INTERVIEW

Es fühlt sich nicht fremd an, wenn wir um eine Spende bitten.

Dr. Matthias Lehmann

Dr. Matthias Lehmann ist Manager of Direct Response Fundraising der Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. und verantwortet dort ein ausgeklügeltes Online-Fundraising. Wir sprachen mit ihm über seine praktischen Erfahrungen und die Zukunft des Online-Fundraisings.

NGO-Dialog: Herr Dr. Lehmann, PETA gilt momentan als der heimliche Vorreiter im Online-Fundraising in Deutschland. Wieviel Prozent Ihrer Neuspender gewinnen Sie denn online?

Momentan sind das zwischen 70 und 80 Prozent.

NGO-Dialog: Eine stolze Zahl, wie erklären Sie sich das?

Ich würde sagen, es liegt daran, dass wir im Online-Bereich einfach sehr viel kommunizieren und auch eine online-affine Zielgruppe ansprechen. Wir bieten über Website und soziale Medien viele Informationen und Berührungspunkte und online auch viele aktive Angebote, zum Beispiel ständig Petitionen, Verlosungen, Mitmachaktionen für Spender. Dadurch, dass die Menschen so viel bei uns machen können, beantwortet sich die Spendenfrage dann fast automatisch. Es fühlt sich nicht so fremd an, wenn wir um eine Spende bitten.

NGO-Dialog: Was war dafür nötig?

Wir haben im Online-Bereich viel in Technik und Personal investiert. Das heißt Suchmaschinenoptimierung, Auffindbarkeit der Seite, Inhalte, die wir anbieten wollen, das alles ist gut aufgestellt. So tragen sich dann auch viele in unseren E-Mail-Newsletter ein, in dem wir deutlich häufiger nach Spenden fragen als andere Organisationen. Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres haben wir über eine E-Mail- und Facebook-Aktion 700 Neuspender gewinnen können. Zum großen Teil auch gleich als Dauerspender.

NGO-Dialog: Was zahlt man als Fördermitglied bei Ihnen?

Das können sich die Spender frei auswählen. Wir schlagen einen Monatsbeitrag von fünf Euro vor. Wobei viele Leute dann doch etwas höher gehen. Zwischen 60 und 120 Euro im Jahr zahlen aber die Meisten.

NGO-Dialog: Wenn Sie über E-Mail um Spenden bitten, braucht es da auch ein bestimmtes Thema oder rufen Sie regelmäßig im Newsletter zu Spenden auf?

Nein, das braucht schon ein Thema. Die E-Mails, die wir rausschicken, ähneln dann doch sehr stark auch unseren Spendenbriefen. Das Thema des Monats, das wir per E-Mail ansprechen, ist dann auch immer das Thema, welches das Print-Mailing hat. Da brauchen wir die gleiche Botschaft und in der E-Mail auch mehrfach im Text eine Aufforderung zum Spenden.
Viele Personen spenden dann allerdings nicht über die E-Mail, sondern über das Formular auf der Homepage. Es ist schwierig zu sagen, was dann der konkrete Auslöser war. Ich habe da die Vermutung, dass einige doch dem E-Mail-Formular weniger Vertrauen schenken, könnte ja doch Spam sein. Aber wenn eine E-Mail rausgeht, verzeichnen wir doch auch einen deutlichen Anstieg der Spenden über die Website.

NGO-Dialog: Sie haben gerade in Washington die DMA-Nonprofit-Konferenz besucht. Welche Trends wurden da vorgestellt?

Also ein großer Trend ist auch in den USA eine integrierte Multi-Channel-Fundraising-Strategie. Die Amerikaner überlegen, wie sie die Kanäle Online, Mailing, Telefon und Direct response-TV sinnvoll in einer Kampagne zusammen bringen. Da steht zum einen die strategische Frage, wie und wem schickt man wann welche Botschaft, oder wenn jemand einen Spendenbrief bekommt, wieviele E-Mails soll dieser dann noch dazu erhalten, und sollen diese E-Mails eine Spendenaufforderung enthalten oder den Spender nur als Türöffner auf den Spendenbrief hinweisen? Kurz, wie bekomme ich über die verschiedenen Kanäle eine konsistente Botschaft, ohne die Leute mit zu vielen Reizen zu überfordern oder mit zu wenig nicht aufzufallen.
Eine zweite Frage war dann auch, wie man das in der Datenbank in den Griff bekommt. Auch die Amerikaner merken, dass sie Schecks ins Büro geschickt bekommen, wenn sie E-Mails versenden. Da stellt sich schon die Frage ob man die Mails für einen Spender, der nur Schecks sendet, runterfahren darf oder ob ein Multichannelspender also nicht nur über viele Kanäle spendet, sondern sich einfach nur über verschiedene Kanäle informiert.

NGO-Dialog: Das spricht ein Thema an, das auch in der deutschen Wirtschaft stark präsent ist: Big Data. Sehen Sie diesen Trend auch für deutsche Non-Profit-Organisationen?

Sehe ich ehrlich gesagt so. Wobei ich sagen muss, von den technischen Anforderungen und Investitionen her werden wir nicht so schnell zum Thema Big Data kommen. Alle Kontaktpunkte wie E-Mail, Facebook und anderes zusammenzuführen, das sehe ich als große Herausforderung. In Deutschland allein schon wegen des Datenschutzes.
Aber nur herauszufinden, wie ist denn das Spendererlebnis, wie ist der Jahreswert des einzelnen Spenders, welche Kanäle benutze ich für das Bitten, welchen für das Danken, das ist für uns schon ein Thema. Da müssen auch in Deutschland die meisten Organisationen noch genauer darüber nachdenken.

NGO-Dialog: Solche Dinge sind doch aber nur durch Tests herausfinden?

Ja natürlich, aber vieles ist mit einem einmaligen AB-Test auch nicht zu klären. Da braucht es auch Langzeittests von Spendergruppen. Zum Beispiel, um herauszufinden, was die ideale Anzahl von E-Mails ist. Das geht doch mehr in Richtung Data-Mining. Eine Frage, welche nicht nur wir von PETA, sondern auch die Amerikaner haben, ist die Synchronisation der verschiedenen Datenbanken. Wir haben eine Spenderdatenbank, die E-Mail-Adressen werden in einem separaten System verwaltet, und Petitionen laufen noch mal an einem anderen Ort auf. Um das in ein System zu bekommen, braucht es manchmal ein bis zwei Monate, weil vieles noch von Hand erfolgen muss. Nicht so einfach.

NGO-Dialog: Ganz am Anfang sagten Sie, Sie haben nicht nur in Technik investiert sondern auch in Menschen. Was macht denn einen guten Online-Fundraiser aus?

Meiner Meinung nach muss er oder sie ein prinzipielles Verständnis für Statistik und Auswertungen mitbringen. Wir sprechen ja von einer großen Masse von Menschen, mit denen kommuniziert wird. Das unterscheidet ihn also nicht von anderen Fundraisern oder Fundraiserinnen. Eine gewisse Online-Affinität ist schon vorteilhaft. Eine Person, die kein Smartphone benutzt und nicht auf Facebook ist, wird es schwer haben, weil dann Begriffe wie Mobile Optimierung für sie einfach ein Fremdwort bleibt. Und wichtig: Spaß an der Sache und ein gutes Gefühl für Texte. Diese Mischung aus Kreativität und strukturiertem Denken – das muss passen.

 

 

(Foto: PR)

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