INTERVIEW

Menschenleben kann man nicht mit Geld aufwiegen

Axel Steier
Axel Steier

Die in Dresden ansässige Hilfsorganisation Mission Lifeline macht seit Wochen Schlagzeilen, nicht nur weil sie mit Spenden und eigenem Schiff Flüchtende im Mittelmeer vor dem Ertrinken rettet, sondern auch weil sie in einem Gerichtsverfahren Pegida in die Schranken wies. Die „Retter des Abendlandes“ dürfen Mission Lifeline nicht mehr als „Schlepper“ bezeichnen. Wir sprachen mit dem Gründer der Organisation Axel Steier über seine Motivation und die Schwierigkeiten Menschen mit Spenden zu retten.


NGO-Dialog: Was hat Sie bewogen aus dem Bio-Laden heraus eine Organisation aufzubauen, die Flüchtenden das Leben rettet?

Axel Steier: Fernsehbilder! Und zwar von geflüchteten Menschen auf der Balkanroute. Wir wollten helfen, borgten uns drei Kleinbusse, packten die mit dem Nötigsten voll und fuhren nach Preševo in Serbien. Wir hatten 14 Tage Vorbereitungszeit. Über Facebook organsierten wir zwölf Helfer und betrieben dort eine Teeküche. Doch zehn Tage später wurde die Grenze geschlossen und ein Teil von uns zog weiter nach Indomeni in Mazedonien an die Grenze zu Griechenland. Von Dresden aus wurden dann Lebensmittel und Hilfstransporte organisiert.


NGO-Dialog: Das hatte aber noch wenig mit Lebensrettung im Mittelmeer zu tun.

Axel Steier: Ja, wir mussten uns immer weiter mit unserer Hilfe anpassen. So kamen wir dann auch nach Chios, einer griechischen Insel direkt vor der türkischen Küste, wo viele Flüchtende ankamen und die Not sehr groß war. Die Menschen waren völlig durchnässt, und viele mussten medizinisch versorgt werden. Nach dem EU-Türkei-Deal änderte sich das und wir waren, wie auch andere Hilfsorganisationen der Meinung diese Gefängnissituation auf den griechischen Inseln nicht weiter unterstützen zu können. Außerdem verlagerten sich die Flüchtlingsströme immer mehr ins Mittelmehr. Und es wurde Sommer. Tee auszuschenken, wenn gleichzeitig viele Menschen bei der Überfahrt nach Europa starben, machte da für uns keinen Sinn mehr. Deshalb kam es zur Idee mit dem Schiff.


NGO-Dialog: Von der Teeküche zum Schiff ist aber ein großer Schritt.

Axel Steier: Am Anfang dachten wir, wir könnten mit wenigen Mitteln da viel ausrichten. Im Mai 2016 gründeten wir den Verein Mission Lifeline und 15 Monate später konnten wir das Schiff kaufen.


NGO-Dialog: Sie haben gerade auch einen Prozess gegen Pegida gewonnen, die Sie als Schlepper bezeichneten. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Axel Steier: Das ist eigentlich interessant, denn unser Boot ist so kurz und klein, dass es eigentlich nur als First Responder funktioniert, das heißt wir retten die Menschen nur aus der akuten Seenot und übergeben sie dann an Schiffe, die sie an Land bringen. Wir sind sozusagen die schnelle Eingreiftruppe, die dann Rettungswesten und Essen verteilt, medizinische Notfälle versorgt und dann mit dem „Maritime Rescue Coordination Centre“ in Rom klärt, an welches Schiff wir die Geretteten übergeben können. Bei diesem Ablauf ist es umso erstaunlicher, dass wir mit kriminellen Schleppern verglichen werden, aber das zeigt eben den politischen Rahmen, der unsere Arbeit behindert. Und das beeinflusst auch Menschen, die dann denken, hier ginge etwas nicht mit rechten Dingen zu. 


NGO-Dialog: Das Schiff wurde gekauft und ist im Mittelmeer unterwegs. Was haben Sie erreicht?

Axel Steier: 549 Menschen konnten wir im letzten Jahr von September bis Dezember im Mittelmeer retten. Dabei waren aber auch drei Missionen, wo nix passierte und wir nur schlechtes Wetter hatten. Da konnten wir auch nicht eingreifen und haben auch Leichen im Meer gefunden. Aber für uns steht natürlich der Erfolg im Vordergrund, so viele Leben gerettet zu haben. Leben oder Nicht-Leben. Das kann man mit Geld nicht aufwiegen.


NGO-Dialog: Solch ein professionelles Projekt braucht auch Geld. Wie machen Sie das?

Axel Steier: Ja, es sind über 40.000 Euro im Monat. Am Anfang hatten wir Projektpartner aus Spanien, welche die Hälfte der Kosten übernahmen. Es ist aber noch nicht klar, ob die weitermachen. Wir hatten aber auch etwas Glück mit dem günstigen Schiffskauf und der anfänglichen Euphorie, die uns beispielsweise bei Facebook getragen und finanziell ein Polster gegeben hat. Doch nun ist das Geld bald zu Ende, und wir müssen uns Gedanken machen.


NGO-Dialog: Die Situation im Mittelmeer wird sich ja nicht entspannen.

Axel Steier: Eher nicht. Überall flüchten die Menschen, und dort, wo die Mauern besonders hoch gezogen werden, wird mehr gestorben, aber nicht weniger geflüchtet. Das ist die Realität.


NGO-Dialog: Was sind denn jetzt die Ziele? Fünf Missionen gefahren, über 500 Menschen gerettet. Mission der NGO erfüllt?

Axel Steier: Die Sterblichkeit hat sich ja im letzten Jahr sogar noch erhöht, obwohl weniger Menschen die Flucht wagen. Wir wollen deshalb weitermachen. Eine solche Organisation aufzubauen und dann wieder einzustellen, kann ja nicht das Ziel sein. Wir wollen da dranbleiben und uns noch weiter professionalisieren. Auch im Fundraising, denn ohne Spenderinnen und Spender wird das nicht gelingen. Deshalb schreiben wir auch gerade eine Stelle aus und hoffen auf professionelle Unterstützung im Fundraising. Bewerbungen gerne an mich. Uns ist es egal wo der Fundraiser sitzt, wir sind eine Organisation, die stark vernetzt ist und sowieso viel online kommuniziert. Da müssen wir flexibel sein.

Informationen zu Mission Lifeline hier.

(Bild: Mission Lifeline, Axel Steier)

Zurück

Einen Kommentar schreiben