INTERVIEW

„Time, Talent, Treasure und Trust“: Zur neuen Kultur des Gebens

NGO-Dialog: Herr Alberg-Seberich, „Inform, Inspire, Impact!“ ist das Motto unter dem das gemeinnützige Forum for Active Philanthropy arbeitet, das Sie als stellvertretender Geschäftsführer seit 2006 mit leiten. Sie wollen eine neue Kultur des Gebens in Europa etablieren, besonders Unternehmerfamilien motivieren, sich mehr und aktiver gesellschaftlich zu engagieren. Michael Alberg-SeberichWie gehen Sie dabei vor?

Mit unserem Motto „Inform, Inspire, Impact“ ist diese Frage schon beantwortet. Es gibt drei Säulen, mit denen wir eine neue Kultur des Spendens und Stiftens in Europa unterstützen wollen. „Inform“ bedeutet für uns Informationen zum Spenden und Stiften, z.B. die Broschüren, die wir herausgeben, oder die Veröffentlichung von Stifterportraits, wie gerade in der Tageszeitung „Die Welt“. „Inspire“ bedeutet Vernetzungsaktivitäten: Wir bringen Spender und Stifter zusammen, zum Beispiel in Expeditionen, die wir organisieren, in den letzten Jahren nach Grönland zum Thema „Klimawandel“. Spender und Unternehmer erfahren dort viel über den Klimawandel. Sie können sich vor Ort mit dem Thema auseinandersetzen und überlegen, was sie zu diesem selber machen können. Wir bieten auch verschiedenste Workshops zu den Methoden des strategischen Spendens und Stiftens. Bei der dritten Säule „Impact“ arbeiten wir mit einzelnen Personen und Familien konkret an deren Strategien beim Spenden und Stiften..

NGO-Dialog: Auf welche Themen legen Sie in Ihrer Arbeit einen besonderen Wert?

Unsere inhaltlichen Schwerpunktthemen sind „Kinder & Jugend“ und „Klimawandel“ – neben den Methoden des strategischen Spenden und Stiftens. Das sind die Bereiche, die wir als Organisation gut abdecken können, mit unseren Experten-Netzwerken. Wenn es um ein ganz anders Thema geht, z. B. Kultur, dann holen wir andere Fachleute dazu, die potentielle Spender und Stifter inhaltlich beraten.

NGO-Dialog: „Strategische Philanthropie“ – Ein Begriff, den Sie in den letzten Jahren in Deutschland bekannt gemacht haben. Was steckt dahinter?

Im Kern dieses Begriffs liegt die Idee, dass man beim Spenden und Stifte eine unternehmerische Herangehensweise hat. Die Stärke von vielen Menschen, die sich philanthropisch engagieren liegt darin, dass sie in irgendeiner Art und Weise unternehmerisch aktiv gewesen sind. Sie können bestimmte Instrumente und Erfahrungen nutzen. Für uns gehört dazu, dass es nicht nur darum geht, Geld zu geben, sondern, dass auch Zeit oder Wissen investiert wird – ein intellektuelles Kapital, wenn man so will. Dass man sein soziales Kapital einer NGO zur Verfügung stellt, das heißt z. B. sein Netzwerk für die Organisation aktiviert,  und  Vertrauen gibt, weil man mit einer NGO partnerschaftlich zusammenarbeiten will.

Im Englischen lässt es sich gut zusammenfassen mit den vier Ts „Time, Talent, Treasure and Trust“. Das ist der Kern der strategischen Philanthropie. Das bedeutet nicht nur zu geben, mal einen Scheck zu schreiben, sondern wirklich längerfristig sich für bestimmte Themen zu engagieren, sich mit diesen Themen bewusst auseinander zu setzen, mit einzusteigen, zu schauen, wie sich ein Sektor zu einem Thema im Laufe der Zeit entwickeln. Sich mit der Frage zu befassen, was ist Erfolg in meinem gemeinnützigen Engagement?  

NGO-Dialog: Wenn wir von der neuen Kultur der Gabe in Deutschland sprechen, von den „neuen“ Gebern. Welche Faktoren beeinflussen das Handeln dieser Personen?

Die Kultur des Gebens in Deutschland verändert sich derzeit. Viele Geber fordern immer mehr Transparenz von den NGOs und auf der anderen Seite Evaluationsergebnisse bzw. Evidenz. Der Geber will wissen, wirkt das überhaupt, wo ich mein Geld hingebe. Wenn ich mich z. B. für Straßenkinder in Frankfurt am Main engagiere, dann will ich von der Organisation wissen, wie viele von diesen Kindern von dieser wirklich zu einem Job, der Rückkehr in die Schule, etc. motiviert werden, wie die NGO mit der Zielgruppe arbeitet und wie nachhaltig die durchführende Organisation aufgestellt ist. Dazu gehört immer wieder die Überlegung, was ist eigentlich das Finanzierungsmodell einer gemeinnützigen Organisation, die ich unterstütze. Wie kann ich heute gemeinsam mit der Organisation sicherstellen, dass die NGO nachhaltig aufgestellt ist, auch finanziell?

Der andere Punkt, der aus meiner Sicht wichtig ist, spielt genau damit rein: die Idee von „Giving while living“ – die Menschen werden während ihrer Lebzeiten aktiv und wollen sich heute engagieren. Dazu gehört, dass das Geben einen gesellschaftlichen Aspekt hat, dass man immer mehr schaut, wie kann ich mit anderen kooperieren, um größere Wirkung zu bekommen. Das sieht man ja zum Teil im Stiftungssektor in Deutschland, in den USA und Großbritannien sieht man es viel stärker bei „Giving Circles“ –Organisationen, in denen Menschen sich zusammen tun und zu einem Thema dann gemeinsam mehr geben als Geld.

NGO-Dialog: Wie verändert sich durch diesen neuen Gedanken, nicht nur Geld zu geben, sondern auch Zeit, Wissen, beim Netzwerkaufbauen zu helfen, Vertrauen zu schenken, aus Ihrer Sich der Spendenmarkt in Deutschland?

Ein Beispiel ist das Thema Transparenz. Es spielt eine immer wichtigere Rolle. Kann ich  mich schnell über die Arbeit einer NGO informieren? Dazu gehört nicht nur die Transparenz einer NGO an sich, sondern auch Evaluation – wie wirkt denn ihre Arbeit? Die Maßnahmen, die wir durchführen im Umweltschutz – dienen sie wirklich nachhaltig der Verbesserung des Klimas oder der Wasserqualität? Qualitativ und quantitativ müssen NGOs immer mehr darauf achten, dass man klar zum Ausdruck bringen kann, was mit der Arbeit bewirkt wird.

Das andere, das sich verändert, sind die Organisationsformen des Sozialmarktes. Dazu gehört die Bewegung Social Entrepreneurship oder die Social Businesses. Die NGOs in Deutschland müssen immer mehr damit rechnen, dass von der Geber-Seite die Frage gestellt wird, ob sich aus ihrer Arbeit ein Modell der finanziellen Nachhaltigkeit ergibt, das sich erweitern lässt und in dem das Fundraising eine von vielen Finanzierungsmöglichkeiten darstellt.

NGO-Dialog: Die nicht seltene Traumvorstellung einer NGO, die Fundraising betreibt und auf die Spenden, Zuwendungen oder soziale Investitionen angewiesen ist, wäre ein Großspender, der die Arbeit der NGO regelmäßig mit einem großzügigen finanziellen Beitrag unterstützt und die Organisation inhaltlich einfach „machen lässt“. Wie oft kommt es in Ihrer Praxis vor?

Ich hoffe überhaupt nicht! Mit den Spendern und Stiftern, die wir begleiten, bemühen wir uns um den Aufbau einer partnerschaftlichen Beziehung mit Organisationen. Die NGO ist immer der inhaltliche Experte, aber sollte es ein Dialog zu den geförderten Maßnahmen geben. Es ist immer natürlich die Frage der Angemessenheit – wie viel Geld gebe ich einer Organisation? Aber unabhängig vom Betrag ist immer eine Rechenschaft einzufordern.

Ich bin mir sicher, dass wir es in Zukunft immer weniger erleben werden, dass ein Spender zu einer NGO einfach sagt: „Dann macht mal!“ Ich gehe davon aus, dass neben der Berichtspflicht, immer mehr die Frage kommen wird, wie kann ich mit meinen anderen Möglichkeiten die geförderte Idee unterstützen, mitgestalten. „Hier, was kann ich Euch am weiteren Wissen einbringen?“ Das ganz Zentrale ist, dass auch NGOs versuchen, solche Menschen einzubinden, die das wollen. Man weiß es mittlerweile auch aus den unterschiedlichsten Untersuchungen, dass eine emotionale Bindung entstehen muss, sonst sagt ein Spender oder Stifter irgendwann: „OK, da brauche ich mich nicht weiter zu engagieren, die brauchen mich nicht.“

NGO-Dialog: Wenn eine NGO noch am Anfang ihrer Bemühungen um die Großspender und Unternehmens- kooperationspartner steht, was würden Sie ihr raten?

Das, worauf wir schauen, wenn wir gemeinsam mit Spendern und Stiftern nach Organisationen suchen, wo sie sich engagieren könnten, ist zunächst der transparente Zugang, Zuverlässigkeit und auch die Offenheit im Umgang miteinander. Das ist ganz, ganz wichtig.

NGO-Dialog: Herr Alberg-Seberich, Dankeschön für das Gespräch und für Ihre Zeit!

Zurück

Einen Kommentar schreiben