Ort. Sehr gut geeignet sind Schulen, wo man viele Angebote separat unterbringen kann. Man baucht auch eine Duschmöglichkeit und eine Aula für das Essen. Eine Schule eignet sich deshalb auch gut, um gemeinsam ein Sozialprojekt daraus zu machen und die Schüler einzubinden. Und ein Hotel als Caterer ist der zweite dicke Nagel, den man einschlagen muss. Für uns ist das sehr entlastend, dass wir das Hamburger Renaissance-Hotel an unserer Seite haben, das uns eine Menge abnimmt. Die wickeln das mit viel Know-how, wohlorganisiert und sehr professionell ab. Da braucht man sich keinen Kopf zu machen und es ist ein echter Ruhepol für uns als Organisatoren.

(Bild: Caritas Hamburg, Mauricio Bustamante)

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