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Zaudern und Zögern

Schränkt die geplante ePrivacy-Verordnung NGOs ein oder nicht?
Schränkt die geplante ePrivacy-Verordnung NGOs ein oder nicht?

Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zur ePrivacy-Verordnung der EU bereitet vielen gemeinnützigen Organisationen Sorgen, aber auch deren Dienstleistern. Für den ngo-dialog kommentiert Rechtsanwalt und Datenschutzexperte Ralf Rösler die aktuelle Lage in einem Gastbeitrag.

Die ePrivacy-VO wird in Artikel 16 Regelungen für die Direktwerbung per elektronischer Kommunikation, also Werbung per E-Mail und Telefon, treffen. Mit ihrem Inkrafttreten kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob Spendenwerbung dem UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, d. R.) unterfällt. (Das ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, aber grundsätzlich nicht der Fall, vgl. Köhler/Bornkamm, UWG-Kommentar, 36. Auflage 2018, § 2 Rdnr. 41 und VG Köln vom 11.12.2013, Az.: 1 L 1345/13)


Werbung bedarf Opt-In

Nach dem aktuellen Entwurfsstand von Art. 16 (1) ePrivacy-VO bedarf Werbung per E-Mail grundsätzlich eines Opt-Ins. Art. 16 (2) ePrivacy-VO macht eine Ausnahme für Bestandskundenwerbung, wenn die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Erwerb von Waren oder Dienstleistungen erhoben wurde und dabei ein Hinweis auf das Widerrufsrecht erfolgte. Eine Onlinespende mit Bestätigungs-E-Mail dürfte nicht unter diese Ausnahme fallen, denn der Spender erhält für seine Spende gegenüber niemandem einen Anspruch auf eine Ware oder eine Dienstleistung, die Organisation setzt nichts ab, und sie fördert auch keinen fremden Absatz. Es fehlt also an einem Erwerbsgeschäft.

Auch die Werbung per Telefon bedürfte nach Art. 16 (1) ePrivacy-VO grundsätzlich eines Opt-Ins, wobei für „direct marketing voice-to-voice calls“ (persönliche Telefonwerbung ohne Anrufautomaten) eine nationale Möglichkeit für ein Opt-Out-System, geregelt in Art. 16 (4) ePrivacy-VO, diskutiert wird. Das EU-Parlament setzt sich hier für ein zwingendes Opt-Out-System bei Telefonwerbung („shall provide“) ein, die Kommission und der Ratspräsident möchten den Mitgliedstaaten zumindest die Wahlmöglichkeit hinsichtlich eines Opt-In- oder Opt-Out-Systems einräumen („may provide“).

Die Bundesregierung hat sich bereits in einer Stellungnahme vom 25.07.2019 auf eine Position festgelegt. Skeptiker (oder vielleicht eher Realisten) gehen davon aus, dass sich die Bundesregierung nicht mehr mit großem Einsatz in die weiteren Beratungen im Rat einbringen wird. Das Dossier für die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament über den finalen Gesetzestext fällt voraussichtlich in die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft, und man will daher wohl vorab keine großen Änderungen provozieren. Deutschland kann so 2020 als ehrlicher Vermittler auftreten.

Da ein gemeinsamer Standpunkt der Mitgliedstaaten noch im Jahr 2019 verabschiedet werden soll, ist die verbleibende Zeitspanne für Fundraiser, über Verbände und Ansprechpartner in der Politik auf die Position der Bundesregierung Einfluss zu nehmen, denkbar knapp bemessen.


Deutschland für Opt-In im Telefonfundraising

Deutschland setzt sich in seiner Stellungnahme vom 25.07.2019 im Hinblick auf Direktwerbung per E-Mail oder Telefon für eine Opt-In Pflicht ein, bei Telefonwerbung hilfsweise für eine nationale Wahlmöglichkeit.

Damit ist klar: Gäbe es eine nationale Wahlmöglichkeit bei Telefonwerbung, würde sich Deutschland für ein Opt-In-System entscheiden. Es bleibt abzuwarten, ob sich das EU-Parlament gegen Kommission und Rat mit seinem Vorschlag eines zwingenden Opt-Out-Systems durchsetzen kann.

Sollte das nicht der Fall sein, gibt es dennoch einen Hoffnungsschimmer. Die Regelung zur Telefonwerbung in Art. 16 (4) ePrivacy-VO („direct marketing voice-to-voice calls“) ist eine Sonderregelung zu Art. 16 (1) ePrivacy-VO („direct marketing communications“), auf den sie ausdrücklich Bezug nimmt. Der Begriff „direct marketing communications“ (Direktwerbung) selbst wird in Art. 4 (3) f) ePrivacy-VO im Kern als „jede Art von Werbung in schriftlicher oder mündlicher Form“ definiert, die sich an „Endnutzer elektronischer Kommunikationsdienste richtet“, das umfasst auch persönliche Direktwerbeanrufe („voice-to-voice calls“). Auf welche „Werbung“ sich „direct marketing communications“ eigentlich beziehen sollen, ergibt sich etwas versteckt aus Erwägungsgrund (32).


Ausnahme für Spendentelefonate?

Stellen Spendentelefonate keine „direct marketing communications“ nach Erwägungsgrund (32) dar, dann würden für sie weder die grundsätzliche Opt-In-Regelung in Art. 16 (1) ePrivacy-VO, noch die spezielle Regelung zur Telefonwerbung in Art. 16 (4) ePrivacy-VO, gelten.

Dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 10. Januar 2017, COM(2017) final 2017/0003 (COD), und dem Entwurf einer legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.10.2017, A8-0324/2017 zufolge umfasst „Direktwerbung“ nach Erwägungsgrund (32) neben kommerzieller Werbung auch Nachrichten von politischen Parteien und von Non-Profit-Organisationen.

Die Position des Rats der Europäischen Union hierzu ist noch offen. Nach dem Vorschlag des Ratspräsidenten vom 15.11.2019, 2017/0003(COD), 14054/19, der am 18.11.2019 in der Ratsarbeitsgruppe diskutiert und bereits an den Ausschuss der Ständigen Vertreter zur Prüfung und Bestätigung geleitet wurde, soll gemäß Erwägungsgrund (32) eine Wahlmöglichkeit der Mitgliedstaaten dahin gehend bestehen, ob Nachrichten von politischen Parteien und von Non-Profit-Organisationen als „Direktwerbung“ anzusehen sind.

Die Bundesregierung vertritt in ihrer Stellungnahme vom 25.07.2019 folgende Position: Es soll in Erwägungsgrund (32) keine nationale Wahlmöglichkeit geben, ob Fundraisung als Direktwerbung im Sinne der Verordnung verstanden wird. Die Bundesregierung setzt sich für eine Festschreibung ein, dass Fundraising durch Parteien oder NPOs immer als Direktwerbung anzusehen sei. Keine Direktwerbung sollen Parteienwerbung als Wahlwerbung sowie Markt- und Meinungsforschung sein. Mit anderen Worten: Geht es ums Geld, werden Unternehmen, Parteien und gemeinnützige Organisationen gleich behandelt.


A call is not a message!

Die bisherigen Vorschläge zur Einbeziehung von Fundraising in „direct marketing communications“ in Erwägungsgrund (32) beziehen sich bei genauem Lesen im Hinblick auf NPOs – anders als bei Parteien – nur auf Fundraising, bei dem Nachrichten übermittelt werden („messages sent“). Eine Übermittlung elektronischer Nachrichten ist eine asynchrone Kommunikation per E-Mail, SMS etc. Persönliche Direktwerbeanrufe („voice-to-voice calls“), die ohne Verwendung automatischer Anruf- und Kommunikationssysteme ausgeführt werden, stellen jedoch eine synchrone zweiseitige Sprachkommunikation und keine Nachrichten („messages“) dar.

Werden persönlich geführte Spendentelefonate von NPOs vom Begriff der (ggfs. um Fundraising erweiterten) „direct marketing communications“ in Erwägungsgrund (32) ePrivacy-VO letzten Endes also gar nicht erfasst? Davon ist derzeit auszugehen – a call is not a message. Es bleibt spannend.


UPDATE 05.12.2019:
Nachdem der Ausschuss der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten den Kompromissvorschlag des Ratspräsidenten abgelehnt hatte, schlug nun der neue EU-Digitalkommissar Thierry Breton am 03.12.2019 auf dem Treffen des Telekommunikationsrates eine komplette Neuausrichtung der festgefahrenen Verhandlungen um die ePrivacy-VO vor. Möglicherweise werden die strittigen Themen Cookies und Nutzertracking abgetrennt und die EU-Kommission legt einen neuen Vorschlag unter Berücksichtigung der laufenden Evaluierung der DS-GVO vor. Angesichts der Verzögerung ist mit dem Inkrafttreten einer ePrivacy-VO und neuen Regeln zum Telefon-Fundraising nicht vor 2023 zu rechnen.

Ralf Rösler

Ralf Rösler ist Rechtsanwalt und hat sich in den letzten Jahren immer mehr auch auf das Thema Datenschutzrecht spezialisiert. Zudem berät er seit über 15 Jahren einen großen Fundraising-Dienstleister. An der Fundraising-Akademie gibt er Seminare zur neuen EU-Datenschutzverordnung.



(Bild: Pete Linforth/Pixabay)

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