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Getestet und für schlecht befunden

Stiftung Warentest: Spenden

Es ist Weihnachtszeit. Hektik, Stress und wegen des Horrortaifuns Haiyan auch noch Überstunden bis zum Abwinken für Fundraiserinnen und Fundraiser. Sei es, weil die eigenen Kräfte vor Ort sind oder weil man Spender überzeugen muss, bei der Stange zu bleiben. Eigentlich also alles wie immer, wären da nicht die Medienberichte über Spendenorganisationen, die jedes Jahr an Dramatik zu gewinnen scheinen.

Vor wenigen Tagen erschien in der Zeitschrift der Stiftung Warentest ein Bericht über Organisationen aus dem Bereich Tier- und Umweltschutz, der in seinem katastrophalen Urteil von den Medien kritiklos übernommen wurde. Kein Wunder. Als seriöse gemeinnützige Stiftung mit klarem und unabhängigem Testurteil werden deren Ergebnisse nicht angezweifelt. Ergebnis war, dass nur 6 der 46 getesteten Organisationen wirtschaftlich, transparent und kontrolliert arbeiten. 20 Organisationen hatten gleich unter den verschiedensten Gründen den Test ganz verweigert. Dass dies kein gutes Zeugnis für Transparenz in diesem Sektor ist, hat sich wieder bestätigt. Doch nicht diese Organisationen stehen nun am Pranger, sondern die, welche Angaben nach gutem Wissen und Gewissen machten.

Kriterien nicht transparent

Die Stiftung Warentest dokumentiert auf ihrer Seite, wie sie bei Tests generell vorgeht. Es wird ein Fachbeirat einberufen, der Kriterien festlegt. Anschließend werden ein oder mehrere Prüfinstitute mit dem Test beauftragt und dann legt die Stiftung Warentest selbst fest, welche Einstufung die getesteten Waren und Dienstleistungen bekommen. Im Fall der Spendenorganisationen steckte die Stiftung Warentest nun in einem Dilemma, denn sie ist nachweislich weit über das Ziel hinausgeschossen. „Wir waren geschockt über die Ergebnisse“, sagt Andrea Berg von der Stiftung Vier Pfoten. Man war eigentlich davon ausgegangen, die von den Testern in einem siebenseitigen Fragebogen gemachten Angaben sehr zufriedenstellend beantwortet zu haben. Auch andere Kollegen beklagen die Ergebnisse. „Wir fühlen uns klar benachteiligt!“, sagt Daniela Freyer von der Stiftung Pro Wildlife. Für eine kleine Organisation mit 300.000 Euro Jahresumsatz sei zum Beispiel eine Vergaberichtlinie ein bürokratisches Monstrum. Doch kann ein fehlendes Spendensiegel oder keine Reisekostenrichtlinie so entscheidend für das durchweg vernichtende Urteil sein?

Für Stephan Kühnlenz, Projektleiter des Tests, in keinem Fall. „Das Führen des Spendensiegels hat nur einen minimalen Einfluss auf das Gesamtergebnis. Für ‚Transparenz‘ und ‚Organisation und Kontrolle‘ haben wir ein vierstufiges Bewertungssystem angelegt. Bis 40 Prozent der maximal erreichbaren Punkte haben wir ein ‚unzureichend‘, von 40 bis 60 Prozent ein ‚niedrig‘, von 60 bis 80 Prozent ein ‚mittel‘ und ab 80 Prozent ein ‚hoch‘ vergeben“, erläutert er gegenüber dem Fundraiser-Magazin. Doch wie die Kriterien genau in dieses Bewertungssystem eingingen, verrät er nicht. „Bei Dienstleistungstests ist es nicht üblich, alle Testkriterien zu nennen, siehe auch die Untersuchungen zu Berufsunfähigkeitsversicherungen oder gesetzlichen Krankenkassen. Eine Aggregation von Daten bedeutet auf der einen Seite Platzgewinn in den Tabellen und auf der anderen Seite Informationsverlust. In diesem Spannungsverhältnis bewegen wir uns bei jeder Untersuchung immer wieder neu.“ Im Fall der Spendenorganisationen wurde eindeutig Platz gespart. Die kurzen Tabellen ohne jedes Unterkriterium machen eine unabhängige Wertung des Lesers faktisch unmöglich. Er muss glauben, was die Stiftung getestet hat, und die Bewertung schlucken. Verifizierbar ist das nicht.

Fakten gegen den Test

Die Spendenorganisationen antworten mit Fakten. „Natürlich haben wir keine explizite Reiskostenrichtlinie, aber ein Mitarbeiter-Manual in dem genau geregelt ist, dass wir zweite Klasse Bahn fahren,“ erläutert Dr. Matthias Lehmann von PETA. Ihn ärgere es besonders, dass am 20. Oktober von der Stiftung Warentest eine Kurzfassung der Ergebnisse in Tabellenform zugeliefert wurde mit dem Hinweis, eine Woche Zeit zu haben, um noch Veränderungen vorzunehmen. Im selben Brief war aber auch eine Stichtagsfrist mit dem 21. Oktober angegeben. Das Ergebnis stand also schon fest und offenkundige Fehler konnten gar nicht mehr korrigiert werden. Daniela Freyer von der Stiftung Pro Wildlife akzeptiert zwar, dass die Tester die aggregierten Zahlen im Jahresbericht kritisieren, hat aber kein Verständnis dafür, dass die komplette Liste aller Einnahmen und Ausgaben, die auf der Internetseite steht, gar nicht berücksichtigt wurde. „Offensichtlich wurden hier viele Punkte gar nicht einbezogen und das, obwohl wir seit Jahren an das DZI unsere Unterlagen zur Prüfung einreichen, auch wenn wir das Spendensigel aus Kostengründen bisher nie erworben haben.“ Womit ein schräges Licht auf das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen fällt, das von der Stiftung Warentest als Prüfinstitut mit der Untersuchung beauftragt wurde. „In diesem Fall haben wir das DZI erwähnt, weil einige Kennzahlen auch vom DZI übernommen wurden oder sich an die Bewertungen anlehnen und das DZI in der Spendenbranche bekannt ist.“, begründet Kühnlenz die Entscheidung, das DZI deutlich mit dem Test zu verknüpfen.

Organisationsauswahl umstritten

Burkhard Wilke ist bei der Kommentierung des Tests sehr sparsam. Selbst wenn der Test viel schärfere Kriterien als das DZI selbst aufstellt. Beispielweise, wenn die Nennung der Höhe der Provision für Werber bei Face-to-face-Aktionen gefordert wird. „Das DZI war mitbeteiligt an der Entwicklung und Diskussion des Prüfprogramms, der Auswahl der einbezogenen Organisationen und der Auswertung von deren Unterlagen“, stellt er sachlich fest. Doch gerade auch bei der Auswahl der Organisationen herrscht allgemein Verwunderung. Große Organisationen, wie die Deutsche Wildtierstiftung, Albert-Schweitzer Stiftung, Landesbund Vogelschutz oder Spendensiegelorganisationen wie Euronatur oder Tropica Verde wurden gar nicht angefragt. Dafür Vereine, die schon seit Jahren auf der Abschussliste von Charity Watch Gründer Stefan Loipfinger standen. „Da es leider keine Datenbank mit Spendenorganisationen gibt, konnte nicht ein Mindestumsatz oder eine andere Messgröße als Auswahl herangezogen werden. Wir haben deshalb die Prüfinstitute gebeten, uns relevante und bekannte Organisationen zu nennen und haben diese Listen mit unseren eigenen Erfahrungen abgeglichen“, erläutert Projektleiter Kühnlenz. Warum hier plötzlich von mehreren Prüfinstituten die Rede ist, will er nicht weiter ausführen. „Die Mehrzahl ist hier bewusst gewählt. Über die anderen Beteiligten möchten wir aber Stillschweigen bewahren.“ Dass dies nicht transparent ist, ficht ihn nicht an.

Dabei hätte der Test durchaus differenzieren können. So hätten die Organisationen beispielsweise in projektbezogener oder kampagnenbezogener Tätigkeit getrennt werden können. PETA oder Vier Pfoten verhalten sich nämlich durchaus gemeinnützigkeitskonform, wenn sie Spendengeld für Kampagnen, Petitionen und Öffentlichkeitsarbeit ausgeben. „Selbst das DZI rechnet nicht 100 Prozent dieser dort anfallenden Kosten in Werbung um“, meint Matthias Lehmann von PETA. Stiftung Warentest tat es offenbar. Bezeichnenderweise auf der Basis der transparent zur Verfügung gestellten Zahlen der Organisationen. Zumindest nach der Größe der Einnahmen hätte man die Organisationen, die Zahlen einreichten, also im Nachgang doch klassifizieren und die Kriterien dementsprechend anpassen können. So war keine differenzierte Einschätzung möglich.

Nenne deine Zahlen nicht?

Es bleibt das schale Gefühl, dass hier die Tester methodisch unsauber gearbeitet haben, selbst zweifelhafte Transparenz an den Tag legen, aber das Kind bereits im Brunnen liegt. Frei nach Wilhelm Busch könnte man sagen: Die Moral aus der Geschicht, nenne deine Zahlen nicht. Dann würde man sich aber in eine Ecke stellen mit dubiosen Organisationen, die schon seit Jahren immer wieder auffällig werden. Um dem zu entgehen, sollte sich die Branche auf gemeinsame Selbstverpflichtungen festlegen, um ihre Besonderheiten gerade in der Kampagnenarbeit besser gemeinsam vertreten und kommunizieren zu können. Das DZI und die Stiftung Warentest haben in den Augen der Organisationen durch diesen Test den Anspruch verspielt, dafür der geeignete fachliche Partner zu sein.

Matthias Daberstiel


(Foto: Stiftung Warentest)

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