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Mindestlohn ändert Face-to-Face-Fundraising

Standwerbung Ärzte ohne Grenzen
Standwerbung Ärzte ohne Grenzen

Seit 1. Januar 2015 gilt eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde nach dem neuen Mindestlohngesetz. Diese Regelung gilt bis auf wenige Ausnahmen auch in Vereinen und für gemeinnützige Einrichtungen und deren Dienstleister. Viele werden sich anpassen müssen.

von Matthias Daberstiel

Biete Dialoger-Job für ab sieben Euro die Stunde! Diese Zeiten sind seit dem 1. Januar 2015 vorbei, denn nun gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die großen Dialog-Marketing-Agenturen wie Dialog Direct oder Face-to-face-Fundraising haben bereits reagiert und das Fixum für ihre Mitarbeiter deutlich erhöht. Und das ist auch nötig, wenn das Modell des Face-to-face-Fundraising wie bisher funktionieren soll. Das Mindestlohngesetz (MiLoG) droht bei Zuwiderhandlung Bußgelder von bis zu 500.000 Euro pro Verstoß an. Und das gilt durch die im Gesetz ausdrücklich festgelegte Auftraggeberhaftung nicht nur für die Dienstleister sondern auch für die beauftragenden Non-Profits. „Uns freut, dass die Auftraggeberhaftung Eingang in den gesetzlichen Mindestlohn findet. In der Callcenter-Wirtschaft sind traditionell große Auftraggeber in der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen sehr mächtig. Hier hat der Gesetzgeber jetzt eine klare Verantwortlichkeit auch für die Einhaltung des Mindestlohns geregelt“, zeigt sich der Präsident des Call Center Verband Deutschland e.V. (CCV), Manfred Stockmann, zufrieden. Der Zoll stellt gerade mehr als 1600 Mitarbeiter ein, um die Einhaltung des Gesetzes zu kontrollieren. Sicher gibt es andere Branchen, wie Bau, Taxi und Gastronomie, die erst mal eher im Fokus stehen, aber auch Non-Profit-Organisationen fallen unter das MiLoG. Ausnahme sind nur Vergütungen für ehrenamtliche Tätigkeiten, wie der Ehrenamtsfreibetrag, der Übungsleiterfreibetrag oder gering bezahlte Tätigkeiten von Vereinsmitgliedern, die sich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ergeben.

Für die Non-Profit-Organsationen, die mit externen Dienstleistern arbeiten, könnte das in diesem Jahr bereits eine deutliche Steigerung der Kosten für Face-to-Face-Fundraising bedeuten. Ausgerechnet bei der Fundraisingmethode, die schon sehr kostenintensiv, aber für die Neuspendergewinnung vieler Organisationen so wichtig ist. So stieg beispielsweise das Fixum bei DialogDirect für die Dialoger laut Stellenanzeigen von 1500 Euro auf 1630 Euro im Monat. „Ja, wir mussten die fixen Bezüge anpassen und dafür die erfolgsabhängigen Prämien etwas zurückfahren“, bestätigt DialogDirect Geschäftsführer Franz Wissmann. Bisher war die Masse der Dialoger mit erfolgsabhängiger Vergütung in seiner Firma über dem Mindestlohn. Doch das Gesetz lässt keine Ausnahmen mehr zu und deshalb waren auch bereits Anpassungen bei den Kundenverträgen nötig. Welche Konsequenzen das hat, kann Wissmann noch nicht abschätzen, denn wenn die Dialoger mehr Fixum und weniger Prämien erhalten, könnte das auch zu weniger Motivation führen, wirklich Ergebnisse abzuliefern. „Das werden wir aber spätestens im Mai sehen und dann müssen wir uns vor dem Sommer eventuell etwas einfallen lassen, denn keine Non-Profit-Organisation wird Verträge ohne Erfolgsquoten akzeptieren.“ Wissmann geht sicher davon aus, dass die Return-on-Investments von Face-to-Face-Fundraising erst einmal sinken werden und hofft, das über steigende Durchschnittsspenden vorerst auffangen zu können. Zusätzlich steht die Frage, wie die Arbeitszeiten künftig erfasst werden. Gerade bei Dialogern, die als Gemeinschaft wohnen und gemeinsam zum Arbeitsort fahren, müssen die reinen Arbeitszeiten jetzt sehr genau dokumentiert werden.

Bei Ärzte ohne Grenzen, die seit 2007 ihr Face-to-Face-Fundraising in Eigenregie führen, ist dagegen der Mindestlohn kein großes Thema. „Unsere Mitarbeiter werden innerhalb eines dynamischen Modells vergütet. Es werden weder Pro-Kopf-Pauschalen noch reine Provisionen in der Neuspendergewinnung gezahlt. Das Einstiegsgehalt erfüllt im kommenden Jahr die Anforderungen an den Mindestlohn“, teilt Jirka Wirth, Leiter der Spendenabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, mit. Er erwartet durch die neue Regelung nur sehr geringe zusätzliche finanzielle Auswirkungen.

Doch bleiben Schlupflöcher? Einige Dienstleister äußern sich nur unter der Hand dazu, denn es gibt auch Dienstleister, gerade im Door-to-Door-Bereich, die ihre Dialoger nicht anstellen, sondern als Selbstständige führen und damit den Mindestlohn unterlaufen könnten. Schnell liegt hier der Verdacht auf der Hand, dass es sich um Scheinselbständige handelt. Der Gesetzgeber will auch das kontrollieren. In bewiesenen Fällen drohen Bußgelder nach dem MiLoG, Nachforderungen des Finanzamts sowie der Sozialversicherungsträger und bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeträgen. Andere könnten den Anteil der unter 18jährigen unter den Dialogern erhöhen, die nicht unter den Mindestlohn fallen. „Für uns bei DialogDirect kommt das nicht in Frage!“, weist Wissmann das von sich. Einige Dienstleister bezweifeln allerdings, dass die Kontrollen so effizient sind und hoffen auf die Auftraggeber und ihre Verantwortung für faire Löhne.

Auch im Telefonfundraising könnte es Veränderungen geben. Noch bis vor kurzem stand auf der Website des Qualitätszirkel Telefonfundraising, dem immerhin die meisten Spezialisten für Telefonfundraising angehören: „Wir bezahlen unseren Telefon-Fundraisern einen Stundenlohn, der über dem Mindestlohn von 7,50 € liegt.“ Stehen also Gehaltserhöhungen ins Haus? Nicht so bei TeleDialog, einem der Marktführer. „Wir bezahlen schon seit einigen Jahren zehn Euro die Stunde und werden längerfristig wohl auf elf bis zwölf Euro gehen müssen, von daher ändert sich bei uns und für unsere Kunden nichts“, erläutert Wolfgang Mischkulnig, Geschäftsführer von TeleDialog. Er betont, dass es sich beim Telefonfundraising auch um eine anstrengende Arbeit handelt. „Für den jetzt festgelegten Mindestlohn bekomme ich da gar keine qualifizierten Leute“. Seine Firma versucht lieber, intern Prozesse zu optimieren, um keine Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben. Ähnlich auch beim Spendenhilfsdienst: Johannes Bausch, Geschäftsführer des Dienstleisters, bestätigt, dass auch er schon seit der Einführung des Euro 2002 mehr als den heutigen Mindestlohn zahlt. Auch bei ihm ist die Qualität der Mitarbeiter entscheidend.

Non-Profit-Organisationen ist auf jeden Fall zu empfehlen, ihre Gehaltsstruktur und Regelungen zu Arbeitszeitkonten auf die neue Gesetzeslage hin zu prüfen und eventuell anzupassen. Dienstleistungsverträge müssen auch angepasst und daraus eventuell auch Schlüsse für eine transparente Kommunikation gegenüber den Spendern gefunden werden. Eventuell sind durch die veränderten Kosten der Fundraising-Methoden auch Umschichtungen in den Kommunikationsbudgets notwendig. Arbeiten im Verein oder der Stiftung geringfügig Beschäftigte, sind zudem die Aufzeichnungs- und Bereithaltungspflichten zu beachten.

(Bild: Ärzte ohne Grenzen)

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