AKTUELLE DEBATTE

Fundraiser müssen vor allem wachsam sein

Gastbeitrag von Alexandra Ripken

Mein sehnlichster Wunsch war es, als selbstständige Fundraisingberaterin erfolgreich zu sein. Doch bei meinem ersten großen Fundraisingauftrag für das Augustinerkloster in Gotha scheiterte ich als frisch gebackene Fundraising-Managerin kläglich. Ich lag am Boden. Doch anstatt die Schuld bei anderen zu suchen, überlegte ich, über welche Steine ich gestolpert war und wie ich sie zukünftig aus dem Weg räumen könnte. Denn ich wollte mit meinem Unternehmen reüssieren. Deshalb arbeite ich nun mit anderen Begriffen und setze in meiner Arbeit andere Akzente. Damit sind meine Kunden zufrieden.

Kapazitäten statt Institutional Readiness

Mein erster Stolperstein in Gotha war die INSTITUTIONAL READINESS. Ich beobachtete die Menschen rund um das Augustinerkloster aufmerksam und prüfte innerlich ernsthaft, ob sie denn tatsächlich kognitiv und emotional zum Fundraising bereit waren. Von einem Zustand X machte ich also meinen Einstieg ins „professionelle“ Fundraising in Gotha abhängig. – Weit kam ich nicht.

Im Nachhinein fragte ich mich, ob denn die Institutional Readiness wirklich taugt, um die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit einer Organisation für Fundraising zu bemessen? Hatte ich aufs richtige Pferd gesetzt? Worauf kommt es an, wenn wir passgenaue Fundraising-Instrumente und -Maßnahmen empfehlen und entwickeln wollen?

Der Unternehmensberater Peter Economy rät uns, auf die Kapazitäten einer Organisation zu schauen. Unter Kapazitäten fasst er alle Human-, Sozial- und Finanz-Ressourcen zusammen, die eine Organisation jetzt schon aktivieren kann, um sie nutzbringend für ein Vorhaben einzusetzen.

So finden Sie vorhandene Kapazitäten:
Auf welche Menschen können Sie in Ihren Fundraisingbemühungen zurückgreifen? Welche Qualifikationen und Kompetenzen haben sie? Wie viel Zeit bringen sie mit?
Was für Netzwerke bestehen? Von welcher Qualität sind diese Netzwerke? Kennen sich die Menschen darin von Angesicht zu Angesicht? Wohnen sie nah beieinander?
Welches Budget steht Ihnen jetzt zur Verfügung? Was lässt sich heute schon damit anstellen?
Welche Möglichkeiten bietet Ihnen die Website? Über welche Medien verfügt die Organisation?


Spenderperspektive statt Spenderpyramide

Der zweite Stolperstein war der Begriff des GROßSPENDERS. „Also, er als Geistlicher lehne es ab, Menschen nach Geld zu klassifizieren. Der Gipfel der Unverschämtheit sei es, Menschen mit dickem Portemonnaie auch noch an die Spitze irgendeiner Pyramide zu stellen. Das mache er als Christ nicht mit“, lautete die Antwort eines Geistlichen im Augustinerkloster Gotha, als ich den „Großspender“ ansprach. Da saß ich dann und wusste erst einmal nicht weiter.

Wer ist Großspender? Ist das derjenige, der das gibt, was viel für eine Organisation ist? Also oftmals einen Betrag ab 100,00 Euro? Oder ist es derjenige mit einer fünfstelligen Spende? Oder doch eher der mit einem hohen Life-Time-Value?

Nein, das trifft alles nicht der Kern, meint die Fundraisingexpertin Kay Sprinkle Grace. Diese Erklärungen haben eine Schnittmenge und damit einen gemeinsamen Makel. Sie definieren den Großspender aus der Perspektive der Organisation. Die Bedürfnisse der Organisation bestimmen, wer Großspender ist. Die Interessen der Organisation stehen im Vordergrund, nicht die des Unterstützers.

Doch für Kay Sprinkle Grace ist Fundraising keine wie auch immer geartete Ressourcenbeschaffung. Für sie bedeutet Fundraising, für Spender Möglichkeiten zu eröffnen, so dass sie gemäß ihren individuellen Werten handeln können. Sie versteht Fundraising als Dienstleistung am und für den Spender.

Von dieser Aussage leitet sie die Begriffsbestimmung für „Großspender“ ab. Großspender ist für sie derjenige, der mit seiner Spende, bezogen auf seine Kapazitäten, seine große Übereistimmung mit dem Anliegen der gemeinnützigen Organisation dokumentiert. Damit kann sowohl die Witwe mit ihrem Scherflein Großspender sein als auch der Reiche mit seinen Talern. Beide stehen auf derselben Stufe.

Traum statt Mission Statement

Der dritte Stolperstein war das MISSION STATEMENT. Ich war sehr stolz darauf, die Arbeitshilfe von Timothy Seiler zücken zu können, um mit den Verantwortlichen das Mission Statement für das Augustinerkloster Gotha zu entwickeln. Timothy Seiler stellt nur fünf Fragen und fordert uns sofort auf, erst einmal die Werte aufzuschreiben, die unser Handeln bestimmen. Dann fragt er nach den kritischen Rahmenbedingungen und kritischen Ansatzpunkten für unser Handeln und bittet schlussendlich, alles in einem Satz miteinander zu verbinden.

„Puh“, war darauf die Antwort im Augustinerkloster Gotha. „Ist das staubig, trocken, düster. Immer nur Probleme. Das macht keinen Spaß!“ Doch Fundraising soll Spaß machen, Fundraisingberatung mit mir soll Spaß machen.

Also suchte ich nach einer alternativen Vorgehensweise, die ich beim Unternehmensberater Roger Martin fand. Er empfiehlt uns, die Menschen nach ihrem Traum zu fragen. Nach seinem Ansatz ist nicht das Defizit der Ansatzpunkt fürs Handeln, sondern die Fülle. Er lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die gegebenen Optionen um uns herum.

So wird aus dem Traum eine Perspektive:
Wo sehen sich die Handelnden mit der Organisation auf dem Spielfeld der Möglichkeiten gewinnen?
Welche Stärken können sie dazu ausbauen?
Was für Erfahrungen haben sie in der Vergangenheit gemacht? Was läuft gut in der Gegenwart? Welche Szenarien können sie für die Zukunft entwickeln?


Damit ist die wesentliche Fähigkeit eines Fundraisers seine Wachsamkeit gegenüber den Menschen und ihrer Umgebung, mit der er sich schnell und intelligent in einem sich unbarmherzig schnell ändernden Umfeld bewegen kann. Mit dieser Wachsamkeit erkennt er Chancen, erfasst Möglichkeiten und gewinnt Menschen.

Alexandra RipkenAlexandra Ripken ist Fundraising-Beraterin mit den Schwerpunkten Grassroot-Fundraising und Storytelling. Sie bloggt zwei Mal die Woche unter: adlerauge.blog

Lektüre zur Vertiefung: "Das persönliche Gespräch, wie regionales Fundraising die Weichen für unsere Zukunft stellt" von Alexandra Ripken Bestellung bei a.ripken@zielundplan.com
www.zielundplan.com

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