INTERVIEW

Face-to-Face braucht Qualität

Ricarda Raths
Ricarda Raths

Straßen- und Haustürwerbung wird von Fundraiserinnen und Fundraisern sehr unterschiedlich beurteilt. Die Ergebnisse, gerade in der Neuspenderwerbung, aber sind beachtlich. Wir sprachen mit Ricarda Raths, Leiterin Fundraising & Services beim WWF, über Realität und Qualität der Methode.


NGO-Dialog:
Straßen- und Haustürwerbung hat angeblich ein schlechtes Image. Zu Recht?

Ricarda Raths: Aus meiner Sicht nicht. Face-to-Face ist ein Instrument, welches eine Vielzahl von NGOs schon seit den 90er Jahren erfolgreich in Europa anwenden. Damals waren Großbritannien und Österreich die Vorreiter, und mittlerweile ist das auch in Deutschland und Europa etabliert. Für den WWF kann ich sagen, dass wir weltweit mit diesem Instrument sehr aktiv und erfolgreich sind.


NGO-Dialog: Wie erfolgreich ist der WWF denn in Deutschland?

Ricarda Raths: 40 Prozent unserer Neuspenderinnen und Neuspender gewinnen wir mittlerweile mit Face-to-Face. Erfolgreich sind wir auch mit Beilagen in Zeitungen und mit Spendenbriefen, aber von 70.000 neuen Förderern im Jahr gewinnen wir 40.000 mit Standwerbung an belebten Plätzen. Wichtig ist für uns die Entscheidung der Bürger für eine langfristige Unterstützung, denn das ist planbares Geld, das wir gezielt dauerhaft für Projekte einsetzen können.


NGO-Dialog: Wie lange bleiben Euch diese Dauerspender denn erhalten? Eine Lastschrift kann man ja jederzeit kündigen.

Ricarda Raths: Wir rechnen momentan mit sechs Jahren. So kalkulieren wir auch die Kampagne, denn die Kosten sind nicht unerheblich. Aber wir müssen natürlich auch alles dafür tun, um die Bindung der Spenderinnen und Spender an uns zu erhöhen, damit sie uns lange unterstützen. Es ist und bleibt aber eine Spende, und die ist freiwillig. Am Infostand machen wir aber genauso transparent, dass wir um eine Unterstützung für die nächsten Jahre bitten.


NGO-Dialog: Wie organisiert Ihr Eure Face-to-Face-Kampagnen?

Ricarda Raths: Wir arbeiten mit drei Agenturen zusammen und haben außerdem eine eigene Inhouse-Agentur. Die externen Agenturen bedienen die klassischen öffentlichen Standplätze oder sogenannte Two-Step-Kampagnen, wo wir beispielsweise auf Messen um Adressen bitten und diese dann nachtelefonieren. Die Inhouse-Kampagnen finden etwa bei Kooperationspartnern wie EDEKA statt. Das heißt: Die gehen in die Märkte und reden über die mittlerweile mehr als 1.500 Produkte, die der WWF in Kooperation mit Edeka in den Märkten hat, und bitten im Zuge der zu erklärenden Ressourcen in den Lieferketten und sozialen und ökologischen Kriterienum Spenden. Hintergrund ist, dass die lokalen EDEKA-Märkte unter anderem flexiblere Strukturen und individuellere Betreuung brauchen. Das können wir nur Inhouse lösen.


NGO-Dialog: Wie viel Einfluss und Kontrolle habt Ihr auf die Agenturen über das, was dann wirklich in Eurem Namen am Stand passiert?

Ricarda Raths: Einfluss und Kontrolle sind da nicht die richtigen Herangehensweisen. Wir pflegen ein partnerschaftliches Verhältnis und vertrauen unseren Partnern und der Zusammenarbeit, das heißt, dass wir uns von Anfang an bewusst sein müssen, dass wir gemeinsame Ziele haben. Das Verständnis schärfen wir beispielsweise in Workshops mit den Agenturen, wo wir unsere Arbeit und Ideen vorstellen und diese dann mit den Agenturen diskutieren. Ich möchte von Anfang an bei Face-to-Face-Kampagnen eine gemeinschaftliche, lösungsorientierte und inspirierende Grundhaltung drin haben.


NGO-Dialog:
Die Kritik von anderen Organisationen ist ja immer, dass es der ganzen Branche schadet, wenn es schlecht gemacht ist. Also, wenn zum Beispiel Menschen am Ärmel gezupft werden oder wenn sich jemand nicht ordnungsgemäß als Agenturmitarbeiter ausweist. Wer sind denn diese schwarzen Schafe, oder sind das Einzelfälle?

Ricarda Raths: Es gibt schwarze Schafe. und ich kann diese Bedenken auch absolut nachvollziehen. Deshalb haben wir die Qualitätsinitiative Straßen- und Haustürwerbung (Q!SH) gegründet, wo 10 Organisationen und Agenturen gemeinsam und wirklich qualitativ und ethisch hochwertig daran arbeiten. Wir haben klare Richtlinien, die zum Beispiel festlegen: Es muss sofort sichtbar sein, ob eine Agentur dahintersteckt, es muss sichtbar sein, wie die Gelder verteilt werden, es muss kommuniziert werden, wie die Bezahlung ist und vieles mehr. Es geht um die Sensibilisierung durch Klarheit und Transparenz und eine Stärkung der Akzeptanz in der Bevölkerung.


NGO-Dialog:
Richtlinien sind das eine – wie sieht es mit der Kontrolle aus?

Ricarda Raths: Wir werden dieses Jahr Geld in die Hand nehmen und sogenannte Mystery-Checks machen. Das funktioniert über eine Ombudsstelle, die uns als Agenturen und Organisationen zwei- oder dreimal im Jahr prüfen soll. Das heißt, dass Prüfende anonym ein Gespräch an den Ständen führen, in dem sie dann die Punkte unserer Richtlinien prüfen und dokumentieren. Denn das eine ist das Gefühl, was bei der Person nach dem Gespräch mit dem Dialoger bleibt, das andere sind aber ganz klare Richtwerte, die abgeprüft werden sollen.


NGO-Dialog:
Was passiert denn, wenn Mystery-Checks negativ ausfallen?

Ricarda Raths: Sanktionen sind vorgesehen und auch schon durchdacht, mussten aber bisher nicht angewendet werden. Man kann Verstöße an die Ombudsstelle melden. Diese bittet dann sofort um Nachbesserung bei den Betroffenen und um eine Stellungnahme. Wenn das nicht erfolgt, geht das in die Mitgliedschaft, die dann Maßnahmen bis hin zum Austritt der betroffenen Organisation oder Agentur treffen kann. Das wird dann auch öffentlich gemacht.


NGO-Dialog:
Und die Öffentlichkeitswirkung der Initiative?

Ricarda Raths: Da gibt es sicher noch Nachholbedarf. Aber wir stellen uns der Kritik und können auch nachweisen, dass unsere Maßnahmen und Richtlinien eine Wirkung erzielen. Noch sind wir uns nicht im Klaren, wo und wie wir am besten unsere Qualitätsinitiative auch den Spenderinnen und Spendern kommunizieren. Im Prinzip müsste man eine große Kampagne machen, aber das können wir mit unseren Mitteln nicht leisten.

(Bild: WWF)

Zurück

Einen Kommentar schreiben