INTERVIEW

Meine Mannschaft, meine Liebe, mein Verein.

Christian ArbeitEin Sportverein, in dem sich die Mitglieder und Mitarbeiter durch einen gemeinsamen Gedanken verbunden fühlen und Vereinszukunft gemeinsam gestalten, ist das Utopie? Dass sich seine Mitglieder aus Überzeugung an der Sache engagieren, wünscht sich so mancher Verein, doch oft fehlt es an Freiraum für Kreativität und Gestaltungsmöglichkeiten. Die „Lernende Organisation“, die gemeinsam mit ihren Mitgliedern eine Gemeinschaft entwickelt, in der die individuellen Potenziale möglichst wirkungsvoll in den Dienst einer gemeinsamen Erfolgsperspektive gestellt werden, ist für Christian Arbeit, Pressesprecher des 1. FC Union, keine Utopie. Schon mit der Stadionsanierung in Eigenregie haben die Fans des Berliner Fußballvereins 2008 Vereinsgeschichte geschrieben. Nun konnten sich Mitglieder und Sponsoren mit der „Alte-Försterei-Aktie" ein zukünftiges Mitspracherecht bei Namensvergabe und Cateringrecht sichern.

NGO-Dialog: Herr Arbeit: „Wir verkaufen unsere Seele. Aber nicht an jeden“ – was steckt hinter diesem Slogan? Was bezwecken Sie mit dem limitierten Aktien-Zeichnungsprogramm für Mitglieder des 1. FC Union?

Herausgeber der Aktie ist genau genommen nicht der 1. FC Union, sondern die Stadion-Aktiengesellschaft. Somit kommt das Geld dem Verein und dem Sport nicht direkt zugute. Wir können davon also weder Nachwuchstrainer einstellen, noch Spieler kaufen. Es ist mir wichtig, das zu betonen. Aber natürlich braucht jeder Verein ein Stadion, in dem er spielen kann. Und hier kommt die Stadion-Aktie ins Spiel.

Den Begriff „Seele" haben wir deshalb gewählt, weil der 1. FC Union dem Standort „Alte Försterei" seit vielen Jahrzehnten verbunden ist. In diesem Stadion wird seit 1920 Fußball gespielt, begonnen bei den Vorläufervereinen des 1. FC Union. Das Stadion ist die Heimat und somit die Seele des Vereins. Genau hier gehören wir hin und hier sehen uns die Menschen auch. Der Slogan „Wir verkaufen unsere Seele“ spielt mit einer gewissen Angst, dem berühmten „Haken an der Sache". Die Aussage „aber nicht an jeden“ bedeutet, dass die Stadion-Aktien exklusiv den Mitgliedern und Sponsoren des 1. FC Union angeboten wurden. Denn das sind diejenigen, die für den Verein mit Sicherheit das Beste wollen.

NGO-Dialog: Verraten Sie uns, wie es zu dieser Idee kam und wie Sie diese in die Tat umsetzen konnten?

Grundsätzlich geht es schon seit einigen Jahren darum, das Stadion in der Alten Försterei in eine bundesligataugliche Spielstätte zu verwandeln, ohne ihren Charakter maßgeblich zu verändern. Schon 2008/2009 haben wir zusammen mit Fans, Mitgliedern und Sponsoren in Eigenregie das Stadion und den Platz saniert und damit wieder ein Stück Vereinsgeschichte geschrieben. Es fehlt nun noch die Multifunktionale Haupttribüne, die heutzutage im Profifußball unumgänglich ist. In unserer aktuellen Kampagne geht es darum, die 15 Millionen Euro aufzubringen, ohne dem Verein Lasten aufzubürden, die vielleicht den sportlichen Erfolg gefährden könnten. Grundsätzlich ist es immer dann für Vereine schwierig, wenn ein Stadion-Neubau nicht kommunal finanziert wird. Um das Aktien-Angebot für unsere Mitglieder und Sponsoren zu schaffen, musste die Stadiongesellschaft von einer Co KG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, ein komplizierter und zeitaufwendiger juristischer Prozess. Wir konnten aber planmäßig Anfang Dezember 2011 die Zeichnungsfrist für die „Alte Försterei Aktie" beginnen. Bis zum 31. Dezember hatten die Mitglieder und Sponsoren unseres Vereins die Möglichkeit, bis zu 10 Aktien pro Person im Wert von jeweils 500 Euro zu erwerben. Unser Ziel: Insgesamt 10.000 Aktien sollen so eine Kapitalerhöhung um 5 Millionen Euro bringen.

NGO-Dialog: Welche Resonanz zeigte der Aktienverkauf bisher, wie hoch ist der Aktien-Anteil in den eigenen Reihen? Glauben Sie, die Gefahr einer „Hakle-Feucht-Arena“ ist damit abgewendet?

Vielleicht sollte man sich zunächst vor Augen halten, dass wir einen sehr ungewöhnlichen Weg beschreiten. Das Aktien-Angebot richtet sich an einen limitierten Personenkreis von etwa 10.000 Menschen. Sicher sollte man auch in Rechnung stellen, dass 500 Euro pro Aktie für viele Familien eine Ausgabe ist, die gut überlegt sein will. Bis zum 28. Dezember wurden 5.000 Aktien gezeichnet, also die Hälfte der zur Verfügung stehenden 10.000. Ein paar Tage haben wir jetzt noch, es werden also sicherlich noch ein paar dazu kommen. Damit können wir sagen, dass in den Händen der Mitglieder schon mal deutlich mehr als die Sperrminorität liegt. Sie können also zukünftig von ihrem Mitspracherecht Gebrauch machen und Entscheidungen, die aus ihrer Sicht nicht im Sinne des Vereins und der Mitglieder sind, verhindern.

NGO-Dialog: Welche Entscheidungen betrifft dieses Mitspracherecht, können Sie Beispiele nennen?

Das betrifft natürlich nicht das operative Tagesgeschäft, da muss eine AG schließlich handlungsfähig bleiben. Die Details des Mitspracherechts sind in der Satzung der AG festgeschrieben. An die Öffentlichkeit sind wir mit dem sicherlich markanten Beispiel des Namensrechts herangetreten. Es gibt in Deutschland inzwischen eine Vielzahl von Stadien, die die absurdesten Namen von Sponsoren tragen. Das steht traditionsreichen Vereinen nicht immer so gut zu Gesicht und wird gerade deshalb unter den Fans vieler Vereine immer wieder sehr kritisch diskutiert. Ein weiteres Beispiel wäre die Vergabe des Cateringrechts, das in vielen Stadien an externe Anbieter vergeben ist. Sollte das für die Alte Försterei mal zur Disposition stehen, so würde darüber eben die Hauptversammlung der AG entscheiden.

NGO-Dialog: Schon im Jahr 2008 konnten Sie zahlreiche Union-Fans als freiwillige Aufbauhelfer gewinnen und damit das Stadion An der alten Försterei sanieren. Woher kommt diese enorme Einsatzbereitschaft? Warum schmieden sich die Union-Fans so „eisern“ an ihre Mannschaft?

Ich glaube das Wichtigste ist, dass die Fans das Gefühl haben, dass es ihr Verein ist, dass ihre Interessen vom Vorstand und der Geschäftsführung vertreten werden. Bis hin zum Vereinspräsidium sind beim 1. FC Union Menschen am Werk, die selbst Union-Fans sind, die schon als Kinder hier im Stadion gestanden haben. Bei unserem Verein gibt es eine große Nähe und Einigkeit darüber, was man erreichen möchte. Dieser Zusammenhalt und die Identifikation der Fans mit ihrer Mannschaft, aber auch die Tatsache, dass sie hier den Fußball so erleben, wie sie es möchten, das ergibt eine hohe Bereitschaft, sich dafür auch persönlich einzusetzen. Es ist aber auch eine Abgrenzung gegenüber dem Kapitalwettstreit im deutschen Fußball. Auch aus der Geschichte des Vereins heraus zeigt sich, dass das kaum ein erfolgversprechender Weg für Union sein kann. Insofern ist vielen Anhängern bewusst, dass es auch auf sie ankommt, dass jeder Einzelne wichtig ist für die Gemeinschaft.

Herr Arbeit, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Christian Arbeit ist seit 2005 Stadionsprecher des 1. FC Union Berlin und war bis 2008 Marketingkoordinator bei der UCI-Kinowelt. Seit 2009 arbeitet der überzeugte Union-Fan als Pressesprecher für den Berliner Fußballverein.

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