INTERVIEW

„Kleine Spenden genügen uns schon.“

Till Mletzko
Till Mletzko

Wikipedia-User kennen es mittlerweile. Immer in der Weihnachtszeit poppt ein Banner auf und bittet um Spenden für Wikimedia-Foundation und Wikimedia Deutschland. Vergangenes Jahr war das Ziel extrem ambitioniert: 7,8 Millionen Euro sollten zusammenkommen. Wir sprachen mit Till Mletzko, Fundraiser von Wikimedia Deutschland, über die Kampagne.

NGO-Dialog: Herr Mletzko, 7,8 Millionen Euro in 50 Tagen sind ein sehr ambitioniertes Online-Spenden-Ziel, wieviel ist es zum Schluss geworden?

Till Mletzko: Wir konnten sogar 8,2 Millionen Euro einnehmen und unsere Kampagne diesmal sogar zwei Tage eher beenden, weil das Spendenziel erreicht wurde. Normalerweise läuft unsere Kampagne bis 31. Dezember. Unser Spendenziel wurde dabei die gesamte Zeit mit einem Spendenbarometer kommuniziert.


NGO-Dialog:
Das Banner hätte also noch zwei Tage länger auf der Website stehen und noch mehr Spenden generieren können?

Till Mletzko: Theoretisch ja, aber wir haben ein Jahresspendenziel, was die Mittel für das nächste Jahr generieren soll und kommunizieren das unseren Spendern auch relativ simpel. Wir sagen auf unserer Spendenseite, wofür wir das Geld brauchen und wenn es zusammen ist, schalten wir die Banner ab. Natürlich kann man uns auf unserer regulären Spendenseite auch 365 Tage im Jahr spenden, aber das passiert bisher kaum. Was in Ordnung ist, denn man geht ja nicht zu Wikipedia, um zu spenden, sondern, um Informationen zu bekommen. Deshalb machen wir einmal im Jahr die Kampagne.


NGO-Dialog:
Die Steigerungen des Spendenaufkommens in den letzten Jahren sind natürlich extrem. Wie viele Spender stecken eigentlich hinter dieser großen Zahl?

Till Mletzko: Ja, 2009 haben wir im selben Kampagnenzeitraum unter einer Million Euro an Spenden eingenommen. Der Spendendurchschnitt ist aber durchaus vergleichbar, nämlich 21 Euro. Für eine Online-Spende also eigentlich eher niedrig. Die liegt ja eher bei 50 – 60 Euro. Wir hatten dieses Jahr 395.000 Zahlungen. Unsere häufigste Spende ist fünf Euro. Aber das forcieren wir auch. Wir wollen, dass klar wird, dass schon kleine Spenden genügen, um das große Ziel zu erreichen und das macht auch den Erfolg aus.


NGO-Dialog:
Die Ansprache im Spendenbanner wirkt alles andere als emotional?

Till Mletzko: Ja, das funktioniert einfach besser. Wir hatten in 2012 sehr viele persönliche Aufrufe von Wikipedia-Autoren, die funktionieren aber nicht so gut wie unser Faktentext. Wir argumentieren bewusst rational und faktenbasiert. Und auch der Spendenbutton gibt 5, 15, 25 und 50 Euro als Möglichkeit vor. Das sind vier der sieben Buttons zur Auswahl. Die fünfer und 15er Buttons werden einfach am häufigsten geklickt. Wir haben halt diesen riesigen Traffic von 14 Millionen Seitenzugriffen am Tag, und da können wir uns auch leisten, zu sagen: Es tut nicht weh, einen kleinen Beitrag zu leisten und das Angebot von Wikipedia zu erhalten und zu verbessern.


NGO-Dialog:
Spenden die Leute auch, weil einen das Banner irgendwann genug genervt hat?

Till Mletzko: Man kann es empirisch nicht belegen. Im Netz ist man ja gewohnt, gerade Werbung eher auszublenden. Eine zentrale Säule jeder Kampagne ist Aufmerksamkeit. Doch die User wollen natürlich zuerst die Information von Wikipedia. Deshalb schalten wir das Banner erst nach siebeneinhalb Sekunden ein. Wenn das Banner dann herunter rollt, hat das natürlich einen gewissen Störfaktor, aber wir wollen ja, dass die User den Text darauf auch lesen und anklicken. Ob die Leute sich zum Spenden genötigt sehen, halte ich für eine eher steile These. Ich glaube, dass die Wikipedia-Leser sich meist erst dann Gedanken machen, wenn man sie darauf stößt. Dann stellen sie plötzlich fest, ja Wikipedia ist ja werbefrei und wird von freiwilligen Autoren geschrieben und dann entscheiden sie sich freiwillig für eine Spende. Aber wir sind eine der größten Websites der Welt. Bei 14 Millionen Seitenzugriffen pro Tag spenden weniger als 0,5 Prozent der Leser. Das ist extrem wenig. Ich denke, es liegt auch daran, dass wir keine echte Spendenseite sind. Man geht nicht zu Wikipedia, um zu spenden, sondern um Informationen und Wissen zu erhalten. Aber wenn weniger als 0,5 Prozent der Leser spenden, dann ist da noch reichlich Luft nach oben.“


NGO-Dialog:
Das Problem haben Verlage auch.

Till Mletzko: Ja, wir sind eher vergleichbar mit der taz oder der Süddeutschen Zeitung als mit Ärzte ohne Grenzen.


NGO-Dialog:
Euer Banner sieht nie besonders super designt aus. Aber Euer Erfolg gibt Euch recht. Woran liegts?

Till Mletzko: Wir testen wahnsinnig viel, auch schon vor der Kampagne. Wir sind auch die einzigen, die wegen ihrer Größe so ausgiebig testen können. Damit entscheidet bei uns der Spender, was er will. Das Banner, das die Spender am meisten überzeugt und zur Spende animiert, wird genommen. „In diesem Jahr haben wir wieder mit einem gelben Banner gestartet, aber Mitte Dezember war ein blaues Banner erfolgreicher, weshalb wir mit diesem die Kampagne auch beendet haben.“ Ästhetik ist dabei irrelevant. Hier geht es um Aufmerksamkeit.


NGO-Dialog:
Jetzt läuft die Kampagne 50 Tage im Jahr, was macht denn Till Mletzko den Rest des Jahres?

Till Mletzko: Eine solche Kampagne braucht unglaublich viel Vorbereitung und wir sind nur zu zweit. Ich bin für alle inhaltlichen Aspekte verantwortlich, inklusive der Technik. Gerade Sicherheit und Technik braucht immens viel Vorbereitung. Konzeptionell fangen wir schon im Juli an, denn wir müssen akribisch vorgehen, um 160.000 Euro Spenden am Tag reinzuholen. Die Hauptzeit ist dann ab Oktober. Und im Frühling folgt die Analyse. Unser E-Mail-Marketing hat zum Beispiel dieses Jahr bei identischen Öffnungsraten nicht so gut funktioniert wie letztes Jahr oder unser Banner auf der mobilen Wikipedia-Seite funktioniert noch nicht sehr gut. Da ist noch viel Neuland zu entdecken, wie Menschen auf mobilen Endgeräten für Wikipedia spenden wollen. All das bedenken wir, schauen auch über den Tellerand im Bereich E-Commerce und Conversionoptimierung. Momentan bereiten wir den Versand der Zuwendungsbestätigungen vor. Wir haben hier eine massive Kampagne, die bis zum Ende des Jahres läuft, und fünf Wochen später brauchen wir eine sechstellige Anzahl an korrekten Adressen. Das ist ein Datenaufwand, in den ich mich auch stürzen muss.


NGO-Dialog:
395.000 Zahlungen bucht doch keiner mehr von Hand?

Till Mletzko: Ein Vorteil ist natürlich, dass wir online sind. Wir haben vier Zahlungskanäle, PayPal, Überweisung, Lastschrift und Kreditkarte. Bitcoin und SMS sind beim Spendenaufkommen zu vernachlässigen. Die Informationen von Paypal fließen automatisiert in eine Datenbank, was schon eine große Hilfe ist. Bei Lastschriften sehen wir momentan einen Rückgang von sieben Prozent zum Vorjahr, das heißt, für uns sinkt hier der Aufwand. Wir haben dafür seit diesem Jahr glücklicherweise eine weitere Person die jeden Tag Lastschriften einzieht. Früher hab ich das noch gemacht. Aber wir haben auch Spenderanfragen, teilweise mehrere hundert E-Mails am Tag und auch noch Anrufe. Dafür haben wir ein Team von Werkstudenten, die sich darum kümmern und einen Mitarbeiter, der elektronische Kontoauszüge einspielt. Etwa 90.000 Zahlungen kommen über Überweisungen und die müssen natürlich überprüft werden.


NGO-Dialog:
Was kann man denn von Euch lernen?

Till Mletzko: Zum Beispiel haben wir dieses Jahr den Text auf der Spendenseite geändert, der die Spender auf Informationsmaterial hinweist. Dort steht jetzt nicht mehr der Satz „Bitte sendet mir Informationen.“, sondern ein konkretes Angebot auf die Kampagne bezogen. Neu lautet er: Bitte informiert mich, ob die Kampagne erfolgreich war und wenn Wikipedia auch in Zukunft meine Hilfe benötigt. Das führte zu einem massiven Anstieg von Opt-Ins.


NGO-Dialog:
Warum läuft die Kampagne eigentlich zu Weihnachten? Wikipedia wird doch das ganze Jahr genutzt?

Till Mletzko: Das ist historisch gewachsen und warum sollen wir eine gut laufende Kampagne ändern? Sicher gibt es eine Option für die Zukunft, das auch zu anderen Zeitpunkten zu machen. Aber da halten wir uns lieber erstmal an unsere bisher gemachten Erfahrungen, und die sind sehr positiv.

(Bild: Tobias Schumann, CC-BY-SA 3.0)

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